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August 2015
ОглавлениеRebekka – gelangweilt
Der Wecker klingelte um sechs Uhr morgens. So wie immer. Die Monotonie der Töne war der Einstieg in den neuen Tag, der schon bekannt war bevor er zu Ende ging. Rebekka streckte sich, öffnete die Augen und blickte durch das Fenster in die Bergwelt. Es waren Wolken am Himmel. Der Tag sah nach Regen aus. Es war einer dieser Tage, wo man erst gar nicht aus dem Bett wollte. Wozu auch. Kannte man den Verlauf dieses Tages nicht schon aus den vorherigen Tagen? War nicht jeder Tag gleich. Aufstehen, Kinder in die Schule schicken, putzen, einkaufen, kochen, mit dem Hund gehen, mit den Kindern die Aufgabe erledigen und, und das war auch ein alter Hut, mit Georg streiten. Besser gesagt, Georg ausweichen, um Streit zu vermeiden. Rebekka und Georg kannten sich schon seit ihrer Kindheit. Früher hatte Rebekka in Georg den großen Beschützer gesehen, einen lustigen, bodenständigen Kerl, mit dem sie eine große Familie wollte, eine Landwirtschaft, mit Schafen, Hasen, Pferden, Hochlandrindern, eigenem Gemüse und Kräutern. Sie konnte sich gut vorstellen, abseits von der Masse mit einem Mann zusammen zu leben, der, wie sie dachte, die gleichen Einstellungen und Werte vertrat. Nach ihrer wilden, außergewöhnlichen Jugend, war sie damals bereit für Ruhe, Familie, Natur, Beständigkeit und vor allem Kinder. Und so kam es, typisch für Rebekka, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dazu, dass sie sich Georg aussuchte. Er war ihr vertraut, war bemüht und sie fühlte sich von Anfang an geborgen. Gelangweilt im Job, plante sie auch ihr erstes Kind. Georg unterwarf sich Rebekkas Plan. „Das ist deine Entscheidung“, sagte er und wenn Rebekka gewusst hätte, welchen tieferen Sinn, dieser Satz hatte, hätte sie vielleicht anders entschieden. Rebekka drehte sich im Bett um und betrachtete die Seite im Bett neben ihr. Sie war wie immer leer. „Hat es eigentlich je einen gemeinsamen Morgen mit Georg gegeben?“, fragte sie sich. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie jemals einen Kuschel-Morgen hatten. Wie jeden Morgen, stand Georg früh auf. Oft schon um vier oder fünf Uhr, um Arbeiten zu gehen. Wenn er morgens das Haus verließ, wachte sie jedes Mal auf. Anfangs war die Verabschiedungen noch liebevoll verlaufen. Mit Berührungen, Küssen und dem Gefühl, dass man lieber zusammen liegen bleiben würde. Jetzt nach den sieben Jahren, war davon wenig zu spüren. Rebekka stellte sich meist schlafend, um erst gar nicht geküsst zu werden. Wenn sie die Haustüre ins Schloss fallen hörte, stieß sie einen erleichterten Seufzer aus, drehte sich im Bett um, und versuchte noch eine Stunde zu schlafen, bevor sie selbst aufstehen musste. Manchmal ärgerte sie sich über die Lautstärke, mit der Georg über die Treppe polterte. Er versucht erst gar nicht, leise zu sein, dachte sie sich und wurde wütend. Dann konnte sie meist nicht mehr schlafen und ärgerte sich gleich noch viel mehr, weil sie Georg für ihren Schlafmangel verantwortlich machte. Dabei schlief sie mehr als jemals zuvor. Meist ging sie mit ihren Kindern um neun Uhr abends ins Bett und stand wie gerädert nach neun Stunden Schlaf wieder auf. Die letzten Jahre hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, alleine ins Bett zu gehen. Georg kam oft erst spät abends heim. Sein Biergeruch kündigte ihn schon vorzeitig an. Um unangenehmen Situationen und eventuellen Eskalationen aus dem Weg zu gehen, hatte sie es sich angewöhnt, mit einem Buch in der Hand einzuschlafen. Mit dieser Methode konnte sie perfekt abschalten, gut schlafen und noch dazu hatte sie das Doppelbett meist alleine, da Georg oft im Wohnzimmer vor dem Fernseher einschlief. „Guten Morgen, es ist 6 Uhr, aufstehen!