Читать книгу Die Begegnung - Ralf Wider - Страница 5

Kapitel 3 - Der Ältestenrat

Оглавление

Lisa Moana und Luís Guillermo lagen in ihrem Zweier-Kinderwagen ein paar Meter vom Tisch entfernt und schliefen.

Tony hatte mit einem verschwörerischen Grinsen eine zweite Flasche des hauseigenen Chardonnays gebracht, sich selbst auch ein Glas eingeschenkt, um sich darauf dezent zurückzuziehen. Essen würde es später geben. Monica hatte ihm signalisiert, dass die kleine Gruppe zuerst noch etwas Wichtiges zu besprechen habe.

An dem Tisch auf der Terrasse des Restaurants Te Whau sassen vier Master und ein Commander. Der Ältestenrat, angeführt von Master Monica, die wie immer ein luftiges, langes Sommerkleid trug, unter dem man ihre Uniform nur erahnen konnte, hatte sofort ein Treffen anberaumt, als er die Nachricht von Laura und Ferry erhalten hatte. Die weiteren Mitglieder des Rates, Master Wei und Master Paris, hatten sich nicht die Mühe gemacht, sich umzuziehen. Auf der kleinen Künstler- und Weinidylle-Insel vor Auckland scherte sich niemand darum, wie man herumlief. Ihre weissen Master-Uniformen, auf deren Epauletten je ein Stern prangte, leuchteten in der Sonne. Obwohl es Winter war in Neuseeland, strahlte die Sonne von einem tiefblauen Himmel.

Es war tatsächlich ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit, und Commander Laura Hidalgo räkelte sich genüsslich in der Sonne. Sie liebte die Wärme. Es war ihr erstes Treffen mit dem Ältestenrat auf Waiheke, bisher kannte sie diese Treffen nur aus den Erzählungen ihres Mannes. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, ein schickes Sommerkleidchen anzuziehen, in leuchtendem Rot mit weissen Tupfen. Sie fand es nicht richtig, in P0 in Uniform herumzulaufen. Ausserdem war es ihr immer noch etwas peinlich, dass sie als Commander des Black Commands eine schwarze Uniform bekommen hatte. Sie sagte immer, dass sie darin wie Catwoman aussähe. Ferry vermutete jedoch insgeheim, dass sie nach der Geburt der Zwillinge noch nicht ganz auf ihrem Wunschgewicht zurück war und sich der etwas weiblicheren Rundungen schämte. Ihm gefiel das, er fand, dass sie zum Anbeissen aussah. Aber sie gefiel ihm auch in dem Sommerkleidchen.

Master Ferry Black, Leiter der P1 Armed Forces, nahm geniesserisch einen weiteren Schluck von dem kräftigen Weisswein. Daran konnte man sich gewöhnen, fand er. Auch er trug seine Uniform, im Gegensatz zu den anderen Mastern war seine jedoch schwarz. Er hatte immer eine schwarze Uniform gehabt, seit er als junger Pilot die Black Squad übernommen hatte. Eine Spielerei der Toilette, die alle Uniformen bereitstellte, und auf deren Entscheidungen man keinen Einfluss nehmen konnte. Toiletten funktionierten fast komplett autonom.

Auf Ferrys Schultern prangte seit Neuem der Master-Stern. Er war zu stolz gewesen, um diese Uniform heute nicht zu tragen. Am Tag nach der Begegnung mit Annunfala hatte ihm die Toilette die Master-Uniform zugestanden. Obwohl - es gab nebst der Farbe noch einen weiteren, kleinen Unterschied an seiner Uniform. Master Paris hatte ihn soeben darauf angesprochen.

"Sag mal, Ferry, was soll der Kringel da neben dem Stern?" Paris deutete auf Ferrys Epauletten. Neben dem Stern, der den Grad eines Meisters bekundete, prangte ein weiteres Symbol in Gold. Es war bogenförmig und ähnelte einer Rune, oder einem Zeichen, das mit Pinsel gemalt worden war.

