Читать книгу Hamudi - Rebekka Meier - Страница 5

Oktober 2015

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Elisa - aufgeregt


Elisa sprang durch ihre Wohnung und grinste über beide Ohren. Endlich hatte sie, was sie wollte. Mit der neuen Stelle und dem Führerschein in der Tasche konnte ihr nichts mehr passieren. Hinaus in die weite Welt. Einmal etwas anderes sehen, andere Menschen erleben, alleine auf sich gestellt sein. Verantwortung für sein eigenes Leben übernehmen. Elisa war eine aufgeweckte, junge Frau. Sie war knapp über zwanzig, wirkte aber durch ihre unbeschwerte, freundliche Art viel jünger. Ihre Haarfarben variierten je nach ihren Stimmungen. Sie hatte ihre Ausbildung beendet und hatte genug von dem Alltag in dem Dorf. Sie hatte es satt, jeden Zweiten hier zu kennen und war gelangweilt von der Eintöne, die sie umgab. Sie freute sich darauf, etwas Neues zu sehen. Das Schöne am Tourismus war, das einem die Welt offen stand. Man musste sich nur entscheiden, wo man hin wollte. Elisa hatte sich vor Monaten dazu entschieden, das Dorf für eine Weile zu verlassen. Wie andächtig setzte sie ihren Fuß ins Auto, das sie von ihrem Vater zur bestandenen Führerscheinprüfung geschenkt bekommen hatte. Ihre erste Fahrt mit ihrem eigenen Auto. „Wahnsinn“, sinnierte Elisa, „welch ein cooler Tag!“ Die ersten Kilometer war Elisa sehr angespannt, aber mit jedem Kilometer, den sie sich von ihrem Heimatdorf entfernte, wuchs ihr Selbstbewusstsein. Sie wurde verbundener mit ihrem Auto. Sie bildeten schön langsam eine Symbiose. Das Autofahren entspannte sie. Überall gab es Neues zu entdecken. Als sie durch eine kleine Stadt fuhr und bei einer Ampel das Auto anhielt, beobachtete sie zwei jugendliche Flüchtlinge, die an der Ampel auf das Grün warteten. Der eine erinnerte Elisa an Anis, der andere an Basem. Elisa musste schmunzeln. Sie dachte gern an die lustigen Ausflüge mit den Jungs zurück. Ihre Unternehmungen waren immer lustig gewesen, egal was sie machten. Die Drei hatten immer Spaß. Es war irgendwie schade, dass sie sich so weit voneinander entfernt hatten. Jetzt, wo Elisa, ihre Wünsche als erfüllt ansah, war die Zeit mit den beiden, weit entfernt. Sie hatte sich distanziert. Es war zuviel und was zuviel war, war zu viel. Elisa erinnerte sich an den ersten Tag, an dem sie Anis und Basem getroffen hatte. Sie war mit ihrer Freundin ins Schwimmbad gegangen. An jenem Tag regnete es draußen und die beiden Frauen sehnten sich nach etwas Wärme und Abwechslung. Das Schwimmbad selbst war so leer wie immer und sie konnten den gesamten Platz für ihr Schwimmtraining beanspruchen. Als sie schon einige Längen auf und ab geschwommen waren, betraten 2 Jugendliche die Halle. Einer hatte lockiges, dunkles Haar und schaute aus, als ob er aus Indien käme. Der Zweite hatte braune, glatte Haare, beide waren von kleiner, kräftiger Statur. Elisa konnte sich nicht mehr auf ihr Schwimmtraining konzentrieren. Ihr Blick haftete auf den beiden. Es war interessant, sie zu beobachten. Sie blieben auf Distanz, versuchten jedoch mit Sicherheit durch ihr Gehabe und ihr Verhalten, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Elisa konnte schon vom ersten Moment den Blick nicht abwenden. Die Burschen sahen lustig und freundlich aus. In den Erinnerungen an diese Zeit, tauchten jetzt auch die ersten Worte auf, die sie gewechselt hatten. Es waren einfache Wörter in Deutsch. Wie „Hallo“, „Wie heißt du?“, „Wie alt bist du?“. Die Jungs waren mutig, sie tauchten einfach bei den Frauen auf und ab und irgendwann stoppten sie vor ihnen, lachten und fragten sie nach ihren Namen. Elisa konnte sich noch sehr gut an Anis und Basem erinnern. Anis konnte schon damals gut deutsch sprechen. Der kleine Mann verstand gut und war aufgeweckt. Elisa mochte ihn von Anfang an. Anis und Basem versuchten immer Spaß zu machen. Das war Elisa nicht gewohnt. Sie genoss es einfach nur zu blödeln und unbeschwert zu lachen. Es dauerte nur ein paar Minuten und eine neue Freundschaft entwickelte sich. Nach diesem Kennenlernen, verbrachte sie sehr viel ihrer Freizeit mit den Jungs. Meist gingen sie schwimmen oder spazieren. Denn es ging den Dreien in vielerlei Hinsicht gleich: sie hatten wenig bis kein Geld, viel Energie, waren gerne unter Freunden, liebten die Natur, waren gelangweilt und fanden großes Interesse an Neuem. So kam es, dass sich eine Freundschaft entwickelte, die wie Elisa glaubte, eine Kameradschaft darstellte, in der man sich gegenseitig stützte und einer dem anderen aus der Patsche half.

