Читать книгу 366 Tage - Ramona Mitsching - Страница 7

3. Kapitel

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Ihren Wecker hatte sie auf sechs Uhr gestellt, um wenigstens einigermaßen in Ruhe frühstücken und sich dann um ihr Auto kümmern zu können. Auf alle Fälle musste es vom Gästeparkplatz verschwunden sein, wenn die Hoteldirektion zur Arbeit kam.

Schwungvoll verließ sie ihr Bett und betrat das winzige Badezimmer, das zu ihrem Appartement gehörte.

Wenigstens wohnte sie hier allein.

Zu Beginn ihrer Studienzeit war Isabell in eine Wohngemeinschaft gezogen. Anfangs hatte sie damals tatsächlich geglaubt, sie würde sich daran gewöhnen, mit vier verschiedenen Leuten Bad und Küche zu teilen. Dieser Glaube war jedoch schnell verflogen gewesen.

Nach nur einem Jahr hatte sie sich eine kleine Wohnung gesucht, für die sie, realistisch betrachtet, die Miete nicht hatte aufbringen können und so hatte sie ihren ersten Job als Bedienung angetreten.

Isabell betrat die Dusche und drehte den Hebel auf „kalt“ und wusste, dass sie gleich fürchterlich zusammenzucken würde. Aber das würde sie aushalten. Sie duschte gern ausgiebig und eiskalt, weil es ihren Körper und ihre Sinne gleichermaßen belebte. Heute würde sie sich allerdings kurzfassen müssen. Sieben Uhr lautete die Vorgabe und keine Minute später.

Der Parkplatz bot alles auf, was die deutsche Automobilindustrie an Glanzstücken aufzuweisen hatte. Isabell schaute und staunte.

Vor ihren Augen reihten sich geballt ausschließlich teure Markenwagen auf. Aus einem der Fahrzeuge wurde in dieser frühen Stunde eine Golfausrüstung bugsiert.

Sie war stehengeblieben, um zuzuschauen. Sogleich fragte sie sich, worin sich die Ansammlung von Schlägern unterschied und weshalb man so viele davon für einen einzigen kleinen Ball benötigte.

Mit schnellen Schritten bewegte sie sich schließlich in Richtung des Einganges und der Rezeption. Ein vorläufig letztes Mal würde sie diesen Weg nehmen, denn das Personal besaß einen eigenen Eingang. Den hatte man ihr gestern bereits gezeigt.

Zuhause hatte Isabell die Weichen für ihre Kleidung gestellt und ihrem Schrank hatte sie alles entnommen, was ihrer Meinung nach geschäftstauglich aussah.

Für heute hatte sie einen leichten Hosenanzug gewählt, der nicht allzu bieder wirkte. Wahrscheinlich aber würde sie in Anbetracht der sommerlichen Temperaturen trotz des dünnen Stoffes zu warm angezogen sein und so hatte sie sich wenigstens dazu entschlossen, das Ganze mit hochhackigen Sandalen an unbekleideten Füßen zu kombinieren.

Vor ihrer Abreise hatte sie noch einmal alle Pflege auf ihre Füße gerichtet. Isabell hasste nichts mehr, als ungepflegte Nägel oder hässliche Hornhaut an den Fersen.

Ein letzter Kontrollblick hatte ergeben, dass sie selbstbewusst ihren ersten Arbeitstag würde antreten können.

In der Halle war wenig los. Zu dieser frühen Stunde lag die Mehrzahl der Gäste noch in den Betten.

Isabell blickte sich einmal um und ging auf die Rezeption zu. Eine andere Kollegin als gestern hatte heute Dienst. Sie musste sich also noch einmal vorstellen. Erst dann konnte Isabell nach einem Parkplatz für ihr Auto fragen.

