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1.10 Charles
ОглавлениеAls Charles morgens aus seinem Zimmer torkelte, saß Nathan schon am Küchentisch und schüttete Kaffee in sich hinein. Komplett angezogen. Sein enger Pulli schaffte es nicht, die frischen Knutschflecke an seinem Hals zu verbergen.
Charles hörte leises Schnarchen hinter Nathans Zimmertür. Weibliches Schnarchen, wenn er sich nicht täuschte.
»Heute mal ein Mädel?«, fragte er und schleppte sich zur Kaffeemaschine.
Der gestrige Abend saß ihm noch in den Knochen. Und im Kopf. Der gesamte gestrige Abend. Kor, der Auftritt, das Bier, Kor, Mariella, Kor … vor allem Kor. Dessen dunkle Augen hatten ihn bis in seine Träume verfolgt.
Am liebsten wäre er gar nicht aufgestanden. Aber Bella würde ihn sofort feuern, wenn er nicht zur Arbeit erschien. Was gerade der einzige Grund war, aufzustehen. Und die Arbeit würde ihm guttun. Arbeit war Ablenkung.
Er stützte sich schwer auf die Anrichte. Sie war kühl unter seinen Handflächen. Die ganze Bude war zu kalt. Und er trug nichts als Boxershorts. Immerhin schlängelte sich köstlicher Kaffeeduft in seine Nasenlöcher. Er ignorierte den Stapel schmutzigen Geschirrs neben seinem Kopf und durchwühlte den Schrank.
»Hm«, brummte Nathan. »Ja, ein Mädel. Und bei dir?«
»Mariella. Ist schon wieder weg.«
Je weniger er darüber sprach, desto besser. Er fühlte sich dreckig. Und feige. Und absolut erbärmlich.
Charles goss Kaffee in seine »Radioactive Raider«-Tasse und setzte sich neben Nathan. Rieb sich durchs Gesicht. Sein bester Freund betrachtete ihn mit einem verdammt seltsamen Ausdruck.
»Hat's funktioniert?«, fragte er. »Hast du den Kleinen vergessen?«
»Deshalb habe ich nicht …« Als ob er Kor vergessen könnte. Nie. Er wünschte, er könnte es. »Machst du mir etwa Vorwürfe, weil ich jemanden abgeschleppt habe? Du?«
»Aber nein.« Nathan schlürfte seinen Kaffee. »Das würde ich nie tun. Übrigens habe ich gestern mit deinem Süßen geredet.«
»Ah.« Charles gab sich Mühe, nicht zusammenzuzucken. »Und?«
»Hm.« Nathan wiegte den Kopf hin und her. »Hab ihm angeboten, ihn in die Liebe einzuführen.«
»Was hast du?« Charles knallte die Tasse auf den Tisch. »Du …«
Er biss die Zähne aufeinander. Von diesem Wichser würde er sich nicht verarschen lassen.
»Haha, lustig«, sagte er. »Und? Hat er zugestimmt?«
»Klar.« Nathan lächelte freundlich. »Was meinst du, wer da in meinem Zimmer schnarcht?«
Charles sprang auf. Der Stuhl klapperte hinter ihm zu Boden und er raste auf Nathans Tür zu. Riss sie auf. Und erblickte das hübsche, wohlgerundete Mädel, das in Nathans schwarzer Bettwäsche schlummerte.
»Sehr komisch«, zischte er und schloss die Tür wieder. Leise.
»Total.« Nathan schüttelte den Kopf. »Dass du darauf reinfällst.«
»Na und?«
Schlecht gelaunt trottete er zurück an den Tisch. Er sollte wirklich lernen, Nathan zu ignorieren.
»Ich hab's ihm tatsächlich angeboten«, sagte Nathan. Als er Charles' Blick sah, fügte er hastig hinzu: »Nur, um was auszutesten. Denkst du, ich mach mich an ihn ran, wenn ich dir versprochen habe, dass ich brav bin?«
»Was wolltest du denn austesten?«, knurrte Charles. »Ob er auf Vollhorste steht?«
»Nein, ob er auf Kerle steht. Und«, Nathan neigte bedauernd den Kopf, »dein Instinkt hat dich nicht getäuscht. Er mag keine Männer.«
»Du meinst, er mag dich nicht.«
»Wer mich nicht mag, steht nicht auf Kerle.«
Charles schnaubte verächtlich. Kor … Würde er ihn überhaupt je wiedersehen?