Ferrys Ohren begannen zu leuchten. Es war ihm peinlich, dass er, als jüngster Master der Runde, etwas Zusätzliches auf den Schultern trug. Auch Laura hatte dieses Zeichen auf ihren Gradabzeichen, neben den vier breiten Goldstreifen.

"Also, wenn wir Fala richtig verstanden haben, dann ist das ein Zeichen in der Schrift der Grauen, die einen hohen Funktionsträger bezeichnet. So etwas wie einen Staatsmann oder einen Diplomaten oder so. Die Erklärung war ein wenig verwirrend, da ihr Staatssystem und ihr soziales System irgendwie anders aufgebaut sind. Wir glauben, dass ihr die richtigen Worte gefehlt haben, um es genau zu erklären. Und der Dolmetscher scheint nur Worte zu übersetzen, die in beiden Sprachen deckungsgleich sind. Es ist ein bisschen schwierig…", erklärte Ferry.

"Aber als sie uns das zweite Mal besuchte, hat sie das Zeichen sofort erkannt!", warf Laura ein. "Es schien sie auch nicht weiter zu stören, dass wir diese Zeichen trugen, sie fand es gut." Mit einem Augenzwinkern in Ferrys Richtung ergänzte sie: "Viele A-und-N-Worte!" Sie lachte ihr ansteckendes Lachen. Ferry stimmte in ihr Lachen ein.

Die Meister des Ältestenrates schauten sich jedoch fragend an und Laura beeilte sich, ihnen die Interna zu erklären.

"Uns ist aufgefallen, dass in der Sprache der Grauen die guten Dinge unüblich häufig mit A beginnen und viele Ns haben. Diese Worte werden hell und offen ausgesprochen. Schlechte Dinge werden eher gezischt oder geknurrt und enthalten überdurchschnittlich viele CHs und Konsonanten wie P, T, G und K, zum Beispiel. Also haben wir uns jedes Mal gefreut, wenn wir ein Wort nicht übersetzt bekamen, wenn es viele As und Ns hatte… Wir sind dann einfach davon ausgegangen, dass es etwas Gutes ist… " Die drei Master nickten gewichtig, zum Zeichen, dass sie verstanden hatten. Sie schienen sehr beindruckt.

"Und wie genau funktioniert dieser Dolmetscher?", hakte Master Wei in seinem chinesisch gefärbten Englisch nach. Ferry tippte an die linke Seite seines Kopfes.

"Annunfala hatte diese kleine Black Box, mit der sie unsere Köpfe abgesucht hat. Scheinbar hat das Gerät unsere Funkverbindungs-Implantate im Wernicke-Zentrum gefunden und dort eine Art Übersetzungs-Software installiert. Wenn Fala spricht, unterdrückt das Gerät das akustische Signal, das vom Ohr geliefert wird, und man hört die Übersetzung direkt im Kopf. Als ob man vom HQ angefunkt wird. Wahnsinn, nicht?" Ferry gestikulierte wild mit den Armen um seinen Kopf herum, um die Worte zu unterstreichen.

Jedes Mitglied des P1-Corps hatte dieses Implantat im Wernicke-Zentrum, dem sensorischen Sprachzentrum des Gehirns. Es ermöglichte den Funkkontakt vom Hauptquartier an den Träger, ohne weitere Hilfsmittel. So konnte zum Beispiel ein Pilot angefunkt werden, auch wenn er seinen Helm gerade nicht trug oder nicht in seinem IFO war.

"Und dein Störsender?", fragte Paris mit einer hochgezogenen Augenbraue. Es war ihm immer ein Dorn im Auge gewesen, dass Ferry eine Abschirmung aus Permalloy in Form eines Ohrrings gebaut hatte, die das schwache Signal dieser Funkkommunikation abfangen konnte. Ferry grinste.

