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Vier

In der Bachweide, an der Lahn gelegen, gab es einen Ruderverein, mit Bootshaus und Freigelände. Da fuhr Alexander Fabuschewski am Montagvormittag hin. Seltsamerweise musste er an Charlene denken, und er erinnerte sich daran, dass er, als er ihr in Marburg zum ersten Mal begegnete, sie gerne näher kennengelernt hätte. Inzwischen waren sie Freunde geworden, nicht zuletzt deshalb, weil sie ähnliche politische Ansichten vertraten. Auch als Frau hatte sie ihn fasziniert, und anfangs hatte er sich mehr als eine Freundschaft erhofft. Oft schon hatten sie über vergangene und gegenwärtige Kriege gesprochen und waren sich darin einig, dass denen immer entsprechende Lügen vorausgegangen waren. Beide befürchteten einen neuen Krieg, den die USA und ihre verbündeten Staaten gegen den Iran zu führen gedachten. Was noch fehlte, war eben eine entsprechende Kriegslüge, die die Menschen und vor allen Dingen die Soldaten glauben machen würde, dass eine militärische Lösung der Probleme unumgänglich sei.

Alexander war so in seinen Gedanken versunken, dass er beinahe die Straße verpasst hätte, die zur Bachweide führte. Bald hatte er das eingezäunte Gebiet erreicht. Er stellte sein Auto in der Nähe des Tores ab, stieg aus und hielt nach einer Person Ausschau, der er sein Anliegen vortragen konnte. Doch niemand war zu sehen. Er umrundete das Gelände einmal, hatte aber auch dabei niemanden entdecken können. Unschlüssig stand er nun wieder am Tor, als er sich an die Telefonnummer erinnerte, die er auf der Internetseite des Ruderklubs gefunden hatte. Schon nach dem zweiten Klingeln meldete sich eine Männerstimme mit Namen, für heutige Telefongewohnheiten eher ungewöhnlich.

Alexander brachte kurz sein Anliegen vor. Zu seiner Freude erklärte der Mann, ein Herr Mühlberg, dass er schon so gut wie auf dem Weg zum Ruderklub sei, und bat Alexander, dort auf ihn zu warten, da sich vor Ort doch alles besser besprechen ließe. In etwa zwanzig Minuten sei mit seinem Eintreffen zu rechnen.

„Eine gute Idee“, sagte Mühlberg, als Alexander seine Ausführungen beendet hatte. „Und woher wollen Sie die Materialien bekommen?“

„Es gibt da bei Löhnberg einen Schrottplatz, dort sah ich vor einiger Zeit, als ich nach einer gusseisernen Pfanne Ausschau gehalten habe, gut erhaltene Blechfässer, die wir als Schwimmer nutzen könnten.“

„Da scheinen Sie ja schon gezielte Vorstellungen zu haben.“

Alexander hätte eigentlich nichts dagegen gehabt, noch weiter über ihr Vorhaben zu plaudern, wollte aber jetzt vorrangig mit Mühlberg über eine mögliche Nutzung des Ruderklubgeländes reden. Der schien seine Gedanken erraten zu haben.

„Ich muss natürlich noch mit unserem Vorstand sprechen, kann mir aber kaum vorstellen, dass der Ihr Anliegen ablehnen wird, zumal wir in der glücklichen Lage sind, ausreichend Platz zu haben.“

Sie saßen vor dem Bootshaus auf einer Terrasse. Dort hatte man wohl in Erwartung schönerer Tage einige Tische und Stühle aufgestellt.

„Alkoholfreies Bier, bitte“, hatte Alexander auf die Frage Mühlbergs geantwortet.

„Na dann wollen wir mal schauen, welchen Platz ich unserem Vorsitzenden vorschlagen werde.“ Mühlberg bat Alexander, ihm zu folgen. Bald hatten sie eine Stelle am Fluss erreicht, wo in den Boden eingelassene Holzbalken eine Art Rutsche ergaben.

