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Rückblick 28. Juli 2032

Europa, Südfrankreich / Avignon

Es war drei Uhr früh. Louis Morrisant lag wach in seinem Bett, obwohl er von den Ereignissen der letzten Tage völlig erschöpft war. Es war eiskalt im Zimmer und er fror wie nie zuvor. Draußen heulte der Blizzard.

Noch vor einer Woche hatte er die Hoffnung auf passable Erträge gehabt. Doch dann kam wieder die Katastrophe.

Dies war nun schon das dritte Jahr in Folge, dass es in Mitteleuropa einen Totalausfall der Ernten gab. Diesmal würde es sein finanzielles Ende bedeuten, wenn nicht mehr.

Am Abend zuvor hatte er kurz mit seiner chinesischen Geschäftspartnerin Jing Chiang in Beijing einen Videochat geführt. Sie war die Vorsitzende einer großen Investorengruppe, der über vierzig Prozent der renommiertesten Weingüter Frankreichs gehörte. Sie war außer sich über seine Mitteilung, dass die gesamte Weinernte wieder ausfallen würde und auch alle Lager leer waren.

Vor zwei Jahren hingegen war fast überall in Europa kaum Niederschlag gefallen und die Temperaturen im Sommer hier in der Region hatten täglich bei über vierundvierzig Grad Celsius gelegen. Da es auch in den Jahren zuvor kaum Regen gegeben hatte, waren nahezu alle Wasserspeicher, Seen und Flüsse leer. Die Landwirtschaft hatte dadurch enorme Schäden erlitten.

Auch die Industrieproduktion war wegen des Wassermangels massiv eingebrochen, weil die Kernkraftwerke nicht mehr gekühlt werden konnten und deshalb abgeschaltet werden mussten. Insbesondere hier in Frankreich mit seiner enormen Abhängigkeit von dieser Technologie gab es riesige Probleme durch die zum Erliegen gekommene Stromproduktion. Auch die Bevölkerung musste sich extrem einschränken, weil die meisten elektrischen Geräte nicht mehr betrieben werden konnten.

Im vergangenen Jahr war es dann von Februar bis Oktober viel zu kalt, stürmisch und regnerisch gewesen. Die Durchschnittstemperatur in Mitteleuropa hatte im Jahr 2031 über sieben Grad unter dem Normalwert gelegen. Die Lebensmittelpreise hatten sich durch die Ernteausfälle in den vergangenen fünf Jahren mindestens verdreifacht, je nach Produkt sogar verzehnfacht, weil sie in den USA und Russland teuer eingekauft werden mussten. Das war für die Bevölkerung eine finanzielle Katastrophe.

Man hatte zwar begonnen, mit nordafrikanischen Ländern Verträge zu schließen, um unter den dort herrschenden etwas günstigeren klimatischen Bedingungen neue Agrarflächen anlegen zu dürfen. Aber das benötigte natürlich viel Zeit.

Monsieur Morrisant warf trotz der Kälte seine Bettdecke zur Seite, stand auf und ging zur Terrassentür. Die Scheiben waren innen beschlagen und verhinderten den Blick nach draußen. Als ob er sich vergewissern wollte, was sich hier seit Tagen abspielte, öffnete er sie ein wenig und blickte nach Süden, hinunter auf die Stadt in Richtung des alten Papstpalastes. Avignon lag komplett im Dunkeln. Nur der Mond warf noch etwas Licht auf das Geschehen. Eiskalte Luft zog ins Zimmer. Er konnte es immer noch kaum fassen, was er sah. Jetzt, mitten im Hochsommer, waren die Häuser und Straßen unter einer dicken Schneedecke verschwunden. Seit gestern Abend waren mindestens noch einmal dreißig Zentimeter Schnee gefallen und es schneite immer noch. Die Schneehöhe betrug jetzt über einhundertzwanzig Zentimeter, denn selbst von der Balustrade seiner Terrasse war nichts mehr zu sehen. Hier an der Tür reichte ihm der Schnee sogar bis zur Brust.

Der Blizzard, der seinen Ursprung im Arktischen Ozean nördlich von Sibirien hatte, war mit Orkanstärke über Skandinavien und das Baltikum nach Polen und Weißrussland gezogen und weiter über Mitteleuropa und die Bergketten der Alpen und Pyrenäen bis nach Mittelitalien und Nordspanien. In Norwegen, Schweden Dänemark, Polen und Deutschland war schon vor Wochen wegen lokaler Wintereinbrüche der Notstand verhängt worden. Jetzt hatte es auch Mittel- und Südeuropa getroffen.

Der Sturm hatte überall meterhohe Schneeverwehungen aufgetürmt. Straßen und Wege waren unpassierbar. Die Natur war schon sehr in Mitleidenschaft gezogen. Unter der Schneelast brachen die Äste der Bäume und Sträucher. Da die gesamte Infrastruktur zusammengebrochen war, hatte der Präsident den nationalen Notstand ausgerufen und die Nationalgarde eingesetzt. Mit schweren Räumfahrzeugen wurden die wichtigsten Straßen und Flughäfen vom Schnee befreit. Es gab jedoch wie in ganz Europa viel zu wenige Helfer und Räumungsgeräte, um die Lage schnell in den Griff zu bekommen. Seit vier Tagen war die Armee im Dauereinsatz, auch um Plünderungen der größten und wichtigsten Einrichtungen, Läden und Häuser zu verhindern. Natürlich gelang dies nur an wenigen Orten.

Monsieur Morrisant bekam weiche Knie bei der Vorstellung, wie sich die Situation weiter entwickeln könnte. Ihm wurde bewusst, dass es jetzt auch für ihn bald um das nackte Überleben gehen könnte, denn seine Nahrungsmittelvorräte waren fast aufgebraucht. Morgen musste er unbedingt das Allernötigste besorgen. Wie er dies allerdings ohne Fahrzeug bewältigen sollte, war ihm momentan noch völlig unklar. Er konnte nur hoffen, dass das Militär jetzt die Versorgung der Bevölkerung aus der Luft übernahm. Er spürte, wie sich sein Brustkorb vor Angst anspannte und das Atmen erschwerte.

Ein heftiger Windstoß drückte die Tür plötzlich nach innen. Herr Morrisant konnte nicht mehr reagieren und die Türkante knallte ihm mit voller Wucht gegen Stirn und Nase. Er torkelte nach hinten, stolperte über den Teppich und schlug mit dem Hinterkopf gegen das eiserne Bettgestell. Nach dem ersten schmerzvollen Schlag zunächst ins Gesicht dröhnte jetzt sein Kopf durch den weiteren Aufprall. Völlig benommen blieb er am Boden liegen.

Enorme Mengen Schnee wehten von der Terrasse durch die weit aufgedrückte Tür herein und begruben ihn und alles im Raum innerhalb von Sekunden unter einer dicken Schicht. Nur weil die Kälte in seinem blutverschmierten Gesicht und an seinen nackten Beinen und Füßen ihn schnell wieder zu sich kommen ließ, erstickte er nicht darunter. In höchster Atemnot und völlig desorientiert, weil er nichts mehr sah, gelang es ihm, sich im letzten Moment durch den schweren Schnee nach oben zu drücken. Auf die Hände gestützt schnappte er nach Luft und blieb einige Zeit sitzen.

Als er sich etwas erholt hatte, erhob er sich mühsam. Voller Wut und Verzweiflung schwankte er zur Terrassentür, um sie zu schließen.

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