“ Mit diesem Satz weckte sie ihre zwei Söhne wochentags immer auf und auch, wenn sie jetzt schon in einem Alter waren, wo sie selbst aufstehen konnten, ließ sie es sich nicht nehmen, gemeinsam mit ihnen den Tag zu starten. Wenn Rebekka die beiden betrachtete, wusste sie, warum sie sich dazu entschlossen hatte, die Trinkgewohnheiten und die anderen Frauen von Georg zu akzeptieren. Sie liebte ihre Kinder über alles und wollte, dass ihre beiden Söhne, ihren Vater hatten. Als Rebekka diesen Morgen ihre Kinder in die Schule verfrachtet hatte, war sie voller Energie. Sie hatte endlich einen neuen Job. Es war eine Herausforderung in einer kleinen Gemeinde, wie dieser, eine Arbeit zu finden, die ihrer Ausbildung entsprach und sich mit ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter vereinbaren lies. Da Georg weder unter der Woche noch am Wochenende sonderlich viel mit den Kindern unternahm, war es schwierig, einen Job zu finden, der Spaß machte und zu ihrem Tagesablauf passte. Sie hatte die Zusage bekommen für 15 Stunden in der Woche den Deutschunterricht für die Flüchtlinge in ihrer Gemeinde zu übernehmen. Sie war voller Euphorie. Wie schön wäre es, wenn sie wieder eine Aufgabe hätte, die sie fordern würde und an der sie wachsen konnte. Gleichzeitig mit der Euphorie, schwang auch etwas Unsicherheit mit. Wenige der Dorfbewohner sprachen Gutes über die Flüchtlinge. Sie wären Wilde, die kein Benehmen hätten, flüsterten sie, hinter vorgehaltener Hand. Es würden alle stehlen und sie hätten Angst um ihre Kinder. Außerdem seien sie frauenfeindlich und würden Kinder, wie Frauen schlagen. Rebekka war vor der Geburt der Kinder viel gereist und liebte andere Nationalitäten. Sie war bei den Beduinen und den Türken auf Tee eingeladen worden, feierte mit den Südamerikanern bis in die Morgenstunden und stopfte sich mit sechs anderen marokkanischen Frauen in ein Auto und hatte immer das Glück an ihrer Seite. „So wie man es in den Wald hinein schreit, so kommt es zurück“, war ihre Devise und bis jetzt fuhr sie gut damit. Allerdings hatte sie bei all ihren Reisen eines gelernt. Sie informierte sich immer gut über das Land und über die Sitten. Und das tat sie auch diesmal. Sie nahm ihren Laptop und begann Informationen zu sammeln. Durch ihre etwas komplizierte familiäre Situation und der Abgeschiedenheit in einer ländlichen Region hatte sie, da sie auch darauf verzichtete zu fernsehen und Radio zu hören, wenig von dem Flüchtlingsgeschehen mitbekommen. Auch die Kriege im Nahen Osten interessierten sie wenig. Sie betrafen sie nicht unmittelbar. Die Kinder, das Haus und Georg forderten so viel von ihr, dass sie nicht einmal ein schlechtes Gewissen hatte, vom Weltgeschehen nichts mit zu bekommen. Außerdem war sie ohnehin der Meinung, dass alles Manipulation war und die wahren Informationen der Öffentlichkeit vorbehalten blieben. Rebekka las, dass arabische Männer den Frauen nicht die Hände schüttelten und beschloss, die Jugendlichen mit einem „As-salamalaikum“ zu begrüßen. Der Friede sei mit Dir, das konnte nie schaden. Außerdem setzte