Читать книгу Die Wächter von Magow - Band 10: Grün ist die Hölle - Regina Mars - Страница 5
Ricky Scholle
ОглавлениеMein Beileid, alter Junge«, sagte Ricky und prostete Aeron zu. Die Schadenfreude mundete noch besser als der dreißigjährige Whisky, der sich durch seine Geschmacksknospen brannte. »Sieht aus, als wärst du nicht länger der Schönste im ganzen Land.«
Zufrieden ließ er sich in die weichen Polster sinken. Sein geschundener Rücken protestierte. Leider gab es im ganzen Bunker keine ergonomischen Möbel. Nur diese Sitzgruppe, die aussah, als wäre sie nach einem Tatort-Dreh aus den Siebzigern übriggeblieben.
Aeron, der ihm gegenübersaß, beugte sich vor und schnappte sich die Flasche. Schnell wie ein zubeißender Kampfhund. Eine Zornesfalte zerschnitt seine Stirn.
»Das werden wir ja sehen«, knurrte er. »Es gab eine Menge Incubi, die dachten, sie könnten es mit mir aufnehmen. Frag die doch mal, wie es ihnen ergangen ist.« Er lächelte grimmig. »Nicht, dass du ihre Gräber finden würdest.«
»Aeron.« Etwas Warnendes lag in Adinas Stimme. Sie richtete sich auf und stellte ihr Whiskyglas ab. »Wir sind fast am Ziel. Halt dich nicht mit Nebensächlichkeiten auf.«
Die Luft veränderte sich. Spannung floss durch den Raum wie Stromwellen. Aeron und Adina musterten sich und Ricky dachte mal wieder, dass sie wie ein uraltes Ehepaar wirkten, das seine guten Zeiten längst hinter sich hatte.
»Adina, meine Liebe.« Aerons Lächeln war so falsch wie strahlend. »Einen Incubus, der so mächtig ist, dass er mir fast das Wasser reichen kann, würde ich nicht als Kleinigkeit bezeichnen.«
Sie lächelte nicht. Eine rote Locke fiel ihr in die Stirn. »Natürlich ist er das. Wenn wir das Ritual durchführen, wird er genauso sterben wie alle anderen in Magow. Lass das Problem ruhen und es erledigt sich von selbst.«
»Du unterschätzt meinen Tatendrang, meine Liebe. Um Probleme kümmere ich mich gern selbst.« Er hob die Flasche und goss sein Glas voll. »Wenn ich darauf vertrauen würde, dass sich alles schon fügt, wäre ich nicht da, wo ich heute bin.«
Sie seufzte. »Bitte, Aeron.«
Er hob eine Augenbraue. »Bitte? Du erstaunst mich. Wann hast du mich je um etwas gebeten?«
Dieser Umstand schien sie auch enorm zu stören, dem harten Zug um ihre Mundwinkel nach. »Wir sind fast am Ziel, Aeron. Wir haben beinahe erreicht, was wir seit über zwanzig Jahren vorbereiten. Ruiniere es nicht.«
Der Incubus schwieg. Er nippte an seinem Glas. Schließlich nickte er. »Nur noch wenige Tage, richtig?«
»Ja.«
»Na gut. Aber ich stelle eine Bedingung.« Sein Blick glich dem einer Kobra, die sich aufrichtet. »Ich bekomme Paris.«
Sie schaute fragend und ähnelte dabei selbst einer Giftschlange. Nicht äußerlich. Es war in all ihren Bewegungen, in den Blicken, die immer etwas Lauerndes hatten. Ricky unterdrückte den Impuls, aufzuspringen und zu flüchten.
Er traute den beiden nicht. Natürlich nicht. Man musste schon ziemlich dumm sein, um Aeron von Thrane und Adina Caligari zu trauen. Und Ricky war sehr viel klüger, als alle dachten.
Aber ein Risiko blieb. Immer. Egal, wie viel sie ihm schuldeten, er musste nützlich bleiben. Immer etwas in der Hand haben, das sie brauchten. Im richtigen Moment da sein. Er wusste, dass er als Erster unsterblich werden musste, damit sie keine Zeit hatten, ihn zu verraten. Sobald die beiden das Ritual vollendet hatten, brauchten sie ihn nicht mehr.
»Paris?«, fragte Adina, als wüsste sie nicht, was Aeron meinte.
»Für das Ritual. Wenn Ricky sich mit Berlin zufriedengibt, meinetwegen. Mit drei Millionen Leben kann man schon relative Unsterblichkeit erreichen. Aber ich will mehr.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Sicher. Ich hänge nicht an Paris.«
»Natürlich nicht.« Er verzog das Gesicht. »Also ist es abgemacht?«
Adina hielt ihm die Hand hin. Er schlug ein. Sie logen beide.
Ricky war Boxer gewesen, bevor er zum Bürgermeister aufgestiegen war. Oder abgestiegen, je nachdem. Er vermisste den Boxring, obwohl der ihm zahlreiche Beschwerden eingebracht hatte. Er spürte seine Knie selbst im Sitzen.
Im Ring hatte er gelernt, den nächsten Schlag vorauszusehen. Seine Gegner einzuschätzen. Und er vermutete, dass Adina nicht vorhatte, Aeron unsterblich werden zu lassen. Sie war entnervt genug von ihm, da würde sie seine Anwesenheit nicht noch um tausend Jahre verlängern. Oder? Sie war schwerer zu lesen als der Incubus.
Bei dem war Ricky nämlich sicher, dass er log. Er hatte nicht vor, seinen Sohn in Ruhe zu lassen.
Armer Kerl, dachte Ricky und leerte sein Glas genüsslich.