Читать книгу Das Asam Vermächtnis - Rüdiger Woog - Страница 8
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Obwohl das Frühstück in der kleinen Weltenburger Ferienpension ganz ausgezeichnet war, machte sich das dänische Rentnerpaar aus der Nähe von Apenrade schon bei Sonnenaufgang auf in Richtung des ältesten Klosters Bayerns. Sören wollte es sich nicht entgehen lassen, den Sonnenaufgang in der Kirche zu erleben. Denn, wie er, als pensionierter Architekt und großer Verehrer des Barockmeisters Cosmas Damian Asam, aus der Literatur wusste, war es ein beispielloses Spektakel, wenn hinter dem gen Osten ausgerichteten Hochaltar mit der Reiterstatue des heiligen Georg, der gerade im Begriff war, einen Lindwurm zu töten, die Sonne aufging. Durch geschickt versteckte Fenster wurde dann der Altarraum mit rötlich goldenem Licht durchflutet und von überirdischer, auf die Herrlichkeit des Paradieses vorausweisender Transzendenz erfüllt. Dies galt es fotografisch festzuhalten.
Inge hatte schon um fünf Uhr morgens Stullen geschmiert und die Rucksäcke mit den Teleskopwanderstöcken gepackt. Sie wollten unbedingt die Allerersten sein, die an diesem Freitagmorgen die weltberühmte Benediktinerklosterkirche betraten.
Noch lag die Dunkelheit über dem Donaudurchbruch, aber sie schwebte nur noch über dem Wasser, ganz leicht, wie ein Nebeldunst, den schon das erste Vogelgezwitscher des Tages gänzlich auflösen würde. Sören und Inge bestaunten schweigend die Felswände zu ihrer Rechten und schickten ihre Gedanken dem Fluss zu ihrer Linken mit. Nach wenigen Gehminuten durchschritten sie den Torbogen des Klosters. Im Klosterhof befand sich ein Biergarten, der sich in circa drei Stunden bis auf den letzten Platz mit Schiffsausflüglern, Mountainbikern oder Wanderern wie ihnen füllen würde und in dem man sich schon früh am Morgen eine deftige Brotzeit oder ein süffiges Dunkelbier gönnte.
Ein wenig nervös war Sören schon, als er die schwere Eichenpforte aufschob und Inge, als Gentleman der alten Schule, den Vortritt ließ. Er hatte seine Spiegelreflexkamera bereits im Anschlag, wie ein Jäger seine Flinte.
Plötzlich stieß seine Inge einen spitzen Schrei aus und hielt sich die zitternden Hände vor den Mund. In der Eingangshalle lag eine reglose Gestalt. Sören hielt seine Kamera darüber und löste einen Serienblitz aus, um besser sehen zu können. In diesem hellblauen Sekundengewitter sah das alte Paar mit vor Entsetzen und Lichtschock geweiteten Augen, dass es sich um einen schlaksigen Mann mit Glatze um die Fünfzig handelte. Er hatte, wie der gekreuzigte Heiland, beide Arme von sich gestreckt und seine graublauen Augen waren weit aufgerissen. Der Tote war ganz in Schwarz gekleidet und in seiner Brust stak eine etwa einen Meter fünfzig bis sechzig lange, schwarze Lanze.
Sören und Inge stürzten hinaus in den Klosterhof. Während Inge panisch an alle Türen der Gaststätte, der Brauerei und des Konvents hämmerte und Sören mit noch stärkerem Trema als gewöhnlich zweimal den falschen Entsperrungscode in das gemeinsame Smartphone tippte, um einen Notruf abzusetzen, ging hinter dem Hochalter die Sonne auf und tauchte die Apsis in rotgoldenes Licht, das sich über den goldenen Helm des heiligen Georgs, seinen Harnisch und die Lanze ergoss, um letztendlich von dem dunklen Rachen des Lindwurms verschluckt zu werden. Das rote Licht war berauschend schön und wäre wohl das spektakulärste Fotomotiv in Sörens Asam-Album geworden.