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1.4 Charles

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»Das war die frechste Lüge, die ich je gehört habe.«

Charles fuhr herum. Nathan stand hinter ihm im Gang und blickte ihn an, als hätte er ihn beim Keksklauen erwischt.

»Was?« Furcht stieg in Charles auf. »Hast du uns belauscht? Was soll das?«

»Mir war halt langweilig.« Nathan gähnte, wie zur Bekräftigung. Aber er schien ungewöhnlich ernst. Vorsichtig wandte Charles den Kopf. Kor war in der Kabine verschwunden und die beiden Mädels mit den bunten Haaren standen weit entfernt. Niemand hörte zu.

»Von was für einer Lüge redest du?«, fragte er Nathan.

»Dass das kein Date ist. Dass du nicht auf Männer stehst. Und dass du nichts von dem Kleinen willst.« Jedes Wort war wie ein winziger Schnitt in sein Herz.

»Leise«, zischte Charles ihm zu. »Was, wenn er das hört, du Idiot?«

Nathan sah ihn mit einer Mischung aus Verachtung und Mitleid an.

»Du bist so ein erbärmlicher Schwächling, wenn's um deine Gefühle geht.«

»Halt die Klappe!«, fauchte Charles. »Halt die … Was verstehst du denn davon? Du bist doch genau so ein Gefühlskrüppel wie ich!«

»Und genau deshalb sind wir so gute Freunde.« Nathans Mund verzog sich zu einem trägen Lächeln. »Ein Krüppel erkennt den anderen. Und du … bist verliebt.«

»Bin ich nicht!« Ups, viel zu laut. Charles atmete tief ein. »Bin ich nicht. Was laberst du da?«

Er war doch nicht in Kor … Charles ballte die Fäuste. Nein. Bestimmt nicht. Das war nur … Keine Ahnung.

»Junge, ich kenn dein Gesicht, wenn du verliebt bist. Das da.« Nathans Zeigefinger stach ihm fast ein Auge aus. »Genau so hast du damals geschaut, wenn du von diesem Spacken erzählt hast. Elias.«

Der Name durchstieß Charles' Herz wie ein Dolch. Immer noch. Allerdings schwächer als damals.

»Hab ich nicht.« Seine Fingernägel gruben sich in die Handflächen. Nathan rieb seine Nasenwurzel.

»Charles … Ach, egal. Bin ja nicht dein Therapeut. Woher hast du den Kleinen überhaupt? Der sieht nicht aus wie deine üblichen Freunde.«

»Er ist in den Laden gekommen«, sagte Charles. »Vor 'ner Woche. Wegen seiner Gitarre, die … Egal. Erst dachte ich: Was ist denn das für einer? Hast ihn ja gesehen, der ist nicht wie die gewohnte Kundschaft. Aber er hat … Na, irgendwie war klar, dass die Gitarre ihm total wichtig ist.«

»Noch so ein Freak also.«

»Ich bin kein Freak.«

»Charles, wir wohnen zusammen. Ich habe gesehen, wie du deine Gitarren behandelst. Du nimmst die mit ins Bett.«

»Na und? Du polierst deinen Bass doch auch jeden verdammten Tag.«

»Ich polier noch was anderes jeden verdammten Tag.«

Nathan grinste anzüglich und Charles verdrehte die Augen. Diese dämlichen Bemerkungen, egal, ob sie gerade passten oder lustig waren, gehörten zu den Dingen, die er an Nathan ganz und gar nicht schätzte. So wie diese plötzlich aufblitzende Neugier.

»Gut, Klosterschulboy«, sagte Nathan, und das war eine weitere Sache, die Charles hasste: seinen alten Spitznamen. »Und wann hast du dich in ihn verliebt?«

»Ich habe mich nicht in ihn verliebt«, knurrte Charles. »Er war nur … Ich glaub, wir verstehen uns. Wir sind uns ähnlich. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als er gespielt hat. Das war … als wäre er gar nicht mehr da. So weich, irgendwie.«

»So ähnlich wie deins grad?«

»Halt die Klappe.«

Charles verschränkte die Arme. Er war nicht verliebt. Auf keinen Fall. Mit Unbehagen erinnerte er sich an Elias, an … Er schüttelte den Kopf.