sie sich, wie so oft, weil sie es gerne trug, ein Tuch auf. Sie liebte Tücher. Eigentlich ging sie selten ohne Kopfbedeckung außer Haus. Im Sommer waren es Tücher, im Winter meist eine Haube. Die Sommertücher schützen vor Hitze, die Hauben vor Kälte und noch dazu waren beide ein Schutz vor Zecken. Denn Rebekka liebte es im Wald zu sein. Wenn sie traurig war, und das war sie in letzter Zeit ziemlich oft, nahm sie ihren Hund und machte stundenlange Waldspaziergänge. Oft sah sie Rehe, Vögel, Hasen, Füchse oder andere Tiere. Sie sammelte Pilze und betrachtete die verschiedenen Wildkräuter und Blumen. Dort konnte sie ihre Sorgen vergessen und war eins mit dem Universum. Sie hatte Kollegen, die ihren gesamten Unterricht in die Natur verlegten. Das fand sie eine ausgezeichnete Idee. Sie wusste, dass das Lernen in und von der Natur eine große Chance für die Bevölkerung war. Leider nahmen es viel zu wenig Menschen an. Die meisten lebten im Hamsterrad und kamen aus diesem auch bis zum Sterben nicht mehr heraus. Vielleicht konnte sie auch Waldspaziergänge mit den Flüchtlingen machen, oder mit ihnen einen Garten gestalten. Sie hatte schon einige Ideen im Kopf. Die Burschen taten ihr leid. Sie überlegte sich dauernd, was sie als Mutter machen würde, wenn Krieg in Europa herrschen würde. Ihre Kinder waren noch klein, aber wenn sie kämpfen müssten, was würde sie tun? Die Menschen um sie herum, redeten von Kampf geilen Soldaten, die nur darauf warten würden, einzurücken. Für sie war das eine besorgniserregende Vorstellung. Sollte sie ihre Jungs in den Krieg schicken, oder würde sie alles dafür tun, dass sie dem entrinnen konnten? Einige ihrer Freunde und der Familie waren der Ansicht, dass die jungen Männer feig wären, weil sie nicht im Land bleiben und dort für ihr Land kämpfen würden. Wollte sie überhaupt, dass ihre Söhne kämpften? Rebekka schob den Gedanken beiseite, für sie war es unvorstellbar ohne ihre Söhne zu sein. Sie wollte vor ihren Kindern sterben. Es muss ganz schlimm sein, überlegte sie manchmal, wenn die eigenen Kinder vor einem sterben.
Georg – verlogen
Als Georg diesen Morgen aufwachte, fühlte er sich wie gerädert. Die Nacht war wieder viel zu kurz. Er kämpfte damit, aus dem Bett zu kommen. Der Wecker hatte schon drei Mal sein Signal abgegeben und er bündelte seine ganze Kraft, um aus dem Bett zu kommen. Vor einigen Jahren vertrug er den Alkohol noch besser, aber das Alter zeigt auch beim ihm Spuren. Die langen Nächte zeichneten sein Gesicht, aber vor allem seinen Körper. Georg war in jungen Jahren ein dynamischer Mann gewesen. Jetzt ist er nur mehr eine Marionette seiner selbst. Wie ein Hamster betrat er sein Rad jeden Tag aufs Neue. Aufstehen, arbeiten, mit seinen Freunden trinken, essen, fernsehen, schlafen. Für andere Dinge hat Georg in seinem Leben wenig Platz. Die Abwechslung in seinem Leben bestand aus der Wahl der Wurstsorte, die er jeden Tag in großen Mengen aß und der Frauen, die in den langen Nächten kennen lernte. Dort konnte er die Bestätigung finden, die er zuhause nicht hatte. Die Frauen an oder hinter der Theke verstanden ihn besser als seine Familie. Dort hatte niemand Verständnis für seine Arbeit und seinen Ausgleich. Das Trinken. Er selbst sah sich nicht als Alkoholiker und hasste es, wenn er auf sein Trinkverhalten angesprochen wurde. „Was machen schon die paar Bier jeden Tag“, grübelte er. Georg trank fast täglich. Es gab immer