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4. Politik und Politiker

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4.1. Allgemeines zur sogenannten groβen Politik, d.h. zu dem was wir als "politique au jour le jour" erkannt haben: Weil unsere Betrachtungen sie nur indirekt betreffen, brauchen wir sie hier nicht weiter groβ zu behandeln –

...denn es wurde ja auch schon von jener "machistisch-äffischen Angeberei/Rechthaberei" (Extrem-Ausprägung: Rassismus) gesprochen die übrigens sehr schön vom Gorilla verkörpert wird, der ja zur Abschreckung der Konkurrenz ganz gerne mal drohend-lautstark auf seinem Brustkorb herumtrommelt. Das auf gleichem Urgrund fuβende menschliche, "politische" nec-plus-ultra nun besteht, ganz richtig, in der (atomaren) Abschreckung womit seit Wilhelm Zwo "groβe Politik" gemacht wird.

Ein essentieller Aspekt dessen was nun aber Politik eigentlich ist oder sein sollte, darf jedoch nicht unerwähnt bleiben. Hans Blumenberg hat ihn in Anthropologische Annäherung an die Aktualität der Rhetorik (in: Wirklichkeiten in denen wir leben, a.a.O., S. 104 ff) herausgearbeitet: "... von den Griechen selbst ist die Überredung in den Gegensatz zur Überwältigung gestellt worden: im Umgang der Griechen mit Griechen, so Isokrates, sei das Überreden angemessen, im Umgang mit Barbaren der Gebrauch der Macht; aber diese Differenz ist als eine der Sprache und der Bildung verstanden, weil Überredung Gemeinsamkeit eines Horizontes voraussetzt, der Anspielung auf Prototypisches, der Orientierung an der Metapher, am Gleichnis. [...] Auch (wissenschaftliche) Theorien werben implizit um 'Zustimmung', wie es Rhetorik explizit tut. Der entscheidende Unterschied besteht in der Dimension der Zeit; Wissenschaft kann warten oder steht unter der Konvention, es zu können. [...] Es ist deshalb eine Kopie der Prozeßform von Wissenschaft, wenn die Diskussion als Instrument der öffentlichen Willensbildung so betrachtet wird, als sei sie ein Mechanismus rationaler Ergebnisfindung, während sie sich doch gerade die prinzipielle Unendlichkeit der wissenschaftlichen Rationalität nicht leisten kann." – Kurz: Politik ist nicht rational. Sie kann (und muss) es ja auch nicht sein. Weiter: "Die begrenzte Redezeit mag die Strenge der rhetorischen Fomvorschriften nur dürftig ersetzt haben, aber sie ist auch als Ersatz ein essentielles Institut der Rhetorik; wo sie mißachtet wird oder unbekannt ist oder gar in ihr Gegenteil institutionalisiert wird, wird der Alternativcharakter der Rhetorik zum Terror manifest." (Fettdr. Verf.) Hier liegt der Hauptgrund, warum die Demokratie auf Dauer das einzig mögliche weltpolitische System darstellt; "Redezeit" gibt's bei Kim Jong-Un oder bei den Wahhabiten bekanntlich nicht. Weiter Blumenberg: "Es wäre ganz einseitig und unvollständig, die Rhetorik nur als die 'Notlösung' angesichts des Mangels an Evidenz in Situationen des Handlungszwanges darzustellen. Sie ersetzt nicht nur die theoretische Orientierung für die Handlung; bedeutender ist, dass sie die Handlung selbst zu ersetzen vermag. Der Mensch kann nicht nur das eine anstelle des anderen vorstellen, sondern auch das eine anstelle des anderen tun. Wenn die Geschichte überhaupt etwas lehrt, so dieses, dass ohne diese Fähigkeit, Handlungen zu ersetzen, von der Menschheit nicht mehr viel übrig wäre." Und er fährt fort: "Ich behaupte nun, dass nicht nur dieses Reden von der 'Rolle' metaphorisch ist, sondern dass der Definitionsprozeß des Rollenkonzepts – an dem das Identitätsbewußtsein hängt und mit dem es verletzt werden kann – selbst in der Metapher wurzelt und intern wie extern metaphorisch behauptet und verteidigt wird". – Rollenkonzept, Identitätsbewußtsein, beides metaphorisch verteidigen – dies ist tatsächlich nur in einer echten (s. evtl. Kap.8), funktionierenden Demokratie möglich. Vor allem auch, weil ja "Lebenkönnen und Sich-eine-Rolle-Definieren identisch sind", wie er andernorts unter Bezugnahme auf Simmels "leistungsfähige Rollenmetapher" schreibt

...und nebenbei gesagt, die aktuell laufenden Diskussionen über Krise, Managergehälter und "Moralisieren der Politik" (was immer man auch darunter verstehen soll) sind wohl jedem bekannt.

