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Gott, die Biene und ich

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Ich sass am Schreibtisch und machte mir so meine Gedanken über Gott und die Welt. Vor allem Gott hatte es mir angetan und ich bekam die Idee, eine Geschichte zu schreiben über einen Mann, der auszog, Gott zu suchen. Ich öffnete einen Fensterflügel, da von draussen ein erfrischendes Lüftchen hereinwehte, startete meinen Laptop und begann zu schreiben:

Einst ging ein Fremder durch die Strassen eines kleinen Dorfes. Dieser Fremde war etwas ganz Besonderes, denn er fragte jeden, den er traf, ob er Gott gesehen habe. Die meisten Leute liessen ihn einfach stehen, andere zuckten bloss mit den Schultern. Er fand niemanden, der ihm weiterhalf. Niedergeschlagen zog er weiter.

Seit Tagen versuchte er nun schon, Gott zu finden, da er endlich Gewissheit haben wollte, ob es ihn gibt. Die anderen Leute glaubten einfach, was ihnen von ihren Müttern, Vätern, Lehrern und Pfarrern erzählt wurde, aber damit wollte er sich nicht zufrieden geben. Er musste es jetzt wissen.

Da er im nächsten Dorf ebenfalls keine Antworten fand, setzte er sich auf eine nahegelegene Wiese an einem Waldrand und begann, bitterlich zu weinen.

Als seine Tränen den Boden berührten, sprach die Erde zu ihm:

"Warum weinst Du?"

"Ich suche Gott und kann ihn nicht finden", klagte der Mann.

Da sprach die Erde:

"Gehe dort zu dem Wald und Du wirst ihn finden!"

Der Mann ging überglücklich zu dem Wald und sah sich um. Doch er sah Gott nicht, nur die Bäume antworteten mit einem Rauschen auf seinen suchenden Blick.

Noch trauriger ging der Mann zu der Wiese zurück und schluchzte:

"Erde, ich habe ihn nicht finden können, Gott ist auch nicht im Wald."

"Nimm einen Grashalm in Deine Hand", forderte die Erde ihn auf, "dann hältst Du Gott in Deinen Händen."

Der Mann tat, was die Erde verlangte, aber, so sehr er den Grashalm auch untersuchte, Gott fand er nicht.

"Sieh die Bäume im Wald",sprach die Erde weiter," sie sind Gott. Sieh den Vogel, der dort fliegt, er ist Gott. Sieh die Blume neben Dir, sie ist Gott. Oder sieh Dich selbst, auch Du bist Gott."

Da erst verstand der Mann, was die Erde ihm sagen wollte. Gott war nicht hier, nicht dort, sondern überall. ER war nicht dies noch das, sondern alles.

Mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen und glänzenden Augen schrieb der Mann mit weit ausholenden Bewegungen seines Armes vor sich in die Luft, damit es jeder sehen konnte:

Gott ist die Summe allen Seins

Kaum hatte ich den letzten Satz beendet, hörte ich ein Geräusch. Ich hob den Kopf und sah einer Biene zu, wie sie sich auf dem Fensterbrett, direkt neben mir, niederliess. Interessiert beobachtete ich, wie sie ein wenig umherkrabbelte, zuckte aber erschrocken zusammen, als sie mich plötzlich ansah. Ich schwöre es, sie sah mir direkt in die Augen, dann grinste sie und sagte:

"Gute Geschichte, aber den letzten Satz würde ich etwas abändern:

Gott ist das Summen allen Seins!"

Kichernd flog sie davon.

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