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Offenbarung 15,1–8

Besinnung vor dem letzten Gerichtszyklus

1. Offb 15,1–4: Erneut öffnet sich in Offb 15 ein spektakulärer Blick nach vorne und nach oben. Man spürt förmlich dieses Drängen hin zu einem Ende der jetzigen Weltzeit, um das gewaltig Neue von Offb 20 bis 22 zu enthüllen.

1.1 Vers 1a: «Und ich sah ein anderes Zeichen im Himmel, groß und wunderbar: Sieben Engel, die hatten die sieben letzten Plagen …» Was Johannes sieht, ist «wunderbar», beinhaltet aber die «sieben letzten Plagen»: «wunderbar» und «sieben Plagen» – wie passt das zusammen? Zwar sind da auch noch die beeindruckenden Engel. Aber Johannes meint nicht nur diese, wenn er von «groß und wunderbar» spricht. Er meint primär das Große, das Wunderbare und das total Neue nach den Plagen. Er «schielt» sozusagen auf die Kapitel 20–22. Jene Kapitel reden von diesem Neuen. Die Spannung zwischen «wunderbar» und «Plagen» mutet uns Gott in der Bibel öfters zu. Besonders in der Offenbarung. Diese Ambivalenz auszuhalten ist nicht immer einfach und verleitet gelegentlich zum einen oder anderen Extrem in der Auslegung der Offenbarung. Aber diese Spannung lässt sich erklären: Die Geschichte Gottes mit dem Menschen bricht hier im letzten Buch der Bibel dramatisch ab. Dieser Abbruch ist vorerst voller Plagen. Mensch und Planet leiden. Die «Jetzt-Zeit» (Röm 8,18–25) quält sich hinüber in eine «Danach-Zeit» – hinüber in einen neuen Äon. Anfänglich kaum bemerkbar, dann aber sprunghaft wie eine überspannte Feder: Aus der Zeit einer und für uns Menschen manchmal befremdenden Teilverhüllung Gottes springt die Zeit hinüber in die Ganzenthüllung Gottes. Die Zeit springt aus der Verborgenheit Jesu in die seines Offenbarwerdens in Herrlichkeit (Kol 3,3.4). Aus der Zeit des «Nicht-Sehens und Doch-Glaubens» (Joh 20,29 / 1. Petr 1,8) ins Sehen und Staunen (1. Kor 13,12). Und so bereitet uns Gott durch die Offenbarung des Johannes gründlich auf diese Zeit vor – vorausgesetzt, wir hören hin.

«Groß und wunderbar» meint zudem, dass es «die letzten» dieser Art Plagen sind. Ihnen voraus gingen die «Siegelgerichte», danach die «Posaunengerichte» und jetzt als Abschluss die unerbittlichen «Schalengerichte». Danach ist der Schmerz vorbei für die, «die Gott lieben» (1. Kor 2,9). Und das ist doch «groß und wunderbar».

1.2 Vers 1b: «… die letzten; denn in ihnen wurde der Zorn Gottes vollendet». Gottes Entsetzen und Gottes Maßnahmen gegenüber dem Bösen, der Sünde, der Ungerechtigkeit und dem daraus folgenden Leid entfesselt sich in diesen letzten Plagen vollends.

1.3 Vers 2a: «Und ich sah etwas wie ein gläsernes Meer, mit Feuer gemischt …» Vorsichtig formuliert Johannes «etwas wie ein gläsernes Meer». Die Materialisierung dieses «Meeres» können wir mit unseren rein jetzigen und irdischen Materialkenntnissen nicht umfassend verstehen. Gottes «Daheim» ist ganz anders. Viel herrlicher. Trotzdem erahnen wir, was Johannes andeuten will: Glas war in der Antike sehr kostbar. Sein Glanz und seine Transparenz waren bewundernswert. Und da, ganz in der Nähe Gottes (vgl. Offb 4,6), beginnt ein Meer. Eine schier unermessliche Weite an Kostbarkeit, Herrlichkeit, Glanz und Transparenz. Dass dieses gläserne Meer zudem mit Feuer gemischt ist, kann Teil der Visualisierung von Gottes Macht, Überlegenheit, Weitsicht und den noch anstehenden Gerichten sein (siehe meinen Kommentar zu Offb 4,5a / siehe zudem 2. Mo 13,21 / 4. Mo 11,1.3 / Offb 1,14).

