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III. Das Maß der Anforderungen im Allgemeinen
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Das Maß der Fahrlässigkeit bestimmt sich nach einem doppelten Maßstab: die Erkennbarkeit muss zunächst nach der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gegeben sein, die sich nach Verkehrskreisen, betroffenen Rechtsgütern und Gefahrnähe differenziert. Verfügt der Täter allerdings über ein spezielles Wissen, das über die im Verkehr erforderlichen Kenntnisse hinausgeht, so kann dieses Sonderwissen bei der Erkennbarkeit zulasten des Täters berücksichtigt werden.[8] Außerdem muss der tödliche Ausgang dem Täter nach seinen persönlichen Fähigkeiten erkennbar gewesen sein, wobei jedoch die Fahrlässigkeit auch in der Übernahme einer Tätigkeit bestehen kann, der der Täter nicht gewachsen ist. Nach der – freilich sehr angegriffenen – Rechtsprechung braucht der Täter nur den Enderfolg, den zu ihm führenden Kausalverlauf dagegen nur in Grundzügen vorausgesehen zu haben. Daher Haftung für den Tod eines Bluters bei leichtem Steinwurf (RG 54, 351) und für den Tod aufgrund einer altersbedingten Lungenentzündung oder einer Hepatitis nach einem Verkehrsunfall[9].
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In der Gegenwart spielt die fahrlässige Tötung eine besonders große Rolle im Verkehrsstrafrecht und bei der Heilbehandlung (näher Vogel LK § 15 274 ff.). Fälle, in denen Unfallverhütungsvorschriften zuwidergehandelt wird und dadurch ein tödlicher Unfall eintritt, haben zum Gegenstand BGH 20, 315 (Nichtbeachtung von Sicherheitsanforderungen beim Scharfschießen), BGH VRS 28, 202 (pflichtwidriges Verhalten von Eisenbahnbediensteten), BGH MDR 66, 160 (Pflicht des bauleitenden Architekten zur Unfallvorsorge), BGH VRS 33, 353 (Überwachungspflicht des Dienststellenvorstehers bezüglich des Fehlverhaltens eines Bauwarts), BGH NJW 73, 1379 (Verkehrssicherungspflicht bei Skipisten) und OLG Celle VRS 29, 23 (Absicherung einer Baugrube). Aktuell ist ferner die Beurteilung der Mitwirkung an Todesfällen durch Betäubungsmittelmissbrauch. Da hierbei eine Selbsttötung oder Selbstgefährdung vorliegt, wurde die Problematik o. § 1 Rn. 23 behandelt. Zur fahrlässigen Tötung durch Vollzugslockerungen BGH 49, 1 und Schatz NStZ 03, 581.
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Eine Rechtfertigung durch Notwehr ist auch bei der fahrlässigen Tötung möglich (BGH NJW 01, 3200), nach BGH NStZ 01, 243 jedoch nicht bei rechtswidriger Herbeiführung der Notwehrlage[10].