4.2. Weil aber die Philosophen sich schon längst aus der Agora zurückgezogen haben, braucht im Endeffekt wohl niemand, weder Manager noch Politiker, irgend etwas zu befürchten. Wir unsererseits müssen zunächst einmal sehen, ob und in welchem Maβe man die "Böhmesche objektive Dialektik" ausschalten kann. Sodann bei Toynbee wegen zweier Preisschildchen zu Rate gehen.

4.3. Der im ersten Kapitel mit dem schönen Koran-Zitat "der euch geformt, und zwar schön geformt hat" behandelte Sachverhalt führte, wie wir gesehen haben, auch zu der Randbemerkung "wozu eigentlich, wenn nicht...? – eben!".

"Auch", aber nicht nur.

Diese "Rechtfertigung aller Miniröcke und G-strings contra Burka & Co" war ja wirklich nicht Ziel und Zweck der Übung. Es war der "Geist", zu dem, wie wir sahen, diese ganzen Lobeshymnen auf die "Achse der Welt" schlieβlich hinführten. Jedoch ist dieser Geist hier und jetzt d.h. im Konkret-Alltäglichen, eher von geringerem weil rein theoretischem Interesse.

Von gröβerem Interesse dagegen dürfte der "Treibriemen" sein der nachfolgend zu begutachten ist. Aber nur kurz. Denn allgemein bekannt ist sowohl

Wenn durch eure Männerleiber

Geht ein Konkurrenzgetriebe,

Sei es Ehre, sei es Liebe;

Doch dahinter stecken Weiber (W. Busch)

als auch

Doch weil, was ein Professor spricht

Nicht gleich zu allen dringet,

So übt Natur die Mutterpflicht

Und sorgt, dass nie die Kette bricht,

Und dass der Reif nie springet.

Einstweilen, bis den Bau der Welt

Philosophie zusammenhält,

Erhält sie das Getriebe

Durch Hunger und durch Liebe (Schiller).

Allfällige Beweise für die Stichhaltigkeit dieser dichterischen Produkte, die ihrerseits den "fond de la chose", also das eigentliche Fundament der Böhmeschen "objektiven Dialektik" beleuchten soweit es "man made" ist oder sein kann, diese Beweise brauchen wir wirklich nicht mit Lupe oder Laterne zu suchen. Es genügt, sich die Herren Silvio Berlusconi, Nicolas Sarkozy oder B.H. Obama in Talk Shows anzuhören, wo sie unumwunden zugeben: "cherchez la femme!", was sonst?

Hiermit wäre der Zirkel rund. Die Frauen sind nicht nur, wie Börne schrieb, die Achse der Welt und diejenigen die laut Kierkegaard die Menschen ins Dasein locken, sondern, auf Erden, ganz konkret auch jenes Alpha und Omega ohne das wirklich gar nichts läuft. "Ja, dachte ich, das ist die stärkste Berufsvereinigung der Welt, stärker als der Vatikan und stärker als jedes Band, das Männer knüpfen können: die Gewerkschaft der Mütter, die auf ihre Kinder Rücksicht nehmen müssen." (Sarah Gainham, Frau an der Grenze, Verlag Fritz Molden, Wien, Buch Nr. 753'1380). Man darf hier durchaus auch an Enright's "Säuglinge in Kinderheimen, die sterben, wenn sie keine Zuwendung erfahren" denken, wie sie weiter unten angeführt werden (vgl. André Berge: "...dass Zärtlichkeit ein Wachstumsvitamin ist", in Les maladies de la vertu, Payot, Paris 1969, S. 71, Kursivschrift im Original). Wenn es denn auch nur eine hauchdünne Chance geben sollte, jemals diesen "fond de la chose", also die aus machistisch-äffischem Imponiergehabe entspringenden angeberischen, pseudoreligiösen und sonstigen "fundamentalistischen" Prahlereien/Rechthabereien mitsamt ihren stets katastrophaler werdenden Folgen unschädlich zu machen, so liegt sie in den Händen unserer Frauen.