1.4 Vers 2b: «… und (ich Johannes) sah die Überwinder über das Tier und über sein Bild und über die Zahl seines Namens an dem gläsernen Meer stehen, und sie hatten Harfen Gottes». Wer diese «Überwinder» in der chronologischen Zuordnung genau sind, wird uns nicht gesagt. Das soll Nebensache sein. Sind es jene, welche die Antichristzeit noch erlebten und dann zu Beginn oder in den Anfängen der sieben Trübsalsjahre entrückt wurden (siehe «LICHTER in der NACHT», Teil 1, Anhang A) oder sind es diejenigen, die in den sieben Trübsalsjahren als Märtyrer starben? Oder sind es beide Gruppen plus zusätzliche und alle vereint ganz am Schluss, wenn Jesus Christus sichtbar wiederkommt? Wir wissen, dass sie alle «überwunden» haben. Sie haben sich gegen «das Tier» (= den Antichristen, siehe meinen Kommentar zu Offb 13), gegen die Anbetung des antichristlichen Bildes und gegen die Identifikation mit dem Antichristen mittels der Zahl «666» entschieden. Aber sie haben sich für die Erlösung durch Jesus Christus entschieden. Sie werden nun in der Gegenwart Gottes an diesem gläsernen Meer willkommen geheißen. Sie werden getröstet. Ihre Tränen werden getrocknet (Offb 21,4). Sie sind am Ziel. Sie feiern. Sie musizieren. Bildlich dargestellt mit der Harfe, einem der damals bekanntesten gottesdienstlichen Instrumente.

1.5 Vers 3a: «Und sie singen das Lied Moses, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes». Mose ist in der gesamten Bibel eine außergewöhnliche historische Persönlichkeit. Er ist einer der großen Urväter, auf den immer wieder Bezug genommen wird (Jos 1,2.7 / Hebr 3,1ff.). Er führte das Volk Gottes aus dem Elend in Ägypten und durch die Wüste ans herrliche Ziel. Genau an so einem Ziel, dem letzten und eigentlichen Ziel, sind die «Überwinder» hier in Offb 15 angekommen. Wie Mose haben sie «die Wüste» überwunden. Die letzte Wüste der Menschheit! Es ist Zeit zu feiern. Zum Feiern gehört das Singen und so wird symbolträchtig in Anlehnung an das «Lied Moses» gesungen. Inhaltlich wird das «Lied Moses» kombiniert mit dem «Lied des Lammes (Jesus Christus)». Das «Lied Moses» finden wir z. B. in 2. Mose 15,1–21. Das Lied «des Lammes» in Offb 5,8–14. Herkömmliche Dimensionen werden hier durchbrochen: AT und NT finden zusammen. Es wird so jubiliert, wie damals Mose und seine Leute jubilierten. Jubiliert wird zudem so, wie die im Himmel jetzt schon im engsten Kreis um das «Lamm Gottes» Versammelten jubilieren. Ungehemmt und ungeniert wird alles «aus sich heraus gesungen»: Staunen wie noch nie, bewundern wie noch nie, ergriffen sein wie noch nie. Mich dynamisieren diese Bibelverse. Diese Herrlichkeit bei Gott wird gewaltig sein. Ich will um jeden Preis persönlich dabei sein! Das lasse ich mir nicht nehmen! Ich werde laut mitsingen.

1.6 Vers 3b–4: «… und sie sagen (singen):

• Groß und wunderbar sind deine Werke …

• … Herr, Gott, Allmächtiger! …

• … gerecht …

• … und wahrhaftig sind deine Wege …

• … König der Nationen!

• … Wer sollte dich nicht fürchten, Herr, und verherrlichen deinen Namen? Denn du allein bist heilig; denn alle Nationen werden kommen und vor dir anbeten, weil deine gerechten Taten offenbar geworden sind.»

