Читать книгу Deforming - Remington Queens - Страница 5
Kapitel 3: Zwei, die sich begegnen sollten…
ОглавлениеAm nächsten Morgen.
Sämtliche Kinder in die vorgeschriebenen blauen Roben gekleidet im Innenhof versammelt. Suchen ihre jeweilige Gruppe auf.
Hier verteilt eine Vielzahl an Ständen. Sie alle werben durch ihr Äußeres für ein bestimmtes Forschungsgebiet, als sähe man sich gegenseitig als Konkurrenz, so sehr bemüht man sich um die optische Erscheinung. Derjenige, der die Astrophysik repräsentiert, wird durch kleine Modelle in Form von Himmelskörpern gekennzeichnet. Ein anderer wiederum stellt eine gewisse Wissenschaft dar, bei welcher daran gearbeitet werden soll, Dinosaurier wiederaufleben zu lassen und wird durch eine Leinwand deutlich hervorgehoben, auf welcher ein grüner Urzeitriese in der Gestalt eines Raubtieres abgebildet ist.
Hinter einem Baum ein Junge. Sieht nach einem Mädchen, welches schon seit Längerem auf einer Bank sitzt und dabei ist, eine Zeichnung anzufertigen. Wirklich zu kennen scheint er es nicht, wohl zeigt er jedoch durchaus Interesse an der Unbekannten. Völlig fokussiert, beobachtet er genau, wie der Wind die rotbraunen Haare des Kindes streift und dieses ab und zu seinen Blick zum Himmel richtet und die frische Luft auf die junge Haut einwirken lässt.
Das Zwitschern dort, -es klingt, als hätte ich einen Ruf aus Fernerem vernommen. Solch wunderbarer Klang; ich wünscht´, ach sei ich doch nur auch so schön, ich würde mich in meinem Antlitz tausendfach sonnen.
Spricht mit zarter Stimme, was nun die Neugierde des Jungen weckt. Prompt springt dieser aus seinem Versteck. Tritt vor das Mädchen.
Verzeihung! Von Deinen Worten wollt´ ich nichts versäumen. Doch sag: Sprichst Du denn immer bloß in Reimen?
In meinen Augen ist das Reimen nicht nur eine Kunst, sondern auch eine Magie. Bleibst Du stets bemüht, verhältst Dich wortgewandt und bleibst ihm selbst im Traume treu, verlernst Du diese Gabe nie.
Lächelt.
Erst jetzt bemerkt ihr Gegenüber die Seltenheit in ihren Augen: Der Augapfel des rechten hat eine leichte grüne Färbung, während der ihres linken blau ist.
Warum so irritiert?
Oh, tut mir leid. Ich wollte nicht unfreundlich sein.
Ich wär nicht überrascht und würde es Dir nicht übel nehmen, liefest Du gleich davon. Das haben andere eher getan.
Was? Nein, so jemand bin ich nicht. Hört sich an, als hättest Du Grund, Dich zu schämen.
Das hatte ich nicht sagen wollen. Im Gegenteil: Ich bin meinesgleichen bloß immer einen Schritt voraus. Und neben bei bin ich viel reifer und raffinierter als die meisten. Das Problem ist nur, dass sie meine Sprache nicht verstehen. Ich befürchte, je mehr ich mich anstrenge, so wie die zu sein, desto schneller verliere ich das, was mich ausmacht.
Ich denke, so etwas kann man nicht verlieren. Wir werden immer wir selbst bleiben--- hier drin.
Deutet auf sein Herz.
So ein Unsinn. Dies mag zwar die Quelle Deiner Lebenskraft darstellen, um an diesem Ort jedoch Gefühle aufzubewahren, ist es gar zu bedeutungslos. Nur ein Symbol der Liebe, nichts weiter.
Warum so pessimistisch?
Gibt es denn einen Grund, optimistisch zu denken?
Kann ich mich kurz setzen?
Natürlich.
Rutscht zur Seite.
Ich zeige Dir jetzt etwas, -davon wissen nicht viele.
Krempelt die Ärmel seiner Weste hoch. Deutet auf sämtliche Narben an seinen Armen.
Die hatte ich mir selber zugefügt. Ich fühlte, dass mein Körper leer war. Verlassen. Kein Gewissen. Kein Gefühl. Nicht einmal Schmerzen konnte ich zu jener Zeit empfinden. Doch dann machte mir auf einmal etwas Angst: Was wäre, wenn das, was wir als Jenseits bezeichnen, viel schlimmer ist als unser Leben? Vielleicht ist der Tod, wie wir ihn kennen, bloß eine Überleitung zu etwas anderem, was total Grässlichem. Seitdem ist das Leben für mich eine Art Schutzschild geworden. Ein Schutz im Sinne der Bewahrung vor dem, was danach kommt.
Das macht Dich aber noch lange nicht zu einem Optimisten.
Na ja, dadurch begann ich das Leben mehr wertzuschätzen.
Aber wenn es soweit kommen sollte, dass der Tod, wenn auch nur für einen Augenblick, den einzigen Ausweg darstellt, der Dir als Erlösung erscheint…
... dann könnte ich mein Leben voll auskosten. Ich würde mich Dinge trauen, die ich selber einst nie gewagt hätte.
Da höre ich auf einmal doch den Optimisten!
Ja, weißt Du, was ich tun würde? Ich würde mir ein Bike stehlen und einfach losfahren. Immerzu fahren, fahren, fahren. Und sollte ich dabei die Kontrolle verlieren, dann mag der Tod mein Retter sein.
Du könntest natürlich auch mit einer Querschnittslähmung im Rollstuhl landen und Dir dann nicht mal mehr selbst die Spritze geben.