Kurze Zeit später hielt sie eine Parkkarte in den Händen. Der Parkplatz für das Personal sollte sich in etwa 100 Metern Entfernung zum Hotel im Hinterhof eines Privatgrundstücks befinden. Die Kollegin hatte nichts gesagt, sie jedoch mit einem tadelnden Blick angesehen. Inzwischen war Isabell davon überzeugt, dass es nicht zulässig gewesen war, einen Gästeparkplatz über Nacht zu blockieren.

Herr Kröger schien sie bereits zu erwarten. Ein kurzer Blick auf ihre Uhr bestätigte jedoch, dass sie nicht zu spät gekommen war. Ganz im Gegenteil: Sie hatte zehn Minuten vor der Frist an seine Tür geklopft.

Seine Begrüßung fiel freundlich distanziert aus und noch bevor Isabell irgendetwas denken konnte, sah sie, dass Kröger angefangen hatte, ihr Outfit einer Überprüfung zu unterziehen.

Auch wenn er es ziemlich geschickt anstellte, so blieb ihr nicht verborgen, was sie bereits zur Genüge kannte: Sie nannte das „In Augenschein nehmen“ Körperscan.

Sollte er doch. Schließlich hatte auch sie bereits registriert, dass er bei seiner Haarfarbe nachgeholfen hatte. Ob auch bei der Haardichte, konnte sie auf die Schnelle nicht mit Sicherheit feststellen.

Sie lächelte tapfer und sah ihn erwartungsvoll an. Dabei fiel ihr Blick auf sein Namensschild.

Schon gestern hatte sie gesehen, dass alle Mitarbeiter ein solches Utensil trugen. Innerhalb einer Sekunde hatte Isabell erfasst, dass Herr Kröger mit Vornamen Hartmut hieß.

Bisher hatte er keine Anstalten gemacht, ihr einen Sitzplatz anzubieten, was für sie bedeutete, dass sie in Kürze sein Büro wieder verlassen würde.

Ihr sollte es recht sein. Hartmut Kröger vermittelte nicht den sympathischsten Eindruck.

Im Moment hatte er jedenfalls zum Telefon gegriffen und redete mit einer Frau, deren Name Maria war. Wenn Isabell ihn richtig verstanden hatte, würde die sie gleich abholen kommen.

Um das Schweigen zu brechen, fragte sie: „Gibt es hier in der Nähe einen Golfplatz?“

Maria reagierte nicht sofort und Isabell fügte hinzu: „Ich habe vorhin einen Gast gesehen, der eine Ausrüstung dabei hatte.“

Die Kollegin nickte und antwortete:„Ja, die Mehrzahl unserer Gäste spielt Golf. Der Platz wird gerade erweitert. Allerdings ist Golf nicht meine Sportart. Ich segle lieber.“

Isabell war nicht am Wasser aufgewachsen. Im Gegensatz zu den Leuten hier, die, mit dieser Traumkulisse von Wasser vor Augen, prädestiniert waren für jede Form von Wassersport.

Gestern war sie noch weit gelaufen. So weit, bis sie tatsächlich niemandem mehr begegnet war. Das Wasser hatte kein Ende genommen, dafür irgendwann die Straßenbeleuchtung.

Weit nach Mitternacht war sie endlich umgekehrt und entsprechend spät hatte sie in ihrem Bett gelegen.

„Am Nachmittag findet eine Projektbesprechung statt, im Zusammenhang mit der Golfplatzerweiterung. Herr Kröger hat mir aufgetragen, Sie mitzubringen“, sagte die Kollegin tonlos, während sich Isabell in diesem Augenblick wie elektrisiert fühlte.

„Übrigens: Ich heiße Maria. Und wenn du willst, können wir uns duzen. Wenn nicht, können wir auch bei der Variante „Sie“ und dem Vornamen bleiben. Das ist übrigens hier im Haus die Regel. Mit Ausnahme der Direktion, versteht sich.“

Isabell nickte freudig, als sie sagte: „Ich bin für ‚du‘.“

Sogleich dachte sie belustigt, dass sie „Hartmut“ nicht „Hartmut“ und die Chefin nicht „Sabine“ nennen sollte, wollte sie dieses Praktikum überstehen.

