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Vorgeschichte

Agaunum im Frühjahr 302

(heute St. Maurice im Schweizer Kanton Wallis)


Der eiskalte Regen – zuweilen ging er auch in Schnee über – würde wohl niemals aufhören, zumindest nicht, solange sie noch durch diese verfluchten helvetischen Berge irren mussten. Iain, oder Ianus, wie ihn seine römischen Kameraden nannten, wischte sich immer wieder mit klammen Fingern und dem Ärmel seiner ohnehin schon gänzlich durchnässten Tunika über Stirn und Augen, von kalten, pfeilspitzartigen Regentropfen gemartert, die der undurchdringliche, seit Wochen grau verhangene Himmel erbarmungslos auf die einzigen sechs Überlebenden der Thebaischen Legion herabschleuderte.

Es war nun fast einen Monat her, dass sich ihre Waffenbrüder gegen sie gewandt hatten. Angeblich hatte der Kaiser, Maximian höchst selbst, das Massaker angeordnet, da sich in der Thebaischen Legion zu viele Christen befanden, was er wohl als innere Bedrohung für das Imperium Romanum sah. Seit vielen Jahren regierte er über das Weströmische Reich, während Diokletian dem Oströmischen Reich vorstand. Vielleicht war ihm das schon zu wenig Macht gewesen. Also hatten des Nachts die lateinischen Legionäre, nach einer geheimen Absprache, die Waffen gegen ihre christlichen Brüder gezogen und alle bis auf Iain, seinen Bruder Cal und fünf andere getaufte Soldaten erschlagen. Wie durch ein Wunder war es diesen gelungen, dem Gemetzel zu entkommen, denn der Heerführer Mauritius, selbst ein Christ, hatte den Anschlag geahnt und die Seinen rechtzeitig um sich geschart. Aber die Männer waren unter der großen Überzahl der Lateiner niedergemacht worden wie Ähren, durch die das Sensenblatt fährt. Tödlich verwundet und bereits schwankend durch das Verlassen der Lebensgeister, hatte der große Mauritius mit letzter Kraft seine Lanze, eine Wunderwaffe mit einem eingefassten Kreuzesnagel Jesu Christi, die stets der ganzen Legion zu Ehre und Ehrfurcht gereicht hatte, weit von sich in einen dunklen Abgrund geschleudert. In der darauffolgenden Nacht aber waren Iain und seine Kameraden in das zerstörte Lager zurückgekehrt, waren den Felsabhang hinuntergeklettert und hatten die zerbrochene Lanze des Mauritius an sich genommen.

Nun wanderten sie gen Norden, ernährten sich von Wasser und dem rohen Fleisch eines abgestürzten Steinbocks, den sie mit ihren Kurzschwertern zerlegten und verteilt auf alle Männer mit sich trugen.

Eines Tages jedoch geschah ein zweites Wunder. Die Tränen des Himmels versiegten mit einem Schlag, und als die heimatlosen Legionäre auf einem schneebedeckten Grat standen und von dort hinabblickten, öffneten sich die Wolken dem Morgenlicht und gaben den Blick frei auf die nördlichen Grenzen Raetiens, hinter denen sich das weite Waldland der Germanen und Kelten auftat. Iain und Cal kannten es gut. Denn sie waren vor mehr als zwanzig Jahren mit ihrer verwitweten Mutter aus dem fernen Hibernia durch das grüne Germanien gezogen, um Bürger und Soldaten der Welthauptstadt Rom zu werden.

Irgendwo dort unten, mit bloßem Auge konnte man es nur erahnen, floss der Danuvius von Südwesten nach Nordosten. Jedoch kurz bevor der Strom nach Osten bog, wo er von der nördlichsten römischen Stadt, Ratisbona, gesäumt wurde, brach der Danuvius durch ein Mittelgebirge hindurch und vereinte sich mit der Alcmona. An eben dieser Stelle, nur einen Steinwurf vom Anfang des Limes entfernt, gab es einen Platz am Fluss, so erinnerten sich die Brüder, wo die Fischer in ihren schmalen Einbäumen die herrlichsten Fische fingen, wo man in den darüber liegenden, felsdurchsetzten sonnigen Hängen guten Wein anbaute und wo man nicht lange durch die kühlen Eichenwälder streifen musste, um reichlich Wild jagen zu können. Dieser Ort am Durchbruch des Danuvius sollte ihr Ziel sein.

Das Asam Vermächtnis

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