"War nicht eingeschaltet.", gab er knapp zur Antwort. "Aber so oder so: die Technik der Grauen ist scheinbar der Unseren um einiges voraus…" Er zuckte mit den Schultern. Paris machte ein säuerliches Gesicht. Es schien ihm nicht zu schmecken, dass Ferry die Grauen als technisch überlegen bezeichnete. Obwohl das eigentlich schon lange klar gewesen war: allein die Grösse und Feuerkraft der grauen Zerstörer-IFOs zeigte diese Überlegenheit mehr als deutlich.

"Heisst die graue Königin nun Fala oder Annunfala? Und ist sie wirklich eine Königin?", fragte Monica dazwischen. Ferry und Laura hatten ihr Zusammentreffen mit der grauen Königin und ihrem Baby so detailliert wie möglich geschildert - bei der ersten Flasche Wein - doch verständlicherweise gab es von Seiten des Rates noch viele offene Fragen.

Nach einem kurzen Blickwechsel zwischen den Eheleuten setzte Laura zur Erklärung an. Was sprachliche Dinge betraf, war sie die Fachfrau.

"Beides ist richtig. Es ist so: ihr Rufname ist Fala. Annun ist eher so etwas wie ein Familienname. Nur, dass die Familie in diesem Fall sehr gross ist. Ihr ganzer Stamm, oder Clan oder ihre soziale Einheit, wenn man so will, trägt diesen Namen.", erklärte sie.

"Und bedeutet der Name etwas?", hakte Monica nach. Laura und Ferry nickten simultan.

"Annun heisst Mensch. Eigentlich sogar Gut-Mensch, dabei steht das An für gut und Nún für Mensch.", antwortete Laura. In perfekter Choreographie gingen die Augenbrauen der erstaunten Ratsmitglieder nach oben.

"Ja, das hat im ersten Moment für etwas Verwirrung gesorgt, auch bei uns.", fiel Ferry ein. "Als Fala uns erklärt hat, dass ihr Volk die "Annun" sind und wir die "Gach" - ein gezischtes Wort übrigens, mit einem heftigen "ch", also negativ konnotiert -, kam die Übersetzung vom Dolmetscher als "Menschen" und "Andere". Wir haben einen Moment gebraucht, um zu verstehen, dass sich die Grauen als Menschen bezeichnen. Als wir dann erklärt haben, dass wir Menschen seien und sie Graue, hat das wiederum zu grosser Verwirrung bei Fala geführt. Nach einigem Hin- und Her haben wir zusammen gelacht und uns geeinigt, dass wir beide Annun sind, aus jeweils unserer eigenen Perspektive."

"Sie lachen?", fragte Paris ungläubig. Er hatte sich den Erzfeind immer als grimmig, verbissen und düster vorgestellt. Es schien irgendwie absurd, sich den Gegner lachend vorzustellen.

"Ja, und es klingt ganz drollig.", entgegnete Laura. "Es ist so eine Art helles Gurgeln und Pfeifen, und dazu klappern sie mit ihrem Gebiss, oder ihren Zahnplatten, das trifft es eher." Sie versuchte, das Lachen der Grauen nachzuahmen, was urkomisch klang, worauf die ganze Runde in Gelächter ausbrach.

"Auch Fala hat eine Bedeutung, die sich uns erst nach einigem Nachfragen erschlossen hat.", fuhr Laura fort, als das Gelächter abgeklungen war. Sie zog damit neugierige Blicke des Rates auf sich. "Fala bedeutet Königin."

"Ha! Also ist sie wirklich eine Königin!", rief Monica. Laura hob die Hand zum Zeichen, dass sie noch nicht fertig war.

"Fala heisst auch Mutter. Und ebenso Leben. Die drei Bedeutungen sind in ihrer Kultur scheinbar gleichbedeutend. Die Mutter ist die Lebensbringerin und damit auch eine Art Königin. Wir vermuten, dass ihre Gesellschaft auf einem Matriarchat aufbaut, doch der Dolmetscher hat bei diesem Wort gestreikt. Wir müssen dieser Sache noch auf den Grund gehen…"

Die drei Räte nickten bedeutungsvoll. Sie waren beeindruckt, was Laura und Ferry bereits hatten herausfinden können. Schweigen trat ein.