Außer einem Mittagessen hatte sie keine Pause gehabt.

Auch wenn sie exzellent bekocht worden war und eine Stunde lang in Ruhe zu Mittag hatte essen dürfen, bemerkte Isabell ihr Tief.

Bereits seit acht Stunden war sie im Dienst und es würden noch weitere zwei Stunden vergehen müssen, bis es 17 Uhr war. Dann erst würde die letzte Besprechung des Tages stattfinden. Sie hatte Maria gefragt, aber auch die hatte ihr nicht sagen können, wann mit einem Feierabend zu rechnen war.

Meetings dieser Art dauerten zwischen einer und vier Stunden. Das war alles, was Isabell hatte in Erfahrung bringen können. Sofort hatte sie gerechnet: Vier Stunden bedeutete 21 Uhr. Dann hätte sie 14 Stunden in den Beinen.

Beinahe wäre ihr ein Fluch entwichen. Im letzten Moment hatte Isabell sich jedoch besonnen. Sie kannte Maria nicht gut genug und wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn Isabell bereits am ersten Tag zu schwächeln begann.

Umso willkommener war ihr Marias Aufforderung, gemeinsam einen Kaffee zu trinken.

„Besser, wir puschen uns noch einmal für den Schlussspurt. Außerdem müssen wir noch in die Maske“, hatte Maria gesagt und gelacht.

Isabell versuchte indes zu verstehen, was wohl mit der Maske gemeint sein konnte. Maria musterte sie und schien zu ahnen, weswegen Isabell grübelte.

„Makeup, Tagesspuren verwischen, du weißt schon.“

Isabell wusste nicht, aber nickte vorsichtshalber.

Maria hatte den Schwindel bemerkt und fügte hinzu: „Wir sind jung, wir sind leistungsbereit, sehen immer verdammt gut aus und, ach ja, unseren Haushalt schmeißen wir nachts.“

Während Isabell schwieg, fragte Maria: „Du hast noch keinen Haushalt? Familie?“

Isabell schüttelte den Kopf. „Nein, keinen Mann, kein Kind, keinen Hund.“

Maria war perfekt ausgestattet. Eine solche Auswahl an Schminkutensilien hatte Isabell bisher lediglich in der Parfümerie gesehen. Ohne zu zögern, hatte Maria ihr erlaubt, sich zu bedienen und dann gesagt, Isabell sollte sich vorsichtshalber in ihrem Garderobenschrank einen kleinen Vorrat mit dem Nötigsten anlegen.

Sogleich hatte Isabell sich gefragt, wann sie bei einem solchen Tagesablauf jemals dazu kommen würde, einkaufen zu gehen. Dennoch hatte sie gedanklich notiert: eine zweite Grundausstattung Makeup besorgen. Dann waren sie aufgebrochen.

Sie waren die Ersten, die den Konferenzraum betraten. Der Service hatte bereits gearbeitet und warme und kalte Getränke bereitgestellt.

Maria hatte in der Sitzordnung einen festen Platz und deshalb war es nicht möglich, dass sich Isabell einfach neben sie setzte. Ihr blieb somit nichts weiter übrig, als mit dem ersten freien Stuhl außerhalb der Sitzordnung Vorlieb zu nehmen.

Maria und sie hatten die Stimmen bereits von Weitem gehört und ihre sitzende Position verlassen. Im Vergleich zu der routiniert agierenden Kollegin wusste Isabell jedoch nicht, was sie tun sollte und stand nun ziemlich verloren im Raum. Hilfesuchend schaute sie zu Maria, die bereits damit beschäftigt war, Hände zu schütteln.