Amin – dankbar


Amin lief den Gang auf und ab. Er war heute sehr nervös. Sein Bruder sollte seinen Transfer zu ihm haben. Endlich! Es war eine lange Wartezeit. Sein Bruder war in einer anderen Einrichtung für Flüchtlinge in einem anderen Bundesland. Die langen Gespräche mit ihm, ihn denen er erfuhr, dass es ihm schlecht ging, zermürbten ihn noch mehr. Es verging keine Stunde, in der man Amin nicht mit dem Handy unterwegs sah. Das Handy war sein ständiger Begleiter. Nachts konnte er kaum mehr schlafen, und tagsüber auch nicht. Aus Müdigkeit und Energielosigkeit schaffte er es auch nicht in die Schule. Obwohl ihm die Schule generell sehr viel Freude macht. Amin war sehr klug und liebte die Mathematik. Wenn jemand Hilfe brauchte, war er zur Stelle. Oft sprach er Menschen auf der Straße an, ob er ihnen helfen konnte. Diese schauten dann ganz erstaunt. Das war man hier in Europa nicht gewohnt, die meisten waren sich selbst die Nächsten. Im Flüchtlingsheim half er ständig beim Putzen, Tragen, Wäsche sortieren und bei allem, wo seine Hilfe gebraucht wurde. Amin war nicht nur klug, sondern auch sehr geschickt und kräftig. Er hielt es nicht aus, wenn Frauen schwere Dinge trugen. Das war Aufgabe des Mannes, sagte er. Die Familie musste zusammenhalten, sagte er, und meinte damit selbstverständlich auch seine gesamte Patchworkfamilie, mit Stiefmutter und Stiefgeschwister, sowie seinen Stiefvater. Ehen können auch in ihrem Land geschieden werden. Das Männer mehreren Frauen haben, ist schon eher selten, kommentierte er und es sei oft zwischen Stadt und Land sehr unterschiedlich, was die Gestaltung einer Familie anbelangt. Amin war der Überzeugung, dass er nur eine Frau in seinem Leben brauchte. Er beobachtete die jungen Pärchen in der Öffentlichkeit und stellte sich die Frage, ob es hier so üblich war, dass wild durcheinander geschmust wurde. Für ihn käme das nicht in Frage. Amin stellte sich eine Frau vor, die ihn wirklich liebte. Er wollte erst nach der Heirat Sex haben. Etwas anderes interessierte ihn nicht und verwunderte ihn nur. Frauen gehören beschützt, sie kümmern sich vor allem um das Haus und die Kinder. Das war seine Meinung. Der Mann ist der Versorger der Familie und hatte auch finanziell für alles aufzukommen. Amin sah jetzt ganz anders aus. Er hatte sich seine Haare schneiden lassen und seinen Bart abrasiert. Er wollte nicht wie ein Terrorist wirken. Der Transfer aus der Stadt sollte um 15 Uhr ankommen und um seinen Bruder als Erster willkommen zu heißen, wartete er vor dem Flüchtlingsheim. Als er einen weißen Bus um die Ecke kommen sah, entdeckte er auch schon dessen Gesicht. Amin fiel ein Stein vom Herzen. Nach Monaten der Trennung war er wieder vereint. Plötzlich ließ die Spannung in seinem Körper nach. Die Sorgen, die Ängste und die Sehnsucht waren ein Stück kleiner geworden, und umso größer seine Dankbarkeit diesem Land gegenüber. So eigenartig diese Menschen hier auch waren, sie waren hilfsbereit, sie besorgten Essen und Trinken und eine Unterkunft für ihn und er war sicher. „Danke Österreich, danke!“, murmelte Amin wie ein Mantra. „Ich liebe Österreich!“ Als Amin seinen Bruder und damit einen Teil seiner Familie in den Armen hielt, schwörte er in diesem Land 4 Jahre lang nur zu helfen und dafür kein Geld zu verlangen. Er sah es als eine Selbstverständlich dem Land Österreich, etwas von dem, zurückzugeben, was es bis jetzt für ihn getan hatte.

Hamudi

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