Natürlich, es gab noch unendlich viele Fragen, die den Ältesten auf der Zunge brannten, aber es würde Zeit brauchen, alles herauszufinden und alle Fragen zu beantworten. Monica brach das Schweigen.

"Und was wollen sie?", fragte sie.

Ferry und Laura antworteten gleichzeitig: "Frieden."

Man konnte spüren, wie sich eine gewisse Anspannung, die sich aufgebaut hatte, verflüchtigte. Monica atmete hörbar aus.

"Seid ihr sicher? Es könnte ein Trick sein, eine Falle.", fragte sie und fixierte die beiden.

Wieder reagierten die beiden gleichzeitig: "Ganz sicher."

"Wie könnt ihr das wissen?", hakte Wei nach, sein ewiges Chinesenlächeln auf dem Gesicht. Ferry holte tief Luft und machte mit den Armen eine rudernde Bewegung.

"Es ist kompliziert. Wir haben nicht alles verstanden, was Fala uns erzählt hat. Doch es scheint, dass in ihrer Welt Krieg und Not herrscht. Die An-Nun scheinen von einem anderen Volk bedrängt zu werden, sie nennen sie die Pch-Nun, die bösen Menschen."

"Siedeln sie deshalb in P1?", fragte Paris und kniff dabei die Augen zusammen.

"Genau. Es scheint nicht gut zu stehen um ihre Welt. Fala sagt, dass sie weg müssen von dort, weil sie sonst sterben. Entweder durch die Pch-Nun, oder vor Hunger."

Wieder trat betretenes Schweigen ein. Nach einem kurzen Moment fuhr Ferry fort.

"Die An-Nun sind die Hüter der Welten. Nur sie besitzen die Fähigkeit, aus ihrer Welt - wir haben sie unter uns P2 genannt - nach P1 zu reisen. Es scheint aber nicht ein Kopf-Ding wie bei uns zu sein, sondern ein technischer Vorteil gegenüber den Pch-Nun. Die An-Nun besitzen eine Technologie, die es jedermann ermöglicht, nach P1 zu transferieren! Die Pch-Nun wollen diese Technologie an sich bringen. Sie scheinen dabei sehr aggressiv vorzugehen. Um den Attacken des Feindes zu entgehen, haben die An-Nun begonnen, nach P1 auszusiedeln. Es erklärt auch, zumindest bedingt, warum sie uns so hartnäckig angegriffen haben. Sie waren verzweifelt, sie mussten sich einen neuen Siedlungsraum schaffen, respektive erobern." Er pausierte, damit sich das Gesagte setzen konnte.

"Aber die Grauen sind schon seit Jahrzenten in P1!", warf Paris kritisch dazwischen.

"Stimmt. Der Krieg in ihrer Welt scheint schon seit mehreren hundert Jahren anzudauern. Lange schienen die An-Nun dabei die Oberhand zu behalten. Doch irgend etwas muss sich verändert haben, im Laufe der Zeit. Was, wissen wir auch nicht. Auf jeden Fall scheinen ihnen langsam die Ressourcen auszugehen. Das hat sie dazu bewogen, sich nach Alternativen umzusehen. Die früheren Kontakte, die wir mit Grauen in P1 hatten, waren eigentlich reine Aufklärungsflüge ihrerseits. Sie haben die Lage gepeilt, weil sie wissen wollten, was sie dort erwartet. Dazu gehörte wohl auch, dass sie uns angegriffen haben, um herauszufinden, ob wir ein ernstzunehmender Gegner sind. Vielleicht haben sie auch gehofft, dass wir uns aus P1 zurückziehen, wenn sie uns immer wieder angreifen, was aber nicht eingetreten ist. Mit der Zeit ist wohl die Lage in ihrer Heimat immer brenzliger geworden und schliesslich haben sie begonnen, umzusiedeln, unabhängig davon, ob wir nun auch in P1 waren oder nicht." Wieder pausierte Ferry kurz, um dann mit einem schweren Seufzer weiterzufahren.