Einige Bemerkungen zu diesem Liedtext: Der «Allmächtige» ist nicht ein Despot, der seine Allmacht ruchlos in Gerichten manifestiert, sondern einer, der in Liebe gerecht richten wird. Einer, der wahr ist. Dessen Zeit nun endlich gekommen ist, «König der Nationen» zu sein. Ein König der globalen Menschheit. Wohltuend für die globale Gesellschaft und Schöpfung. Die Völker werden das nach der letzten schrecklichen Wüstenzeit des Antichristlichen sehr schätzen und freiwillig zu Anbetern von Jesus Christus werden. Denn das Böse wird gebunden sein. Mehr dazu später in Offb 20–22.

Eine Zwischenbemerkung: Viele denken, die Offenbarung des Johannes schildere nur haarsträubende Horrorszenarien über eine schreckliche Zukunft. Dieses Vorurteil ist falsch. Die soeben gelesenen Verse sind ein typisches Beispiel, wie Gottes Wort durch sein letztes Buch immer wieder den Blick «nach vorne und nach oben» – zum Himmel hin – lenkt. Oder wie es Gerhard Maier sagt: «… diese Blicke in die ewige Welt sind für die Offenbarung im Ganzen nicht weniger wichtig als die Progression unserer irdischen Geschichte» (Seite 196).

2. Offb 15,5–8: Diese Verse sind eine Überleitung von Offb 15,1–4 zu Offb 16.

2.1 Vers 5–6: «Und nach diesem sah ich: Und der Tempel der Stiftshütte im Himmel wurde geöffnet.» In der Zeit bevor die Offenbarung des Johannes geschrieben wurde, existierte in Jerusalem der jüdische Tempel und in den Jahrhunderten vor diesem Tempel gab es die Stiftshütte. Die Stiftshütte war ein Vorläufer des Tempels. Sie war sozusagen die provisorische «mobile Tempelvariante» für die Zeit der Israeliten auf ihrem Weg durch die Sinai-Wüste (2. Mo 25 / 2. Mo 26,30). Johannes sieht nun in seinem Blick in den Himmel visionär beide in einem verschmolzen: den Tempel und die Stiftshütte. Die Stiftshütte wurde auch als «Zelt des Zeugnisses» bezeichnet: 2. Mo 38,21 / Apg 7,44. Sie wurde so genannt, weil die beiden steinernen Tafeln «des Zeugnisses Gottes» in ihr aufbewahrt wurden. Genauer gesagt, befanden sich diese Tafeln in der Bundeslade, welche in diesem Zelt untergebracht war. Im Text auf diesen Tafeln «bezeugt» Gott schriftlich seine Erwartungen (= die Gebote) aber er bezeugt darin auch seine Treue zum Volk Gottes (= seine Bundestreue). Genau diese Treue Gottes soll mit diesem Blick in den Himmel in Erinnerung gerufen werden. Wie damals schon versprochen, wird der lebendige Gott die Seinen treu durch die schreckliche Wüstenzeit des letzten Gerichtszyklus hindurch begleiten.

2.1.1 Des Weiteren sieht Johannes den Tempel und die Stiftshütte nicht lokal in Jerusalem oder in der Wüste, sondern «… im Himmel» und damit visionär in großartiger Qualität.

2.1.2 Eine weitere Absicht dieses Verses: Während der Zeit, in welcher Stiftshütte und Tempel real irdisch existierten, wohnte Gott «mit seiner Herrlichkeit» in diesen (2. Mo 40,34.35 / 1. Kön 8,10.11). Sie waren sozusagen «Gottes irdisches Daheim». In Offb 15 und in so manchen anderen Texten der Offenbarung sehen wir damit etwas von Gottes himmlischem Daheim. Wir sehen sozusagen in «Gottes Zuhause» hinein! Was für ein Vorrecht, diese Einblicke zu genießen, indem wir diese Offenbarungstexte lesen und studieren.