Schönstes, alltäglichstes und "lebensweltlichstes" Beispiel: was auf den deutschen Straβen und Autobahnen los ist. Von den gesundheitsschädlichen Abgasen und dito Radau einmal abgesehen: In den ersten fünf Monaten des Jahres 2004 gab es 898.900 Unfälle, kamen 2.137 Menschen ums Leben und wurden 160.200 verletzt. Neuere Zahlen belegen zwar einen Rückgang der (Sofort-)Toten, aber einen Anstieg der Verletzten und der Sachschäden.

Es gibt im übrigen genug Materialien, aus denen hervorgeht, dass und warum die männliche, "hierarchie-hörige" Weltbewältigung langsam aber sicher gegenüber der weiblichen, "interdependenten", ins Hintertreffen gerät. Die Macho's wehren sich allenthalben, in unseren Demokratien können sie's allerdings nur noch mit der sogenannten "blinden" Gewalt, was diesesfalls ("objektiv-dialektisch") ein gutes Zeichen ist; aber in den islamischen Ländern ist diese Gewalt sozusagen immer noch institutionalisiert.

Besagte Materialien sind u.a. Studien des Osnabrücker Soziologen Rudolf Otten, dessen besondere Aufmerksamkeit den Veränderungen der Männer- und Frauenrollen gilt: In empirischen Untersuchungen sei belegt, schreibt er, dass der Anteil junger Männer mit kriminellen Neigungen immer grösser werde, schon jetzt sei über ein Drittel zu "offen kriminellem Handeln" bereit. Will heissen, dies Männerversagen sei kein "genetisch männliches" Problem, sondern ein "soziales und kulturelles" Versagen. Was dem niederländischen Philosophen Pieter Pekelharing folgendes comment entlockte: "Was die Medien ins Bild bringen ist der Abschaum der Gesellschaft. Wir schauen darauf mit ebensoviel Grausen als Faszination (...) – wir sind auch fasziniert, denn ist dies schliesslich nicht die Ideologie (...) des Non-Konformismus, des Rundheraus-Sagens-was-Sache-ist, also das was wir wollten? (...) Namentlich Männer im Alter zwischen 15 und 27 verursachen viel Über-Belastung (overlast), weil nur wenig sie hindert. Ich bin übrigens für eine Männersteuer. Wenn Raucher extra Steuern bezahlen müssen, dann bitteschön auch Zwanzigjährige." [Filosofie Magazine 5/2005. (Die dort angesprochenen "Tokkies" erinnern übrigens den Leser unwillkürlich/unweigerlich an Jonathan Swift's "Yahoos" aus Gullivers Reisen/4. Teil: "Es ekelte mich bald, diese Bestien noch länger anschauen zu müssen", berichtet Gulliver beim Anblick der Yahoos. Brüllende und stinkende Kreaturen xvii umgeben ihn auf seiner Reise, abscheuliche und groβmäulige Geschöpfe. "Die Yahoos hassen einander weit unversöhnlicher als alle anderen Tiere." Nichts macht sie widerlicher als ihre unersättliche Gier. Die meisten Yahoos haben einen Anführer, "der sich von seinen Stammesgenossen durch Hässlichkeit und Bosheit auszeichnet. Er hat einen ihm möglichst ähnlichen Günstling zur Seite, der die Füβe und den Hintern seines Herrn lecken sowie ihm Weibchen in die Höhle locken muss. Dafür wirft ihm sein Herr manchmal ein Stück Eselsfleisch vor.")].