"Ich denke, dass wir sie bei Mollis enorm geschwächt haben. Wir haben damals einen Grossteil ihrer Armada vernichtet. Damit hatten sie auch in ihrer Heimat kaum noch eine Chance, gegen ihren Feind zu bestehen. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Es sind nur noch wenige An-Nun in P2 und sie gehen jedem Gefecht aus dem Weg, weil sie zu schwach sind. Sie sind ständig auf der Flucht."

"Warum kommen sie dann nicht alle nach P1?", bohrte Wei nach. Ferry schüttelte den Kopf.

"Sie sind die Hüter der Welten. Sie müssen das Tor bewachen. So hat Fala es ausgedrückt. Sie könnten alle nach P1 kommen, aber dann würden sie die Technologie - das "Tor" - dem Feind überlassen. Es würde nicht lange dauern, und die Pch-Nun würden in P1 einfallen."

"Und so wie es klingt, müssten wir uns dann mit einem weitaus schlimmeren Gegner auseinandersetzen.", warf Laura mit finsterer Miene dazwischen.

Monica, Wei und Paris machten betroffene Gesichter. Sie hatten in den letzten Jahrzehnten genug Ärger mit den Grauen gehabt. Das Corps hatte über die Jahre grosse Verluste hinnehmen müssen. Eine Spezies, die noch stärker und blutrünstiger war als die Grauen, die sie kannten, wollte sich niemand zum Feind machen.

"Können sie dieses Tor denn nicht schliessen?", fragte Monica und ein Ansatz von Verzweiflung war in ihrer Stimme zu hören. Wei und Paris nickten zustimmend, das hatten sie auch gerade fragen wollen. Laura und Ferry schüttelten die Köpfe.

"Scheinbar nicht.", antwortete Ferry. "Es scheint ähnlich zu funktionieren wie eine Toilette: fliegst du mit der Toilette nach P1, geht die Tür in P0 automatisch wieder auf, sobald du gelandet bist…" Das stimmte, und das war dem Rat auch klar. Man konnte die Toilettentür in P0 nicht beeinflussen, wenn man sich selbst in P1 aufhielt. Das war ein ganz schönes Dilemma.

"Und nun? Wie soll es weitergehen? Was will Annunfala?", fragte Monica langsam.

Ferry räusperte sich und wechselte einen vielsagenden Blick mit seiner Frau. Laura nickte.

"Sie hat um Frieden gebeten. Sie möchten so viele An-Nun wie möglich nach P1 evakuieren und dort ansiedeln. Im Gegenzug hat sie uns versprochen, dass sie uns nicht mehr angreifen. Mittlerweile sind sie so dezimiert, dass sie alle auf Atlantis Platz fänden. Fala sagt, dass ihnen Atlantis genügen würde, und sie alle anderen Siedlungen zu unseren Gunsten aufgeben wollen."

"Und was meint ihr zu diesem Plan?", kam die Frage von Monica. Ferry überlegte einen Moment. Wieder tauschte er einen Blick mit Laura, die wiederum nickte.

"Ich - wir - sind der Meinung, dass ihnen Atlantis zusteht. Allein hätten wir die Insel gar nie gefunden. Wir haben weder Anspruch darauf, noch Bedarf. P1 ist mehr als gross genug für unsere beiden Spezies." Erwartungsvoll schaute er in die Runde.

Nacheinander stimmten die Räte seiner Ausführung zu.

"Das ist in Ordnung für uns. Wenn wir dafür Frieden bekommen, ist Atlantis, das niemand ausser euch beiden kennt, ein geringer Preis.", sagte Monica bedächtig. "Doch was ist mit dem Tor? Wie wollen sie dieses Problem lösen?"

Ferry hielt den Kopf gesenkt, doch er spürte die fragenden Blicke des Rates, die auf ihm ruhten. Laura stupste ihn an. Ferry blickte auf und atmete zweimal tief in sein Qì.

"Annunfala will das Tor zerstören. Sie sagt, es gibt keinen anderen Weg, um ihr Volk zu schützen.", sagte er.