2.1.3 Plötzlich beobachtet Johannes, wie sich die Tore zu diesem göttlichen Daheim öffnen. Gott selbst ordnet an, sie zu öffnen: «Und der Tempel der Stiftshütte im Himmel wurde geöffnet.» Es ist Gottes Anliegen, uns ermutigend, immer mal wieder einen solchen Einblick zu gönnen – wenn auch nur dezent, weil wir nicht mehr ertragen würden. Johannes sieht sieben Engel aus der Gegenwart Gottes heraustreten. Sie sind himmlisch bekleidet mit «reiner, schimmernder Leinwand». Sie sind «umgürtet um die Brust mit goldenen Gürteln» wie die Priester, die damals im irdischen Tempel und in der irdischen Stiftshütte dienten. Immer wieder begegnet uns die Himmelswelt als eine Welt voll wunderbarem Licht. Licht, welches wohltuend funkelt auf dem zunehmend düsteren irdischen Hintergrund.

2.2 Vers 7: Nun wird den sieben Engeln etwas in die Hände gelegt: Eines von den vier Himmelswesen, die wir schon in Offb 4 kennenlernten, übergibt jedem Engel je eine «goldene Schale voll vom Zorn Gottes, der lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit». Diese sieben Schalen beinhalten die letzten sieben Gerichtsplagen, die unsere Jetzt-Zeit endgültig an ihr Ende zwingen werden. Das Bild von einem Gefäß voll mit Zorn ist wiederum der alttestamentlichen Sprache entlehnt (Jes 51,17 / Jer 25,15 / Ps 75,9). Es kommuniziert, dass dieser Zorn Gottes nicht bloß aus einigen Tropfen besteht, sondern aus vollgefüllten Gefäßen. Aber auch vollgefüllte Gefäße sind nach dem Ausgießen leer. Damit will das Bild auch andeuten, dass die Gerichtsplagen ein Ende haben werden! Aber noch sind diese Schalen «voll vom Zorn Gottes». Sie sind voll vom Entsetzen Gottes über Sünde und Gottlosigkeit. Vorerst endet seine Geduld (Röm 3,25.26 / 2. Petr 3,9) und noch nicht die Gerichte.

2.3 Vers 8a: «Und der Tempel wurde mit Rauch gefüllt von der Herrlichkeit Gottes und von seiner Kraft …» Bevor die dramatischen Gerichte der Zornschalen losbrechen, wird uns nochmals ein Blick in diesen himmlischen Tempel gewährt. Rauch kommt uns entgegen. Rauch hat die Eigenschaft, einen Raum umfassend einzunehmen. Rauch oder dicke Wolken begleiten in der Bibel häufig die Gegenwart Gottes (2. Mo 19,18 / 2. Mo 20,18 / Jes 6,4). Damit soll die «Dichte» von Gottes Gegenwart dargestellt werden. Der Rauch hier in Offb 15,8 stammt «von der Herrlichkeit Gottes und seiner Kraft». Die Herrlichkeit und die Kraft Gottes nehmen mitten in diesem Ausgießen der Gerichtsschalen, so wie es Rauch tut, alles ein. Gottes Herrlichkeit und Kraft dominieren auch im Geschehen der letzten Gerichte. Es ist nicht ein Zorn an sich und dann ein polterndes Ende. Gott richtet vielmehr im Sinne von einem Zurechtrichten des Verkrümmten, damit etwas gewaltig Neues entstehen kann. Dieses Neue wird vollends gesättigt sein von der Herrlichkeit und der Kraft Gottes.

2.4 Vers 8b: «… und niemand konnte in den Tempel eintreten, bis die sieben Plagen der sieben Engel vollendet waren». Hier schildert uns der Bibeltext eine letzte göttliche Fokussierung hin zur Vollendung. Absolute Entschlossenheit bestimmt das göttlich-finale Handeln. Weder die in Offb 4 erwähnten Ältesten noch die vier Wesen, noch die Engel, noch irgendeine andere Gestalt haben für diese kurze Zeit Zugang ins Innerste des Göttlichen. Kein «Stopp», «Halt» oder «Nun-doch-Nicht» sollen jetzt Zugang ins Zentrum göttlichen Handelns erhalten. Diese letzten sieben Plagen sind schlussendlich Befreiungsgerichte: Sie erschüttern und stürzen das antichristliche Weltsystem (siehe Offb 16–18), stärken aber die lebendige Hoffnung der Gottes- und Christusgläubigen bezüglich ihrer endgültigen Erlösung. Von diesem Ziel lässt sich Gott nicht mehr abbringen und zieht sich deshalb «hinter die Tempeltür» zurück.

Lichter in der Nacht

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