Im Prozess der Modernisierung ist also – bei uns im "Westen" – der unaufhaltsame gesellschaftliche Aufstieg der Frauen ursächlich verbunden mit der Liberalisierung, Emanzipation, Öffnung und mit einem "leistungsstarken Frauenemanzipationsmuster". Demgegenüber hat das kulturelle Muster männlichen Denkens und Verhaltens im 20. Jahrhundert keine vergleichbaren Innovationen erlebt. Also: Männer, sagen Forscher, brauchen "feste Regeln und Orientierungsmuster". Solange das Regelsystem ethisch ist – wie in fast der gesamten europäischen Tradition – sind auch seine Anhänger im üblichen Umfang ethisch eingestellt. Aber genau dies: feste Regeln, dies verweigert unsere Moderne; statt dessen gibt's ein chaotisches Überflussangebot von Ethiken, Regeln und Glaubenssätzen aller Art, denen man folgen oder auch nicht folgen kann. Nun ja... also, im Zweifelsfalle lassen Männer es eben, und konzentrieren ihre Energie auf das, was man laut Otten "eine männliche Trash-Kultur" nennen könnte. Hierzu Michael Loeckle in Die Brücke 162, S. 75: "Ein glänzendes Walpurgisnacht-Szenario tritt einem auch entgegen, wenn adoleszente Fanfarons den Plan betreten: eine faszinierende Mixtur aus Dibbuk, Golem und gepiercten Revenants. Der Habitus von Sauropoden, die Sprache tribalistisch-vernakulär, das Hirn von Wickelkindern, die 'Haute Couture' im Boogie-Style und Sweatshirts mit Kapuzen. Das Spektrum ihrer vielfältigen Interessen reicht bei den Schwachmatikern von Skateboard über Klassenmobbing, Rudelbumsen, Prügelorgien und Komasaufen bis zum bewährten Internet-Shaming & 'Shitstrom'." ...Wenig Platz bleibt da für ethische Gemeinschaftsleistungen oder Leistungsmotivation (hierzu: laut statistischem Bundesamt liegen die Durchschnittsnoten der Abiturientinnen einen Notenpunkt über denen der Abiturienten; die Zahl der Mädchen ist in den leistungsstärkeren Mathematik-A-Kursen der Orientierungsstufe fast doppelt so hoch wie die der Jungen; und: schon 1999 gab's mehr Studentinnen als Studenten). So trete – soziologisch gesehen – der wohl schlimmste Fall ein: eben jene Regellosigkeit (Anomie) die nicht aus dem Zusammenbruch eines Regelsystems herrührt, sondern aus einem Überfluss an Regeln, die alle nebeneinander gelten. Und damit kommen die Männer nicht klar...

Amerikanische Soziologen brachten es folgendermaβen auf den Punkt: ohne moralisch integere, beruflich hochmotivierte, leistungsfähige und sozial engagierte Frauen wäre das soziale, ökonomische und politische System unserer westlichen Demokratien längst gescheitert.

Nur noch kurz sei vermerkt, dass "Gesellschaften, die die Vorteile von Frauen zu nutzen wissen, allen anderen gegenüber – nüchtern gesprochen – erhebliche Evolutionsvorteile haben". Umgekehrt geht's solchen, die Frauen missachten, ihre Leistungen verkennen oder sie stumpf unterdrücken – sie können ihre Ressourcen ganz einfach nicht ausreichend nützen, wie ja auch schon vor Jahren durch eine (arabische) UN-Studie belegt wurde, und geraten immer mehr ins Hintertreffen.

Jetzt aber begreifen wir auch, warum die Erziehung der Mädchen im allgemeinen und in islamischen Ländern im besonderen so viel zu wünschen übrig läβt: da steckt System dahinter. Aber nicht nur Aliti – "von den sieben Aspekten weiblicher Identität, die ich gefunden habe, ist die wilde Frau der bedeutendste, wesentliche" – macht uns hier Hoffnung, auch John Lukács hat ja geschrieben dass das intuitive Wesen der Frauen nicht so kategorisch, nicht so ausschlieβlich ist, sondern menschlicher und potentiell universaler. Was also mit die Böhmesche objektive Dialektik ausschalten gemeint sein kann wird jetzt, da wir den o.g. "Treibriemen" begutachtet haben, schon recht deutlich: nämlich nicht Sternexplosionen oder Erdbeben oder "Tod und Teufel" eliminieren, sondern das potentiell universalere, weil intuitive Wesen der Frauen nutzen. Mal so richtig nutzen.

Auf dass aber niemand "neues Matriarchat!" denke oder rufe: die notwendige "Aktion" der Frauen wird weder politisch sein (müssen) noch auch sonst irgendwie "emanzenhaft". Es wird reichen wenn sie, als Trägerinnen des Lebens die sie ja sind, die wirklich tödliche Gefahr erkennen die sich aus einem Nicht-Abschalten "fundamentalistischer" Rechthabereien mitsamt ihren stets katastrophaler werdenden Folgen ergäbe xviii. Bevor wir aber – in zwei Preisschildchen – dieser Gefahr ins Auge sehen, müssen wir jetzt endlich auch einmal den groβen Historiker Arnold Toynbee einladen.