Isabell entschied sich, stehen zu bleiben, wo sie stand: außerhalb des Protokolls. Inzwischen hatte sie fünf Männer gezählt und ihre Anzahl mit der der reservierten Stühle verglichen. So war sie zu dem Ergebnis gekommen, dass noch zwei Personen fehlen mussten.

Unter denen, die bereits da waren, befand sich auch Hartmut Kröger, den Isabell seit heute Morgen nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Isabell musterte ihn, erinnerte sich an ihre Schminkaktion und fragte sich, was Männer vor einem solch späten Termin taten, um gut auszusehen und fit zu sein.

Wahrscheinlich kifften sie, dachte Isabell amüsiert und bemerkte, wie sie ein Grinsen unterdrücken musste.

Jeder der Fünf hatte Maria zwischenzeitlich mit Handschlag begrüßt, während Isabell noch immer abseits stand. Geduldig wartete sie ab, was mit ihr geschehen würde. Schließlich war es Kröger, der die Initiative ergriff und Isabell als neue Praktikantin vorstellte. Währenddessen hatte sie das Gefühl, er würde glauben, sie sei ein Schulkind und er der Lehrer. Dennoch ließ sie ihn gewähren.

Kröger dozierte über die Rolle von Praktika, Einarbeitung und Mitarbeiterführung und Isabell stellte fest, wie genervt sie plötzlich war.

Wegen seines nicht enden wollenden Redeschwalls war es Kröger entgangen, dass die Gäste bereits eingetroffen waren. Die zwei Personen, die nach Isabells Rechnung noch gefehlt hatten, hatten den Raum vor wenigen Sekunden betreten.

Überrascht schaute Kröger hinter sich und sofort nahm er Isabells Anwesenheit zum Vorwand, um zu erklären, weshalb er unaufmerksam gewesen war. Sie hörte Sätze, wie: „Ich musste mich um die neue Praktikantin kümmern...Den Nachwuchs betreuen…“

Eben noch hatte er von Führung gesprochen und nun das!

Isabell schielte zu Maria und sah, dass die in ein großes Nichts zu blicken schien. Ihre Gesichtszüge verrieten keinerlei Regung.

Sie haderte mit sich und noch während sie grübelte, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte, nahm Isabell wahr, dass einer der beiden Gäste ihr ins Gesicht schaute und eine Botschaft zu senden schien. Isabell war nicht sicher, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, er würde ihr sagen wollen: „Mach dir nichts daraus.“

Sie erwiderte seinen Blick mit einem Lächeln und erhielt postwendend ein Lächeln zurück. Sogleich reichten er und sein Begleiter ihr die Hand zum Gruß.

Nach einer gefühlten Ewigkeit bat Kröger darum, sich zu setzen, um beginnen zu können. Und so kam es für Isabell, wie es kommen musste: Sie hatte große Mühe, dem Geschehen zu folgen.

Wenn sie Maria vorhin richtig verstanden hatte, war die Erweiterung des Golfplatzes so gut wie abgeschlossen. Nur ein paar Kleinigkeiten fehlten noch.

Das Hotel war offensichtlich der Beherbergungsort für Golftouristen und so war es nicht verwunderlich, dass ihr Verkaufsmanager an diesem Meeting teilnahm. Neben Kröger war seine Rolle klar definiert, während die der anderen drei sich Isabell im Moment noch nicht erschloss. Immerhin wusste sie inzwischen, dass der lächelnde Gast der Geldgeber des Projektes war und sein Name Uwe Holdt lautete. Zudem trug er den Titel eines Dr. jur. und

sein Begleiter war sein Assistent.

Keine Assistentin, was Isabell dazu veranlasste, sich zu fragen, ob Uwe Holdt schwul sein konnte. Sogleich riss sie sich am Riemen und versuchte konzentriert, dem Gespräch zu folgen und sich gleichzeitig ein Bild von allen Anwesenden zu machen.