"Das klingt doch gut! Wo ist das Problem dabei?", horchte Paris auf. Wieder atmete Ferry tief durch.

"Das Tor muss in P2 zerstört werden. Es geht nicht von P1 aus."

"Na und? Dann braucht es halt einen Freiwilligen, der sich opfert! Um ein ganzes Volk zu retten, ist das doch wohl nicht zu viel verlangt?", gab Paris zurück.

"Annunfala sagt, dass es das Wissen und die Kraft einer Königin braucht, um das Tor zu zerstören."

"Dann braucht es eine freiwillige Königin!", warf Wei ein.

"Annunfala ist die letzte Königin der Grauen.", gab Ferry zurück. Er hatte den Kopf wieder gesenkt.

"Und sie will es trotzdem tun? Und zurückbleiben?", fragte Monica behutsam. Ferry nickte langsam und hob dann den Kopf.

"Wenn die letzte Königin stirbt, dann können sich die An-Nun nicht mehr fortpflanzen. Sie werden in Atlantis in Ruhe ihr Leben zu Ende leben können, aber sie werden aussterben…" Eine Träne rollte über seine Wange. Der Gedanke schien ihm schwer zu schaffen zu machen. Ausser dem leisen Rauschen des Meeres unter ihnen in der Bucht war nichts zu hören. Die Tragweite dieser Entscheidung lastete schwer auf ihnen allen.

"Jahrzehntelang haben wir um P1 gekämpft. Wir wollten es immer für uns haben. Nun können wir es haben, es ist nur eine Frage der Zeit. Aber wir löschen damit eine gesamte Spezies aus... Ein Genozid, um P1 für uns zu haben! Dieser Preis ist zu hoch für mich!", sagte Ferry. "Sie sind gute Wesen. Sie sind eine wertvolle und interessante Spezies und sie sind hochentwickelt. Seit ich sie kennengelernt habe, sehe ich Vieles mit anderen Augen. Ich mag die Grauen. Ich will nicht untätig zuschauen, wie sie aussterben.", fügte er betreten hinzu.

"Und was willst du dagegen tun?" Betroffen schauten ihn die Räte an.

"Ich will nach P2 gehen, um mir die Sache vor Ort anzuschauen. Es muss einen anderen Weg geben! Mittlerweile bin ich recht gut darin, Wege zu finden…" Ferry hatte sehr leise gesprochen. Laura gab ihm einen harten Knuff auf den Oberarm. Er schaute zu ihr hoch.

"Oh! Entschuldigung. WIR wollen nach P2 gehen, um das zu regeln." Laura nickte energisch.

"Aber ihr habt Kinder! Ihr müsst an eure Familie denken! Auf keinen Fall lassen wir euch nach P2 gehen, abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass das überhaupt möglich ist!", rief Monica entrüstet. "Nein, wir verbieten es!" Auch die beiden anderen Ältesten protestierten energisch.

Ferry war aufgestanden, hatte sich an die Brüstung der Terrasse gestellt und sich eine Zigarette angezündet. Er inhalierte tief und liess die Halswirbel knacken. Laura war aufgestanden, um sich um die Kinder zu kümmern, die aufgewacht waren. Als er zu Ende geraucht hatte, drehte sich Ferry zum Ältestenrat um.

"Wir werden nach P2 gehen, mit oder ohne eure Erlaubnis. Wir werden einen Weg hinein und auch wieder einen hinaus finden. Wir werden alle Annun evakuieren und das Tor schliessen, wie auch immer. Jedenfalls werden wir es versuchen. Das sind wir ihnen schuldig.", sagte er mit fester Stimme. Weiterer Protest erhob sich. "Ihr wisst, dass es niemanden ausser uns gibt, der es machen kann. Niemand sonst hat diesen Draht zu den Grauen, niemand sonst kennt sie so gut wie wir. Wir gehen auf eigene Verantwortung. Alles, was wir verlangen, ist dass unsere Kinder versorgt werden. Falls wir nicht zurückkommen…"

Die Begegnung

Подняться наверх