---Irgendwie ist doch jeder an sein Schicksal gebunden, was? –Genau deswegen habe ich damit begonnen, nach einem Sinn zu suchen.
Und hast Du diesen Sinn bereits gefunden?
Man kann ihn nicht ehrlich finden. Danach zu streben, ist im Prinzip der Sinn.
Du hast Recht. Meine Fehler lassen sich ohnehin nicht korrigieren.
Und was sollen das für Fehler sein?
Hast Du doch gesehen. Ein schreckliches Bild. Besonders wenn ich mich im Spiegel betrachte.
Du schämst Dich also doch dafür. Und nur weil Du Dich von anderen so unterscheidest, ist das auf einmal etwas Schlechtes? Weil laut der Mehrheit die Wissenschaft das Normalsein definiert, bist Du ein Ungeheuer, vor dem sich ein jeder in Acht nehmen sollte? Was ist, wenn alle anderen einen Fehler haben und Du diejenige bist, die vollkommen normal ist?
Wenn Du immer von solchen Situationen ausgehst, könnte jeder theoretisch nur ein Objekt sein. Und die Welt und ihr Geschehen stellte im Grunde genommen eine Prüfung gegen die Zeit dar.
Ja wie willst Du denn beweisen, dass dem nicht so ist?
Deswegen akzeptieren wir gewisse Dinge. Ansonsten würden uns das Grübeln und das Anstellen von Vermutungen so sehr in den Wahnsinn treiben, dass wir irgendwann an den Punkt kämen, an dem wir uns selbstzerstören wollten. Ich kenne dieses Gefühl, nur in anderem Zusammenhang. Immerzu blickte ich in die Sonne, in der Hoffnung dass meine Sehfähigkeit endlich nachlassen würde. Ich wollte mit meinen Augen nichts mehr wahrnehmen können, ---mich selbst nicht mehr wahrnehmen können.
Und wie ist es nun? Hat sich dies inzwischen geändert?
Schon möglich. Doch gerade wenn Du denkst, dass es vorüber ist, holt es Dich ein. Und beim nächsten Mal gibt es dann kein Entkommen mehr.
Schaut hinab zu ihrer Zeichnung. Diese stellt eine schwarze Kritzelei dar. Die einzelnen Striche sind kreisförmig angeordnet, als bildeten sie einen Tunnel. In der Mitte eine Gestalt, die einem Menschen ähnlich sieht, welcher sich in einer Ecke zusammengekauert hat, um sich vor dem ihn Umgebenden zu behüten.
Wenn ich fragen darf: Was genau wolltest Du damit eigentlich verbildlichen?
Meine Angst.
Beginnt, ihren Bleistift mit beiden Händen fest zu umgreifen.
Wenn ich unter Menschen bin, kommt es selten vor. Doch bin ich allein, verweile ich in geschlossenen Räumen, die noch dazu recht groß sind, wodurch die Leere und die Einsamkeit eine noch intensivere Wirkung wahren, kommt in mir ein schreckliches Gefühl hoch. Als würde gleich etwas passieren. Ich rechne jeden Moment mit einem…
Kurzes Schweigen.
… Einem Geist. Einem hässlichen Ungeheuer, das bloß den richtigen Moment abwartet, um mich heimzusuchen, mich zu verspotten, bevor es mich verschlingt und mir die letzte Kraft raubt. Ich suche nach Schatten an den Wänden oder der Decke. Ich möchte wegsehen, aber ich sehe hin. Manchmal hoffe ich sogar, dass es geschieht, weil dann statt der Angst Mut auftreten müsste. -Das rede ich mir jedenfalls ein.
Und wie lange hält dieses Gefühl an?
Bis jemand kommt oder ich den Raum verlasse. Meistens jedoch eher Ersteres. Oftmals schaffe ich es nicht aufzustehen. Ich bleibe sitzen oder bleibe liegen, je nach dem. Es taucht auf, wenn ich mich nicht beschäftige und weniger bewusst denke. Wenn es da ist, kann ich es nicht mehr umkehren. Dann hilft mir nur noch mein Glücksbringer.
Dein Glücksbringer?
Ja. Es klingt verrückt, aber halte ich sie in meinen Händen, habe ich das Gefühl, als wäre jemand oder etwas bei mir, was mich beschützt.
Nimmt eine Brosche in Form eines Schmetterlings hervor.
Hey, ist das zu fassen? Ich habe eine ähnliche.
Tatsächlich?
Ja, schau!
Entnimmt eine silberne Brosche in der Darstellung eines Käfers aus der Seitentasche seiner Weste.
Das ist --- jetzt wirklich Zufall!
Hey, Ihr beiden!
Die Kinder erschrecken.
Mr. Mitchell!
Solltet Ihr nicht schon längst bei Euren Gruppen sein? Und wieso tragt Ihr keine Roben? Alltagskleidung ist hier strengstens untersagt. Noch dazu, dass Ihr sicherlich nicht aus demselben Forschungsgebiet kommt. Na los! Umziehen und dann an die Arbeit!
Verstanden!
Erheben sich.
Bevor Du gehst: Wie ist Dein Name?
Reicht ihr die Zeichnung nach.
Menexia. Und wie heißt Du?
Remington. Werden wir uns wiedersehen?
Menexia kehrt ihm den Rücken, bleibt dann jedoch für einen kurzen Augenblick stehen.
Sollte es uns gestattet sein, erwarte ich Dich erneut im Freien. -Gerne am Tage bei Sonnenschein.
Verschwindet im nächsten Moment im Gebäude.