Wenn wir noch in der Welt von 1648 oder auch noch in der von 1918 lebten, dann könnten wir, wie unsere Vorfahren auch, die einzelnen "objektiv-dialektischen" d.h. traditionell "fortzeugend sich gebärenden" blutrünstigen Ereignisse schicksalsergeben als unvermeidlich akzeptieren. Und höchstens, wie es ja auch unsere Altvordern taten, die (un-)bescheidene Frage nach dem "cur/unde malum?" ["warum/woher (kommt) das Böse?"] stellen – aus welcher Frage die unbedarfteren Gemüter bekanntlich immer einen Beweis für die Nichtexistenz Gottes herausgelesen haben wollen. Uns geht es aber weder um diesen Beweis noch auch um diese Existenz. Die einzige "Existenz" die uns hier und jetzt interessiert, ist unsere eigene. Weil wir aber nicht mehr im Zeitalter der Landsknechte oder jenem der dicken Bertha xix leben, stellt sich die Frage ob unsere gegenwärtigen "Existenzsicherungssysteme" die ja sämtlich in jener Periode entwickelt wurden, überhaupt noch etwas taugen. Denn zur Existenzsicherung hat ja das Menschengeschlecht im Lauf der Jahrhunderte zwar sehr viele Schutzsysteme entwickelt: "Individuelle" Systeme, wie z. B. Groβfamilien – und dann, als diese abbröckelten, Alters- und Lebensversicherungen. Und "kollektive" Systeme, wie z.B. Stadtmauern, Ländergrenzen, Heere, Flotten und, als all das sich schlieβlich als unzureichend erwies, das Konzept der UNO d.h. der "kollektiven Sicherheit". Sie alle aber haben eines gemeinsam: sie sind sämtlich unzureichend und können, wie eine genaue Lektüre Toynbees zeigt, auch nichts anderes sein.

Die unausbleiblichen Katastrophen haben denn auch gleichfalls eines gemeinsam: ihre Tendenz um, jeweils proportional zu Gröβe und Stärke der eingesetzten "Vermeidungsmittel", immerfort zu wachsen. Und zwar ins Riesenhafte, wie die neuere Geschichte nur allzu deutlich macht.

Aber es gibt ja so etwas wie Wachstumsgrenzen. An die zu stoβen für jeden Wirtschaftskapitän, und vor allem auch für seine Beschäftigten, ziemlich schmerzhaft ist. "Gesundschrumpfen" ist da die Parole. Wenn das nicht gelingt, dann hat der Betrieb abgewirtschaftet.

Es bedarf keiner weiteren Ausführungen um klarzustellen, dass jene bei Toynbee beschriebenen historischen, tendenziell bisher immer nur gesteigerten Katastrophen ganz einfach nicht mehr gesteigert werden können und dürfen. Ein Gorbatschow hat das begriffen und die Welt vom atomaren Wettrüsten-Alptraum befreit. Der Betrieb hatte nicht abgewirtschaftet, "Gott hatte ein Einsehen" bezw. "Allah ist allbarmherzig", sagten oder dachten die Gläubigen.

Zu früh gejubelt: dass ein Bin Laden oder sein(e) Nachfolger jemals irgend etwas einsehen könnte(n), dies ist so gänzlich ausgeschlossen dass es tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit ist bis in London, New York oder Paris die Atombomben – "dirty" oder nicht – losgehen, oder bis ein Passagierflugzeug in einen Atommeiler gelenkt wird.

"Die USA werden Bin Laden früher oder später fassen" – es sei so (2/5/2011: done). Zu früh gejubelt: der Nachfolger steht schon längst in den Startlöchern. "Sie werden ihn gleichfalls fassen!" – es sei so. Zu früh gejubelt: In der islamischen Welt gibt es Zehntausende von in Frage kommenden geschulten, fähigen und vor allem fanatisierbaren Köpfen. Eine Sisyphusarbeit, für die weder die US-Armee noch irgend eine andere ausreicht, mal ganz abgesehen davon, dass sie dafür nicht konzipiert sind.