einen Anlass dazu, meist hatte er es gar nicht geplant. Alkohol gab es an jeder Hausecke. Es gab kaum jemanden in Georgs Umfeld, der nicht trank. Wenn er sein erstes Bier am Tag hinunter leerte, merkte er, wie sich sein Körper zu entspannen begann. Plötzlich kamen ihm Wörter in den Sinn, die er mitteilen wollte. Mit dem zweiten Bier, dass meist nicht ausblieb, verwandelte sich seine unsichere Person in eine lustige, amüsante Erscheinung, die die Menschen, um ihn zum Lachen brachte. Doch so schnell diese Wandlung passierte, so schnell verschwand sie auch wieder. Nach ein paar Bier und ein paar Schnaps wurde aus Georg ein Besserwisser und Störenfried. Seine Meinung war die Einzige, die in diesem Augenblick zählte. Georg war es wichtig zu arbeiten. Die Arbeit ging ihm nie aus. Irgendwo gab es immer irgendjemanden, der seine Hilfe benötigte. Georg konnte nicht „Nein“ sagen. Manchmal ärgerte er sich, weil er vorschnell Aufträge angenommen hatte, die ihn unter Zeitdruck brachten. Das kompensierte er meist mit noch mehr Alkohol. Bei Frauen war das anderes. Georg liebte Frauen. Vor allem dann, wenn sie keine Ansprüche stellten. Er mochte es, wenn sie ihn umschwärmten, ihn amüsant fanden und vor allem mochte er es, wenn sie mit ihm schliefen. Am liebsten schlief er mit ihnen, ohne Verantwortung übernehmen zu müssen. Für romantische Abende, liebevolle Gespräche, gemeinsames Kochen oder einfach nur daliegen und den anderen genießen, hatte Georg keine Zeit und auch nicht den Wunsch dazu. Doch bis jetzt hatte er noch keine Frau gefunden, mit der er auf kurz oder lang so einen Leben führen konnte. Er fühlte sich mit jeder Frau eingesperrt. Georg betrachtete Rebekka. Man konnte sie kaum sehen, so versteckt lag sie, von ihm abgewandt unter ihrer Decke. Georg war aufgefallen, dass sie ihm in den letzten Jahren mehr den Rücken zudrehte, als ihr Gesicht zu zeigen. Überhaupt war die Stimmung zwischen ihnen sehr schlecht geworden. Georg fand, dass Rebekka uninteressiert, gelangweilt und herrschsüchtig war. Er war froh, wenn die Familie schon schlief, wenn er nach Hause kam, dann gab es wenigstens keinen Streit. Als Georg das Haus verlassen hatte und im Auto saß, nahm er sein zweites Handy zur Hand und überprüfte seine Nachrichten. Diese Handy stellte die Verbindung zu seinem zweiten Leben dar. Georg führte ein Doppelleben. „Ich vermisse dich;-) Wann sehen wir uns? “, las er, als er die Nachrichten, öffnete. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Plötzlich fühlte er sich wieder wie ein Mann. Es tat seinem verletztem Ego gut von jemanden vermisst und gewollt zu werden. Dieses heimliche Spiel erregte ihn. Diesmal schien es anders zu sein. Er hatte eine lockere Frau getroffen, mit der er machen konnte, was er wollte. Es schien egal, was er tat und wann er sie besuchte. Sie war mit allem einverstanden. Diese Frau konnte ihn verstehen. Sie hörte zu, wenn er von seiner Arbeit sprach und trank mit ihm. Aber das Beste war. Sie schlief mit ihm. Es war gut, dass er diese Alm gekauft hatte. Sie war weit genug entfernt von Rebekka und den Kindern und bot ihm den Raum für ungestörte Sexabenteuer. Sein Beuteschema war immer dasselbe. Er half armen verlassenen Frauen, die er trösten und dann ficken konnte. Sobald sie sich in ihn verliebt hatten, ließ er sie fallen, wie einen heißen Kartoffel, um sich der nächsten zu widmen. Verpflichtungen hatte er schon mit seiner Familie genug.