Ein neues Bild stieg in ihm auf. Kor und Cherry auf dem Boden, in der Werkstatt. Charles hatte gedacht, der Typ wäre irgendein Horst, der davon träumte, mit seiner miesen Schülerband groß rauszukommen. Mit Musik, die seine Mutti mochte, den Klamotten nach zu urteilen. Aber was der der blutroten Gitarre für Töne entlockt hatte … Charles hatte so etwas noch nie gehört. Wie problemlos Kor ihren alten Song nachgespielt hatte. Wie … er geschaut hatte, als wäre er einfach … weg. So, wie er sich fühlte, wenn er …

»Hey.« Eine schüchterne Stimme hinter ihm. Charles zwang sich, nicht zusammenzuzucken. Befahl sich, eine steinerne Miene aufzusetzen, als er sich umblickte.

»Nicht schlecht.« Nathan pfiff leise durch die Zähne. Er hatte recht.

Die Jeans saß wie angegossen an Kors schlanken Beinen. Das Shirt schmiegte sich um seinen Oberkörper und brachte seine blasse Haut zum Leuchten. Und ließ seine Augen noch dunkler aussehen. Ein zaghaftes Lächeln lag in seinem Gesicht und Charles' Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

Nein, dachte er. Ich bin nicht verliebt. Das halte ich kein zweites Mal aus.

»Es passt, oder?« Kor strich eine Strähne hinter sein Ohr zurück. Er sah Charles an, nur Charles.

»Passt«, bestätigte der. Cool bleiben. Ganz ruhig. »Es gefällt dir, oder?«

»Total!« Kors Augen strahlten. »Ich sehe aus wie ein anderer Mensch, oder?«

»Irgendwie schon.« Selbst die komischen Schuhe, die Kor trug, fügten sich gut ins Gesamtbild ein. Na, die waren ja auch schwarz.

»Zum Anbeißen siehst du aus«, sagte Nathan und Charles hätte ihm am liebsten eine gezimmert. Noch mehr, als er sah, wie sich Kors Wangen röteten.

Mochte der Nathan? Na ja, die wenigsten Leute mochten Nathan … aber mehr als genug wollten mit ihm vögeln. Aber Kor doch nicht, oder?

Sein Gedankengang wurde unterbrochen, als Kor sich neben ihn stellte. Was? Oh, er betrachtete sie beide im Spiegel. Charles sah sich neben ihm. Groß, fast brachial, neben Kors zierlichem Körper. Der war … einfach süß. Verdammt. Verdammt, nein!

»Sieht fast aus, als würden wir zusammengehören, oder?«, fragte Kor unsicher. Charles hörte Nathan hinter sich kichern und seine Lust, ihm in den Arsch zu treten, wuchs. Er zwang sich zu einem spöttischen Lächeln.

»Meinst du?«

»Ja, so …« Kors Augen weiteten sich vor Schreck. »Nein, nicht so natürlich! So, als ob … wir die gleiche Musik hören würden. Dabei versteh ich gar nichts davon, aber die hier mag ich und die in der Werkstatt auch …«

Ach so hatte er das gemeint. Charles war so ein Trottel.

»Du verstehst was davon«, versprach er Kor. »Bald.«

»Echt?« Der Kleine sah ihn an, als hätte er ihm wer weiß was geschenkt.

»Bestimmt. Nimmst du die Klamotten?«

»Ja! Ja, auf jeden Fall!«

Als er wieder in der Umkleide verschwunden war, atmete Charles auf. Nathan hatte immerhin nichts verraten. Nur dumm gekichert. Leider musterten seine hellen Augen Charles, als könnten sie direkt in seine Seele spähen.

