Читать книгу Ein Mörder zieht die Fäden - Rebecca Michéle - Страница 4

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Plymouth, April 2001

Mit einem Plopp sprang der Korken aus dem Flaschenhals, perlend ergoss sich der Champagner über ihren bloßen Oberkörper. Als sie das kühle Nass auf ihrer Haut spürte, quietschte sie und rief: »Wir sind hier doch nicht bei der Formel Eins.« Der Mann grinste, die Flasche in seiner Hand war nur noch zu zwei Dritteln gefüllt. »Der schöne Champagner!«, schmollte sie.

»Ich kann ihn ja auflecken.«

Provozierend streckte sie ihm ihre üppigen Brüste entgegen und kicherte, als seine Zunge ihre Brustwarzen berührte. Eine leere Champagnerflasche lag achtlos auf dem Teppich, dementsprechend angeheitert war das Paar, obwohl es noch nicht einmal Lunchzeit war.

»Die Bettwäsche ist nass und muss gewechselt werden«, stellte er fest.

Sie kicherte erneut. »Das Mädchen ist verschwiegen und wird mehr als gut dafür bezahlt, einmal in der Woche hier Ordnung zu schaffen.«

Er packte sie an den Schultern und drückte sie in die Kissen, dann senkte sich sein Mund auf ihre vollen sinnlichen Lippen. Wohlig rekelte sie sich unter seinem muskulösen Körper und stöhnte. Ihre Finger gruben sich in seine perfekt gerundeten Hinterbacken.

»Du bist unersättlich, Susan. Nicht nur, was Champagner angeht. Gib mir ein paar Minuten, dann bin ich fit für die nächste Runde.«

»Wir haben nur noch eine knappe Stunde, dann muss ich zurück.«

»Keine Sorge, meine Schöne, das bekomme ich hin.« Sanft löste er sich von ihr und schenkte in ihre Gläser ein. »Hast du keine Angst, dein Mann könnte misstrauisch werden?«

»Müssen wir jetzt von meinem Mann sprechen?« Unwillig runzelte sie die schmal gezupften Brauen. »Offiziell besuche ich einen Französischkurs, er hat keinen Grund, daran zu zweifeln.«

»Und das ist nicht einmal gelogen, denn Französisch machst du‘s durchaus.« Er grinste anzüglich. »Wenngleich ich der Meinung bin, dass du auf diesem Gebiet nichts mehr dazulernen musst.«

Seit ein paar Monaten trafen sie sich nahezu jeden Donnerstagvormittag in dem kleinen Apartment, das sie angemietet hatte. In dem unpersönlichen Hochhaus, nur wenige Gehminuten vom Plymouth Hoe entfernt, gab es vier Dutzend Wohnungen. Manchmal begegneten sich die Mieter im Lift und nickten sich zu, mehr nicht. Kaum jemand kannte seine Nachbarn, Gespräche fanden keine statt. Da Susan auf das Klingelschild einen falschen Namen geschrieben hatte, befürchtete sie nicht, es könnte herauskommen, zu welchem Zweck ihr die Wohnung diente. Selbst wenn: Ihr Privatleben ging niemanden etwas an. Ihrem Mann hatte sie gesagt, sie besuche in Plymouth einen Kurs, um ihre französischen Sprachkenntnisse zu vertiefen. Er hatte keine Einwände erhoben, im Gegenteil. Auch wenn Susan nicht in der Firma mitarbeitete – an der Seite ihres Mannes musste sie repräsentieren. Regelmäßig empfingen sie ausländische Gäste und reisten aufs Festland. So war es durchaus von Vorteil, eine Fremdsprache zu beherrschen. Damit ihre Lüge nicht aufflog, hatte sich Susan französische Lehrbücher und CDs gekauft und arbeitete immer mal eine Lektion ab, so lernte sie die Sprache tatsächlich. Da Nicolas sich von morgens bis abends in der Firma aufhielt, oft Unterlagen mit nach Hause brachte und auch am Abend und an den Wochenenden nicht von der Arbeit lassen konnte, hatte sie ja genügend Zeit.

»Hast du je daran gedacht, ihn zu verlassen?«, raunte Ron an ihrem Ohr. »Warum hast du ihn überhaupt geheiratet?«

»Ich besaß das Geld, das er und sein Vater für die Firma dringend benötigten, und er gab mir den Titel einer Lady.«

»Also eine rein geschäftliche Verbindung«, stellte Ron fest. »Was würde geschehen, wenn du dich scheiden ließest?«

»Die Firma ginge pleite, wenn er mich auszahlen muss, da ich mich mit einem entsprechenden Vertrag abgesichert habe.« Sie stützte sich auf die Ellenbogen und kniff die Augen zusammen. »Ich ziehe eine Trennung nicht in Betracht. Warum auch? Nicolas sieht gut aus, er ist charmant und gebildet, wir verkehren in den ersten Kreisen, und ich führe ein angenehmes, sorgloses Leben.« Ihre Lippen verzogen sich spöttisch, als sie hinzufügte: »Wenn deine Frage einen Hintergrund hat, dann möchte ich eines klarstellen: Ich werde meine Ehe nicht für ein Leben mit dir aufgeben. Für einen einzigen Mann bin ich nicht geschaffen. Es gab welche vor dir, andere werden nach dir kommen. Ich dachte, bei unserer kleinen Liaison seien auf beiden Seiten die Fronten geklärt. Es gefällt mir, wie es im Moment ist, also belassen wir es dabei. Und jetzt möchte ich nicht länger mit Reden die Zeit verschwenden.« Ihre Hand tastete unter die Bettdecke, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen.

Er drehte sie auf die Seite und drückte sich gegen ihren Rücken. Seine Männlichkeit war wieder erwacht. Noch eine halbe Stunde, dachte Susan, und überließ sich seiner fordernden Leidenschaft.

Ein Geräusch, zuerst knirschend, dann, als würde Holz splittern, ließ beide hochfahren.

»Verdammt, was ist …?« Susan setzte sich auf.

Die Zimmertür wurde aufgerissen, eine schwarz gekleidete Person, das Gesicht unter einer Kapuze verborgen, stand plötzlich im Zimmer.

»Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?«, rief Ron. »Verlassen Sie sofort die Wohnung!«

»Du Flittchen!« Die Stimme unter der Kapuze war verzerrt. »Du schamloses, kleines Flittchen!«

Ron sprang aus dem Bett und eilte auf den Maskierten zu. Dieser hob einen Arm, in der Hand einen Revolver mit aufgeschraubtem Schalldämpfer.

»Wollen Sie … wollen Sie Geld?«, stammelte Susan. »Sie können alles haben, ich bin reich …«

»Lassen Sie uns reden«, rief Ron. »Wir sind erwachsen, wir können über alles sprechen!«

An einer Unterhaltung war der Eindringling jedoch nicht interessiert. Ohne dass seine Hand auch nur einen Hauch zitterte, richtete er die Waffe auf Ron. Sein Zeigefinger krümmte sich, der Schuss war leiser als das Ploppen des Champagnerkorkens. Er traf Ron mitten ins Herz. Susan, vor Entsetzen gelähmt, hatte keine Chance. Die nächste Kugel hinterließ ein kreisrundes Loch über ihrer Nasenwurzel.

Ein Mörder zieht die Fäden

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