»Ist er gut nach Hause gekommen?«, fragte er.
»Ach, das interessiert dich plötzlich?«
»Ich habe Sheron gefragt, ob sie ein Auge auf ihn haben kann. Die fand ihn eh niedlich.«
»Super.«
Nathan kippte den Rest seines Kaffees hinunter.
»Ich glaube, die findet ihn sogar ziemlich niedlich. Vielleicht werden sie ja ein Paar, dank deiner Hilfe.«
Der Gedanke schnürte Charles' Brust zusammen. Nein. Bitte nicht. Nicht jetzt schon.
»Was beschwerst du dich?« Nathan stand auf. »Du hast doch gestern auch wen heimgebracht. Dann heul nicht, wenn der Kleine dasselbe macht.«
»Ich habe …« Charles wusste, dass es besser wäre, die Klappe zu halten. Aber irgendwie drängten die Worte hinaus, als ob er nicht Nathan vor sich hätte, sondern einen strengen Beichtvater, dem er erklären musste, dass er nicht so verdorben war, wie es schien. »Ich habe nicht mit ihr geschlafen. Ich konnte nicht.«
Nathan schaute ihn ungläubig an. Blinzelte. Und brach in ohrenbetäubendes Lachen aus.
»Du hast«, brachte er zwischen zwei hastigen Atemzügen heraus. »Du bist … du bist impotent aus … Liebe?«
Der Idiot haute sich tatsächlich auf den Schenkel. Es reichte. Charles sprang auf, packte ihn und nahm ihn in den Schwitzkasten, was den Lachanfall nicht im Geringsten unterbrach.
»So war das nicht!«, rief Charles. »Also, es war auch so, aber … ich wollte auch nicht. Ich hab … Ich …«
Alle Kraft verließ ihn. Er gab Nathan frei. Egal. Ihm war mit einem Mal verflucht egal, was der Trottel tat. Er kippte seinen Kaffee hinunter und wandte sich um, um sich anzuziehen, zur Arbeit zu gehen und alles zu vergessen.
»He.« Nathan räusperte sich. »Warte doch mal, ich … hab das nicht so gemeint.«
Überrascht drehte Charles sich um. Verdammt, der Kerl war ernst. Nathans Gesicht strahlte nahezu vor Aufrichtigkeit.
»Ich …« Nathans Finger trommelten auf die Tischplatte. Die Worte schienen ihm schwerzufallen. »Ich mach mir Sorgen um dich. Wegen der Sache damals. Wegen Elias. Wenn das wieder so läuft …«
Charles sah zu Boden.
»Äh, danke.« Er rieb seinen Arm. Nathan kratzte sich am Hals. Sie schafften es nicht, sich anzusehen. »Aber das wird schon. Ich werd ihn einfach nicht wiedersehen und abwarten, bis das alles vorbei ist.«
»Oh. Gut.« Nathan nickte. Dann erhob er sich. »Gut, auf zur Arbeit.«
Dass Nathan absolut pünktlich war, gehörte zu seinen erstaunlichsten Eigenschaften.
Charles hörte die Haustür zuklappen, als er sich anzog. Sein Handy checkte. Keine Nachricht von Kor. Na ja, was sollte der ihm auch schreiben? Obwohl, er hatte doch … Charles hatte ihm alles Mögliche versprochen, in seinem Glückstaumel. Dass er ihm beibringen würde, sich zu verteidigen. Dass sie jammen würden. Und Kor hatte gewirkt, als würde er sich darüber freuen. Also warum meldete er sich nicht?
Du willst doch gar nicht, dass er sich meldet, sagte eine ruhige, vernünftige Stimme in seinem Hinterkopf. Du willst ihn nie wiedersehen, weil es dir nicht guttut, verliebt zu sein. Aber …
Ob er sich nicht meldete, weil er beschäftigt war? War er … vielleicht gerade bei Sheron? Heiße Eifersucht durchstieß seinen Magen, obwohl er nicht mal das Recht hatte, eifersüchtig zu sein.
Oder wartete Kor darauf, dass er sich meldete? Dass Charles ihm zu verstehen gab, dass er ihn wirklich sehen wollte? Unsicher genug hatte er gewirkt.
Nun, da konnte er lange warten. Charles würde ihm bestimmt nicht schreiben.