„Hier haben wir früher die großen Boote zu Wasser gelassen. Ich denke, dass etwa vier Meter in der Breite für Ihre Zwecke ausreichend sind. Unsere neue Slipanlage befindet sich direkt unterhalb des Bootshauses. Diese hier nutzen wir nicht mehr.“

„Ein idealer Platz für unser Vorhaben, Herr Mühlberg. Hoffentlich gibt es da seitens Ihres Vorstandes keine Einwände.“

„Ich glaube kaum, Herr Fabuschewski. Lassen Sie mir Ihre Telefonnummer da, dann melde ich mich bei Ihnen, sobald ich Näheres in Erfahrung gebracht habe.“

Da müssen wir eben abwarten, dachte Alexander und gab Mühlberg die Hand, wollte sich schon verabschieden, da näherte sich ihnen ein Mann mit einem Hund an der Leine, den er mehr oder weniger hinter sich herzog. „Sie müssen mir helfen“, rief der Mann schon aus der Entfernung. Als er Mühlberg und Alexander erreicht hatte, wandte er sich in Richtung des Lahnufers und deutete mit der Hand auf eine Stelle flussabwärts.

„Da liegt ein Toter“, rief der Mann und fasste sich dabei mit der rechten Hand auf die linke Brustseite.

„Nun beruhigen Sie sich erst einmal“, sagte Mühlberg, griff den Mann wie stützend an den Arm und führte ihn in das Innere des Bootshauses. Dort ließ er ihn Platz nehmen. Der Hund, ein Schäferhund, war widerstandslos gefolgt und nahm nun ebenfalls zu Füßen seines Herren Platz.

„Er hängt an einem Ast“, begann der Mann, „muss sich dort verfangen haben.“

Mühlberg hatte bereits den Telefonhörer in der Hand und wählte eine Nummer. Zehn Minuten später, der Mann hatte ständig diesen einen Satz wiederholt: „Ein Toter in der Lahn, er hängt an einem Ast“, trafen Polizei und Feuerwehr gleichzeitig ein. Ein Polizist kam zu ihnen, und Mühlberg erstattete Bericht, militärisch kurz und knapp. Dabei wies er auf den Spaziergänger, den der Polizist dann bat, ihm zu folgen. Und wieder der eine Satz: „Ein Toter in der Lahn, er hängt an einem Ast.“

Alexander sah zwei Feuerwehrleute, die in Taucheranzügen dem Lahnufer zustrebten. Kurz darauf folgten Männer mit einer Trage, die abwartend am Ufer stehen blieben. Alexander wurde in dem allgemeinen Trubel nicht beachtet. Er setzte sich auf eine Bank, von der aus er die Bergungsarbeiten beobachten konnte. Bald sah er die Männer mit der Trage zu einem der Feuerwehrfahrzeuge streben. Dann, so plötzlich die Aktion begonnen hatte, war sie auch wieder beendet.

Alexander wartete, bis das letzte Fahrzeug das Bootsgelände verlassen hatte, dann ging er noch einmal zum Bootshaus, wo er Mühlberg traf, der in der Eingangstür stand. „Sie haben sicherlich Genaueres herausbekommen?“

„Das können Sie glauben, ich war nicht umsonst Oberfeldwebel bei den Feldjägern.“

Obwohl Mühlberg Alexanders Interesse registriert hatte, wollte er sich wohl extra bitten lassen. Alexander tat ihm den Gefallen. „Sie haben nicht feststellen können, wer der Tote ist. Der Mann wird jetzt in der Gerichtsmedizin untersucht, obduziert nennt man das wohl. Nach der ersten Untersuchung gab es keine Anzeichen von Gewalt. Die Leiche soll allerdings schon mehrere Wochen in der Lahn gelegen haben, denn sie war schon mit einer zentimeterdicken Erdschicht bedeckt. Der Mann mit dem Hund hatte wohl nur den Kopf gesehen. Das war’s, Herr Fabuschewski. Jetzt haben Sie Ihren Freunden was zu erzählen. Mich müssen Sie aber jetzt entschuldigen, muss natürlich einen Bericht schreiben.“

Alexander hatte verstanden, verabschiedete sich und wollte schon gehen, als ihm einfiel, dass er Mühlberg noch seine Telefonnummer geben musste. Er nahm sein Notizbuch aus der Tasche, schrieb Adresse und Telefonnummer auf eine Seite, riss sie heraus und gab sie Mühlberg. Der nahm sie in die Hand, schaute zuerst etwas verständnislos, erinnerte sich dann aber. „Ach so, ja richtig. Ich melde mich bei Ihnen. Bis dann also, Herr Fabuschewski.“

Marijana

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