Rebekka – angeekelt
Rebekka kam beschwingt nach Hause. Der erste Tag in der neuen Arbeit war ein Erfolg. Sie hatte die Burschen heute kennen gelernt und ihre anfängliche Nervosität war verschwunden. Die meisten waren höflich und zuvorkommend. Rebekka versuchte auf dem Teppich zu bleiben. Sie kannte ihre euphorische Begeisterung zu Beginn einer Tätigkeit inzwischen. Diese konnte ganz schlagartig umschlagen und sich ins Gegenteil kehren. Als sie an diesem Tag mit dem Auto den Heimweg antrat, erhaschte ihr Blick Georgs Auto. Ihr Herz begann wie wild zu schlagen und die Gedanken fuhren mit ihr Schlitten. „Was macht Georg um diese Zeit hier?“, fragte sie sich, und aus einer plötzlichen Intuition heraus, blinkte sie in die andere Richtung und fuhr hinter ihm her. Georg schlug den Weg in Richtung Alm ein. Rebekkas Sinne schärften sich. Ihr Gefühl wurde immer komischer. Sie konnte nicht definieren und erklären, warum sie ihm folgte, aber sie musste. Georg schlug den, ihr so bekannten Weg, ein. Sie war ihn hunderte Mal gefahren. Bevor Georg diese Alm zu seinem Liebesnest gemacht hatte, war sie sehr gerne auf diesem Ort. Jetzt ekelte er sie an. Sie wusste von den Affären ihres Mannes – und fand sie geschmacklos. Sie konnte sich noch gut an die Tage erinnern, an denen sie dort stundenlang geputzt hatte und mit all ihrer Liebe das kleine Häuschen so gestaltete, dass es aussah, wie ein kleines Hexenhäuschen. Inzwischen war sie nicht mehr auf der Alm. Wenn sie das Haus betrat, roch es so anders. Die Verfolgungsjagd nahm ein erwartetes Ende. Für Rebekka bestand kein Zweifel mehr. Georg fuhr in die Alm. Aufgrund der Distanz und ein paar Autos zwischen ihnen, konnte Rebekka nicht sehen, ob Georg alleine war oder jemanden bei sich hatte. Sie blieb stehen und sammelte sich. Was sollte sie machen? Sie überlegte schon seit langem die Beziehung, die ohnehin keine war, zu beenden. Sie fand es geschmacklos, respektlos und verlogen, wie sehr Georg sie hinter gang und auch noch glaubte, sie würde nichts von seinen Affären mitbekommen. Sie hatte auf einmal die Lust dazu, ihn auf frischer Tat zu ertappen. So wollte sein Gesicht sehen und außerdem war sie neugierig, wer im diesmal in die Falle getappt war. Rebekka hatte folgenden Plan. Sie würde eine halbe Stunde warten und dann fast bis zur Alm nach fahren. Dann wollte sie das Auto verstecken und sich zur Hütte anschleichen. Wenn Georg Besuch mit hatte, war das meist nur für ein oder zwei Stunden. Die Damen wurden rasch abgefertigt, er wollte nicht riskieren, dass jemand seine Sexualkontakte mitbekam. Rebekka ekelte sich inzwischen vor ihrem Mann. Manchmal machte sie sich sogar Sorgen, ob sie noch gesund war. Sie wusste wie ungern Georg Kondome verwendete. Als Rebekka eine Stunde später bei der Alm angekommen war, konnte sie schon von Weitem die grelle Stimme hören, die aus der Hütte drang. Georg war also nicht allein. Sie hatte nichts anderes vermutet. Sie schlich sich auf Zehenspitzen bis zum Seitenfenster, hinter dem sich unmittelbar das Bett befand. Und was sie im Inneren sah, löste in ihr etwas aus, dass ihr ganzes Leben veränderte. Sie wusste ab diesem Zeitpunkt, als sie diese fremde Frau auf ihrem Georg, auf ihrem Bett, in ihrer Bettwäsche sitzen sah, dass sie das alles nicht mehr konnte. Sie hatte sich etwas Besseres verdient. Wie in Zeitlupe ging Rebekka den Weg zurück zu ihrem Auto. Als sie zuhause ankam, begannen ihr die Tränen runter zu rollen und stoppten auch nicht, als die Kinder nach der Schule zur Tür herein stürmten. Und irgendwann während des Weines, musste sie sich plötzlich übergeben. Und als sie so weinend und speiend vor ihrem WC kniete, beschloss sie für sich selbst, dass sie es nie wieder zulassen würde, dass sie jemand so behandelte.