Im Fall von Kröger hatte sie sich schon heute Morgen gefragt, wie echt die Farbe seiner Haare war. Zusammen mit dem Aussehen seiner Haut schätzte sie ihn auf Mitte vierzig.

Allerdings war sie nicht sicher. Er konnte auch schon 50 Jahre alt sein. In der Größe überragte er Isabell nur knapp. Also war er für einen Mann eher von kleinerer Gestalt.

Der Verkaufsmager verkörperte das ganze Gegenteil.

Er maß mindestens einen Meter und fünfundachtzig. Dazu wog er um die 100 Kilogramm, ohne dabei übergewichtig zu wirken. Seine Oberarmmuskulatur spannte unter seinem Sakko und Isabell vermutete, dass er Kraftsport trieb.

Vom Alter her schätzte sie ihn auf 40, höchstens 45 Jahre. In jedem Fall wirkte er vitaler als Hartmut Kröger, wenngleich er nicht Isabells Typ war. Sie hatte noch nie auf Kraftprotze gestanden.

Isabell registrierte wohlwollend, dass er keine Anstalten machte, seinem Chef zu huldigen. Unabhängig davon, worum es im Gespräch ging, schien er zu sagen, was er dachte und nicht immer schien Kröger das zu gefallen.

Maria indes fertigte unentwegt Notizen.

Isabell hatte nicht mitbekommen, ob ein Protokoll geführt wurde. Aber wenn ja, dann erledigte das Maria.

Ihr Blick wanderte zu Uwe Holdt. Auch er war im Alter von Kröger, jedoch vom Typ her grundsätzlich verschieden.

Während Kröger bisher kein Lächeln zu entlocken gewesen war, hatte Holdts Gesicht zu jeder Zeit freundlich gewirkt. Isabell gefiel, wie er sein Gespräch führte. Sie hatte nicht den Eindruck, dass die Ernsthaftigkeit der Sache unter seiner Herangehensweise litt. Immer wieder war sein Blick in einer besonderen Art auch auf Isabell gefallen, was letztlich gegen ihre These vom Schwulsein sprach.

Hatte sie sich anfangs nicht getraut, hielt sie inzwischen seinem Augenkontakt stand und flirtete sogar ein wenig. Allein Marias tadelnder Blick, den sie soeben aufgefangen hatte, hielt sie davon ab, den Grad des Flirtens zu erhöhen. Letztlich sah sie ein, dass es vernünftiger war, Kröger nicht zu sehr zu provozieren.

Obwohl: Wenn sie ehrlich war, hatte ihre Lust am Flirten gerade massiv zugenommen.

Krögers Getue von vorhin war ihr einfach noch zu gegenwärtig.

Der Abschluss des Projektes sollte mit einem großen Fest gefeiert werden. Die Vorbereitungen dazu waren bereits abgeschlossen. Allein der Baufortschritt war nicht im Plan.

Isabell sah die Betroffenheit der Kollegen, die bis jetzt kaum ein Wort gesagt hatten.

Offensichtlich waren sie diejenigen, die mit der Festvorbereitung betraut worden waren. Im Moment nun deutete alles darauf hin, dass der Eröffnungstermin nicht zu halten sein würde. Uwe Holdt hatte soeben vorgeschlagen, sowohl den Baufortschritt ankurbeln zu wollen als auch einen Plan „B“ zu entwerfen, der eine Festverschiebung ermöglichte. Letzteres brachte die Kollegen ziemlich aus der Fassung. Isabell sah, dass sich ihre Sorgenfalten, gemessen an deren Tiefe, verdoppelt hatten.

Holdt und sein Adjutant hingegen schienen entspannt bleiben zu wollen und Isabells Eindruck wurde untermauert, als sie Holdt sagen hörte: „Ich hätte Lust auf einen Drink.“

Nach nur einer Stunde war damit das Meeting beendet und Isabell freute sich auf eine Dusche.

