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Fallstudien als didaktische Methode
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Fallstudien als didaktische Methode haben ihren Ursprung in der Ausbildung von Studierenden der Rechtswissenschaften an der Harvard Graduate School of Business Administration. Die Ursprünge sollen bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen (Kaiser 1983, Kaiser und Kaminski 2011). Dabei wurden im Unterricht Gesetzmäßigkeiten am Beispiel von praktischen Gerichtssituationen induktiv vermittelt (Kasuistik, Harvard-Methode). Im Jahre 1985 folgte die Harvard Medical School der Fallstudientradition. Auch hier war die Überzeugung, dass ganz typische und repräsentative Beispiele aus der Praxis sich gut eignen, um Studentinnen und Studenten für die Praxis vorzubereiten.
In den Schulunterricht haben die Fallstudien als didaktische Methode erst später Eingang gefunden, zunächst vor allem im wirtschaftswissenschaftlichen Unterricht (Weitz 2000). Fallstudienarbeit gehört zur sogenannten «Anchored instruction»-Didaktik und bildet eine mögliche Variante zur Umsetzung des situierten Lernens anhand authentischer Situationen. Schülerinnen und Schüler lernen an gut ausgewählten Fallsituationen grundlegende Denkfertigkeiten und -strategien, wie
–Probleme analysieren,
–Informationen sammeln, strukturieren, auswerten und diskutieren,
–Lösungsvarianten entwickeln,
–begründete Entscheidungen treffen und argumentativ vertreten.
Die Fallstudie wird deshalb auch als methodische Entscheidungsübung bezeichnet. Als Fall wird eine Situation aus dem Alltag oder Erfahrungshorizont der Lernenden gewählt. Das Material für die Bearbeitung eines Falles wird in der Regel möglichst umfassend angeboten, die Lösung wird offengelassen. Zum didaktischen Material gehören eine Situationsbeschreibung des Falles; Fakten, Meinungen, Ansichten zum Fall; Vorschlag zum Vorgehen; Erwartungen bezüglich Lösungen. Bei Varianten der Fallstudienmethodik müssen die Lernenden selbst zusätzliche Informationen recherchieren, oder Lösungen werden mit dem Material angeboten und die Lernenden haben die Aufgabe, diese kritisch zu beurteilen und eine begründete Entscheidung für eine Lösungsvariante zu treffen oder eine alternative Lösung zu entwickeln.
Fälle können eine Person (real oder als literarische Figur), eine Institution, ein politisches Ereignis, eine Entscheidungssituation einer Einzelperson oder einer Gruppe, ein öffentliches Projekt, ein Programm sein. Der Fall soll herausfordern und Interesse wecken. Wichtig ist, dass mit dem Material nicht nur Fakten zur Verfügung gestellt werden, sondern dass auch Wertkonflikte, unterschiedliche Meinungen, Hintergründe der Akteure usw. thematisiert werden. Wichtige Materialien sind zum Beispiel: Berichte, Stellungnahmen, Gutachten, Zeitungsartikel, Leserbriefe, Pläne, historische Dokumente, Bilder. Interessant an der Fallstudienarbeit ist die Auseinandersetzung mit der Komplexität der realen Situation. Eine didaktische Reduktion dieser Komplexität würde dem Prinzip der Konfrontation mit der Alltagsrealität zuwiderlaufen. Dies trifft auch für die gesuchten Lösungen zu: Es wird selten eindeutige Lösungen geben, die Lernenden haben Vor- und Nachteile abzuwägen und sich schließlich für eine Lösung zu entscheiden, im Bewusstsein darum, dass der aktuelle Wissensstand immer vorläufig und mit Fehleinschätzungen behaftet sein kann. Bei der Auswertung der Ergebnisse hat die Lehrperson die Aufgabe, grundsätzliche Kenntnisse, die mit der Fallbearbeitung erworben wurden, bewusst zu machen.
Beispiele für Fallstudien finden sich unter http://sciencecases.lib.buffalo.edu/cs/ und http://alt.sowi-online.de/methoden/dokumente/weitzfall.htm.