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Fliegen erschlagen
ОглавлениеGenüsslich räkelte ich mich im Liegestuhl. Ich schaute ein wenig den Wolken zu. Ab und zu schoss ein Vogel durch mein Blickfeld und ich begann, schläfrig zu werden. Vielleicht war es auch die grelle Sonne, die mich die Augen schliessen liess, auf jeden Fall nickte ich ein wenig ein. Die Grillen rings um mich herum auf der Wiese zirpten mir ein vortreffliches Schlafkonzert und ich fühlte mich sauwohl.
Plötzlich, bsssssssssss, schwirrte eine Fliege um mich herum und riss mich unsanft aus meinen Sonnenträumen. Es fiel ihr auch nichts besseres ein, als sich direkt auf meiner Nasenspitze niederzulassen und mich so zu zwingen, den Kopf zu schütteln. Durch die Bewegung flog sie auf.
"Herrgottnochmal!", fluchte ich und schlug ihr mit der Hand hinterher. Ich blinzelte in die Umgebung und beschloss, dass die Fliege weiter gezogen war. Schon drückte ich den Kopf wieder in das Kissen des Liegestuhls, wollte mich gerade wieder meinen inneren Betrachtungen zuwenden, da hörte ich das bekannte Geräusch wieder: bssssssssss...
In diesem Moment wusste ich, dass es in diesem Universum nur Platz für einen von uns beiden geben würde. Sie oder ich. Meine eigene Waagschale neigte sich natürlich gewaltig zu meinen Gunsten und es war keine Frage für mich, wer der Gewinner dieses Duells sein würde. Sie oder Ich. Ich natürlich!
Ich stand also auf, ging ins Haus, um mir eine Fliegenklatsche zu holen und kam siegesgewiss, so bewaffnet, wieder zurück. Langsam und vorsichtig umblickend liess ich mich auf dem Liegestuhl nieder. Ich tat einfach so als würde ich wieder schlafen und richtig, diesen Schachzug hatte ich für mich entschieden. Bssssssssssss, da war sie wieder. Das war auch der letzte Beweis für mich, dass diese Fliege Krieg wollte. Geschickt stellte ich mich weiter schlafend und liess mich durch das ständige Umherschwirren des Insektes nicht beirren bis, ja bis ich ein leichtes Kitzeln auf meinem linken Unterarm verspürte. Das Summen war verstummt. Ich konnte mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen, als ich den Ursprungspunkt des Kitzelns mental anvisierte, ohne die Augen zu öffnen. Ich hielt den Atem an und schlug mit der bereitgehaltenen Fliegenklatsche zu. Noch während des Schlags öffnete ich die Augen, um zu sehen, ob ich auch traf. Und ich traf! Mit voller Wucht! Den Schlag konnte ich leider nicht mehr abbremsen, auch das sofort in meine Blutbahn schiessende Adrenalin konnte die Bewegung nicht mehr aufhalten. Gelb-schwarz thronte eine ausgewachsene Wespe auf meinem Unterarm und wollte gerade ihre Flügel putzen, als ein jäher Tod durch ein niedersausendes Schlaginstrument ihr Vorhaben ins Nichts auflöste. Im letzten Schreck des plötzlichen Endes, vielleicht war es auch der angeborene Reflex des Insektes, hieb sie mit aller Wucht ihren Stachel in mein Fleisch und entleerte ihre Giftdrüse. Wahrscheinlich grinste sie auch noch dabei, im Bewusstsein meines Schmerzensschreies der in den entfernt stehenden Bäumen die Vögel hochjagte.
„Uiiiiiihhhhhhhh!“, kam es nochmal aus meinem Mund und ich schüttelte erschrocken, panisch und verletzt die tote Wespe von meinem Arm. Wieso ich plötzlich auf dem Liegestuhl stand, wusste ich nicht mehr. Ich konzentrierte mich auf den ziehenden Schmerz in meinem Unterarm, was ein Fehler war, denn der Liegestuhl war für solche einseitigen Belastungen nicht gebaut.
Er klappte zusammen.
Als der Stuhlrahmen mein halbes Schienbein zertrümmerte, war der Schmerz des Insektenstichs schon vergessen und ich krümmte mich laut klagend auf der Wiese, mein Bein mit beiden Händen umfassend, die Trümmer des Stuhls unter mir begrabend.
„Uiiiiiihhhhhhhh!“, erklang es nochmals und die Vögel, die sich gerade wieder niedergelassen hatten, suchten erneut das Weite.
Ich war in dem Moment so mit dem Schmerz befasst, dass ich meine Umgebung aus der Wahrnehmung verlor und erst als ich spürte, wie mich etwas hoch hob, sah ich auf. Ich blickte direkt in die Augen eines riesigen Gesichtes und merkte, dass eine genauso riesige Hand mich mit den Fingerspitzen vorsichtig gepackt hatte.
„Hab ich Dich!“, dröhnte eine Stimme und irgendwas von "seltenes Exemplar". Als die Hand mich in einem Glasgefäss versenkte, verlor ich das Bewusstsein.