„Sie sind eingeladen“, sagte der Dr. jur. und Isabell fragte sich, ob er nur sie oder die komplette Runde gemeint hatte. Zugleich schalt sie sich, an Selbstüberschätzung zu leiden. Natürlich hatte Holdt alle gemeint.

„Woher kommen Sie?“, fragte Uwe Holdt, von dem Isabell inzwischen wusste, dass er nicht nur ein Herz für Praktikantinnen hatte, sondern sich heute auch spendierfreudig zeigte.

„Ich komme aus dem Badischen, habe in Bayern studiert.“

„Und das ist Ihr erstes Schnuppern an einem Job?“, fragte er weiter.

Isabell bejahte.

„Noch nie Geld verdient?“ Während er gesprochen hatte, war ein Lächeln über sein Gesicht gehuscht.

Mutig sah Isabell ihm direkt in die Augen und bemerkte, dass seine Anmerkung freundlich und nicht abfällig gemeint gewesen war. Sie nickte und ihr Gegenüber sagte: „Dann gehört der Golf 3 mit dem Kennzeichen ‚BAD‘ neben mir Ihnen?“

Isabell fuhr der Schreck in die Glieder. Sofort schaute sie zu Kröger und sah, dass der nichts begriffen zu haben schien. Dann blickte sie zu Boden, während Holdt meinte: „So einen hatte ich vor 25 Jahren auch mal. Unkaputtbar. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich gleich nach der Grenzöffnung zum ersten Mal hierhergekommen und auf meinen heute besten Freund getroffen bin. Eine lange Geschichte.“

Er lächelte und Isabell fragte sich, ob sie diese Geschichte jemals würde hören dürfen oder ob ihr Praktikum an dieser Stelle zu Ende war.

Sie hatte versucht, Kröger nicht mehr ansehen oder ansprechen zu müssen. Heimlich hatte sie mehrfach auf ihre Uhr geschielt und den Feierabend herbeigesehnt. Auch wenn der Keeper an ihrer Hotelbar unschlagbar leckere Cocktails zauberte, ihr hatte es für heute gereicht.

Kurz vor 20 Uhr war sie aufgebrochen, nicht ohne dass sie und Holdt einen herzlichen Händedruck miteinander getauscht hatten. Anschließend war sie, beinahe im Laufschritt, in den nahegelegenen Supermarkt gehastet, um ihren Kühlschrank auffüllen zu können.

Wenigstens war sie jetzt nicht mehr hungrig.

Nachdem sie geduscht hatte, wickelte sie sich in ihr Badetuch, legte sich auf ihr Bett und streckte ihren Körper.

Isabell schloss die Augen und ließ den Tag Revue passieren.

Sie sah die Gesichter von Kröger und Holdt vor sich, das des Vertriebschefs und das von Maria. Auch war sie heute bereits zum zweiten Mal Marius, dem Koch, begegnet. Darüber hinaus hatte sie eine Menge Kollegen vom Restaurant und vom Hauskeeping getroffen und letztlich doch erst einen Teil der Belegschaft kennengelernt. Dennoch schien sich eine Altersstruktur abzuzeichnen.

Maria und Marius waren in ihrem Alter. Die Kolleginnen vom Restaurantservice waren im Durchschnitt jünger, die vom Zimmerservice älter als sie. Sabine von Stetten und Hartmut Kröger lagen irgendwie in der Mitte.

Isabell hielt inne und fragte sich plötzlich, an welcher Stelle des Hauses dauerhaft ihr Platz würde sein können, sollte sie hier arbeiten dürfen und wollen.

Für eine Antwort auf die Frage, ob sie wollen würde, war es jedoch viel zu früh. Trotzdem hatte ihr der erste Tag gefallen. Und im Prinzip war er ja auch ohne besondere Vorkommnisse verlaufen, die Geschichte mit ihrem Auto auf dem falschen Platz einmal ausgenommen.

366 Tage

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