Bevor er etwas sagen konnte, platzte Charles damit heraus.

»Du fasst ihn nicht an. Nie. Hast du das verstanden?«

Nathan legte den Kopf schief.

»Was, wenn er von mir angefasst werden will? Darf ich dann …«

»Nein.« Charles lehnte sich vor. Er war nur wenig größer als Nathan, aber er wusste, wie gefährlich er wirken konnte. »Nie.«

»Schon gut.« Nathan hob beide Hände. »Ich fasse dein Schnucki nie niemals nicht an. Versprochen.«

»Gut.«

Er war nicht verliebt. Auf keinen Fall. Er hatte nur … Er hatte so ein gutes Gefühl bei der Sache. Mit Kor. So, wie der spielte. Okay, er hatte gesagt, er wollte nicht in eine Band und Charles respektierte das. Aber er konnte ihm wenigstens Dinge zeigen, Bands zeigen, schauen, ob es ihm gefiel …

Na ja, nachher traf er John, und wenn die Sonic Sons ihn wollten, wäre er eh erstmal in einer neuen Band. Ohne Nathan. Und die würden ihn wollen, das hatte John deutlich genug gemacht. Er war gut, das wussten alle.

Nur musste er Nathan noch klarmachen, dass … Er holte tief Luft.

»Ich treffe John nachher. In der Whiskyhölle.«

»Aha.« Nathan sah ihn fragend an. »Klingt romantisch. Aber falls du mich zu 'nem Dreier einladen willst, muss ich passen. John hatte ich schon, und …«

»Die Sonic Sons wollen mich als Gitarristen.«

»Oh.« Nathan blinzelte. »Hm, das … hm.«

Mist. Er wirkte fast ein wenig verletzt. Charles' Hals war mit einem Mal trocken.

»Ich dachte, das wäre 'ne gute Abwechslung. Wir beide müssen ja nicht ständig in der gleichen Band spielen. Vielleicht tut's uns mal ganz gut.«

»Stimmt wohl.« Erleichtert sah er, dass Nathan nickte. »Möglicherweise schaffen wir es alleine besser. Wenn du nicht wärst, wäre ich schließlich immer noch Bassist bei Odins Hoden. Hättest du Odins Freundin nicht gepimpert …«

Charles lachte.

»Das war einmal, du Spacken. Die letzten drei Mal war das deine Schuld.«

»Ich kann nichts dafür.« Nathan rückte stirnrunzelnd den Kleiderstapel zurecht, aus dem Charles Kors Shirt gezogen hatte. »Ich bin halt unwiderstehlich.«

»Oder unerträglich.« Charles fuhr sich durch die Haare. »Also ist alles gut?«

»Ist es.« Ein träges Grinsen. »Hattest du Angst, dass ich dir 'ne Szene mache?«

»Ich habe mit Heulen und Schreien gerechnet.«

Gut. Sehr gut. Es würde seltsam sein, mit jemand anderem zu spielen. Jemand anderem als seinem besten Freund, aber … Verdammt, er war müde. Bella hatte recht. Wenn er weiter von Band zu Band zog, würde das nie was werden.

»Ich habe einfach mal Lust, eine Weile bei einer Band zu bleiben«, sagte er. »Ohne Drama. Nur zusammenspielen, besser werden, gute Gigs abliefern …« Er zuckte mit den Achseln.

»Wenn du meinst.« Nathan lehnte sich an das Regal. »Mir gefällt es so. Aber ich bin ja auch nicht frisch verliebt, da wird man wohl sesshaft …«

»Halt. Die. Klappe.« Charles zwang sich, sich nicht umzudrehen. »Das ist ganz anders.«

»Sicher ist es das«, sagte Nathan gelangweilt.

Er begleitete Kor bis vor die Tür. Der bedankte sich noch einmal und sah Charles aus seinen Welpenaugen an, dass dem ganz mulmig wurde. Er wollte nicht verliebt sein. Nie wieder.

Lautstark verliebt

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