Rebekka – leer
Nach Tagen des Heulens fühlte sich Rebekka so leer, wie selten in ihrem Leben zuvor. Sie kam kaum aus dem Pyjama, ihre Augen waren rot verquollen, sie war unfähig sich zu konzentrieren und sie war froh, dass sie ein paar Tage frei hatte. Georg war nach Hause gekommen, wie jeden Tag. Mit mürrischem Gesicht, nach einem Grund suchend, um Streit zu beginnen, um so schnell wie möglich wieder gehen zu können. Meist in die nächste Garage. Um sich dort seinen Frust von der Seele zu trinken. Er betonte immer wieder, dass Rebekka, der eigentlich Grund war, dass er so viel trinken würde. Sie treibe ihn aus dem Haus, war seine Rechtfertigung für seine Alkoholsucht. Allerdings fragte sie sich in letzter Zeit des Öfteren, warum sie sich das Ganze antun sollte. Sie war eine intelligente, eigenständige Frau und hatte jede Menge Ausbildungen. Sie konnte auf der ganzen Welt arbeiten und führte ein Leben, dass sie sich in ihren Träumen ganz anders vorgestellt hatte. Rebekka wollte, wenn die Kinder größer waren, wieder reisen. Georg reiste ungern. Man konnte ihn für ein paar Tage Urlaub überreden, wenn sie alles plante. Sie war in so einem Fall für alles verantwortlich. Von der Buchung des Hotels, über die Planung, das Packen des Koffers, die Versorgung des Hundes. Georg kam am Tag vor dem Urlaub meist später nach Hause und trank an solchen Tagen noch mehr als sonst. Sein alltägliches Quantum war schwer abzuschätzen. Sie wusste nur, dass es schon lange keine Zeit mehr gegeben hatte, an der Georg nicht täglich trank. Daraus folgte, dass sie meist schon bei der Abfahrt die ersten Diskussionen hatten und der Urlaub schon mit einer miesen Stimmung begann. In den letzten Jahren waren sie auch nicht mehr in den Urlaub gefahren. Grund dafür war ein Horrorausflug in das Waldviertel, an dem Georg sie mitten in der Pampa, in einem Ferienhaus sitzen lies und nach Hause fuhr. Mit einer Liter Flasche Most in der Hand. Rebekkas Gedanken kreisten blitzschnell in ihrem Kopf. Sie war unfähig klare Gedanken zu fassen, ihr Körper zitterte und sie fühlte sich ausgelaugt und leer. Doch tief in ihrem Inneren spürte sie, wie sich ein kleines Feuer entzündete. Ein Gefühl des Neubeginns, des Vertrauens, der Hoffnung und der Zuversicht. Plötzlich überkam sie die Idee spazieren zu gehen. Sie musste raus hier. Raus aus diesem Alltag, raus aus diesem Wahnsinn, weg von diesem Alkoholiker. Rebekka ging fünf Stunden durch den Wald spazieren. Sie hatte ihn aggressiv und tobend betreten und war jetzt ruhig und gelassen. Sie war klar und wieder bei Verstand. Es war ihr todernst. Sie wollte endlich frei sein. Ihr Leben selber gestalten. Ein ruhiges Leben mit den Kindern führen, sich Diskussionen, ob der Hund auf der Couch liegen darf, oder nicht, sparen und vor allem wieder Spaß haben. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie das letzte Mal gelacht hatte. Rebekka zog aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus und war froh in Ruhe schlafen zu können. Niemand störte sie mit lautem Schnarchen. Sie bekam Georg kaum mehr zu Gesicht. Morgens war er schon weg, abends noch nicht zuhause. Sie ging oft schon mit den Kindern ins Bett, um ein Zusammentreffen zu verhindern. Sie wusste es war nur mehr eine Frage der Zeit, bis auch diese Affäre zu Ende war. Allerdings war es diesmal anders als all die Jahre zuvor. Es berührte sie nicht mehr, es war ihr egal geworden. Rebekka hatte sich von Georg gelöst und sie wollte ihn nicht mehr. Er war ihr egal und sie war angewidert. Sie war in Sorge um ihre Kinder und sie war noch etwas. Sie war so überzeugt wie selten zuvor. Sie hatte sich entschieden, auszuziehen. Sie wollte den ganzen Wahnsinn hinter sich lassen und neu beginnen. Sie wollte in Frieden leben.