Читать книгу 99 seichte Fragen für tiefgründige Unterhaltungen zwischen Eltern und Kindern - Ralph Caspers - Страница 13
Vier
ОглавлениеMan sollte aufhören, wenn es am schönsten ist.
Seit ich klein bin, habe ich diesen Satz schon so oft von so vielen Menschen in so unterschiedlichen Situationen gehört, dass ich lange nicht infrage gestellt habe, ob das eigentlich richtig ist.
Stell dir vor, du bist zum Essen eingeladen. Jeder Gang schmeckt besser als der vorherige. Dann werden zum Nachtisch – als krönender Abschluss – Schokokugeln serviert. Die Kugeln haben die perfekte Größe. Du nimmst eine Kugel in den Mund, zerknackst die Schokohülle und merkst sofort, dass etwas nicht stimmt: Die appetitlichen Kugeln sind schokolierter Rosenkohl. Fürchterlich! Wer serviert denn so etwas als Dessert! Der bitterliche Rosenkohl ist das Einzige, was du jetzt noch schmeckst. Und du wünschst dir, du hättest aufgehört, als noch alles schön war.
Wenn eine Sache gut läuft und ich beende sie dennoch, dann ist der Grund meistens die Angst vor einer Verschlechterung. Oder die Sorge, dass ich den Höhepunkt erreicht habe und es ab jetzt nur noch bergab geht. Außer beim Achterbahnfahren ist das nie schön. Dann ist dieser Spruch eine tröstende Entschuldigung, etwas abzubrechen.
Auf der anderen Seite kann ich mir ja nicht sicher sein, den Höhepunkt schon erreicht zu haben. Es wäre doch blöd, aufzuhören, nur weil ich denke, es könnte nicht mehr besser werden. Ob es noch schöner wird, finde ich doch nur heraus, wenn ich weitermache.
Hast du schon mal aufgehört, als es am schönsten war? Freiwillig? Wie hat sich das Aufhören angefühlt? Und hast du schon mal weitergemacht, obwohl es gerade richtig schön war? Was ist dann passiert? Hast du dir schon mal gewünscht, du hättest den Nachtisch nicht gegessen? Oder hat er vielleicht am Ende doch irgendwie gepasst?