Nun, man kann bei Toynbee im Detail nachlesen, dass und warum vergleichbare Sisyphusarbeiten und/oder eine aus der bekannten "Uns-kann-keiner"-Überheblichkeit heraus geborene Geringschätzung des Gegners bisher immer den Untergang der jeweiligen Groβmacht bedeuteten. Nicht sehr ermutigend.

Geradezu erschütternd jedoch der Gedanke, dass jeder einzelne von jenen Zehntausenden von in Frage kommenden geschulten, fähigen und vor allem fanatisierbaren Köpfen über Vernichtungspotentiale verfügen könnte wie alle Tamerlans und Hitlers zusammen sie nicht besaβen. Man kann sich auch ungefähr vorstellen dass, und ausrechnen wann, mal aus diesem "könnte" ein "wird" werden wird ["(...) radioaktives Material ist leicht zu beschaffen und verschwindet tagtäglich"; Quelle: AG Friedensforschung, Kassel; update Fri, Sep 25, 2015: "ISIS plans a 'nuclear 'tsunami' that want to wipe hundreds of millions from face of the earth", express.co.uk/news/world/607737/ISIS-(...)]. Dies nun ist das was wir – im Vergleich mit der bisher aufgefahrenen "Artillerie" – mit dem Namen "dicke Bertha" belegen dürfen, nein müssen. Aber gottseidank: Die Gefahr ist längst erkannt. USA, Nato und UNO sowie sämtliche betroffenen think tanks schwitzen schon seit einer halben Ewigkeit über diesem Problem.

Wir müssen sie schwitzen lassen, ad vitam aeternam. Denn im Rahmen ihrer Vorgaben und wissenschaftlichen Methoden können sie ganz einfach nicht fündig werden. Einer der einfacheren Gründe ist noch jener, den wir uns jetzt mal in Form eines wirklich schönen Blumenberg-Zitats zu Gemüte führen wollen: "Die Bürokratie wird jederzeit versagen, wenn sie es mit konzentrierter Intelligenz zu tun bekommt, auch wenn sie an der Illusion festhält, sie müsse sich nur vergröβern, um jede Kontrollaufgabe zu meistern."

Ein anderer, für uns alle wohl schwerer zu akzeptierender Grund ist ein den meisten Philosophen spätestens seit Heidegger bekannter Sachverhalt, der in dessen Buch "Was heiβt Denken?" etwas überspitzt mit "wir können nicht denken" umschrieben wird. Weil dies aber unsere Problemstellung nur tangiert, mag Folgendes zur Verdeutlichung ausreichen: "Was die Meisten unter Denken verstehen, das ist es leider nicht. Was sie als Denken bezeichnen, ist nur ein Kartographieren der Wirklichkeit mittels Beschreibung derselben anhand von schon bestehenden Rastern wie Meβbarkeit und Nachprüfbarkeit. Dies, liebe Anwesende, ist nicht Denken sondern Wiederholen. Und nichts mehr als das!" so Prof. Oudemans, Leiden, in einer Vorlesung über Wijsgerige Antropologie [evtl., pour mémoire: "Objektivität und Wahrheit nicht dasselbe", und "die Wahrheit kann den Schein der Wahrheit gegen sich haben, und sie kann selbst des Scheins entraten"].

Wirklich hoffnungslos, wenn man bedenkt, dass die nur in einigen Messern "konzentrierte Intelligenz" schon für die Twin Towers ausgereicht hat.

Hier nun wären wir bei den soeben erwähnten zwei Preisschildchen angelangt. Das erste, wir nennen es mal "GWB-Schildchen", ist an "Bush's merchandise" geheftet [...oder jetzt "Obama's merchandise" (vielleicht besser und generell: "the President's merchandise") – er wollte ja bekanntlich die Truppenstärke in Afghanistan aufstocken, und nach Bin Laden's Tod wieder abbauen. Dieses Land jedoch ist weder zu erobern noch von auβen her zu befrieden und könnte, wenn überhaupt, nur durch die in Kapitel 7 angeführten und in allen Schulen zu lehrenden historischen Tatsachen betreffs "Mohammed" definitiv beruhigt werden; andernfalls, früher oder später: der Horror "Taliban/Pakistan/Atombombe" – was übrigens Pakistan betrifft, so weiβ man dass dessen Geheimdienst schon mal die Taliban (mit)finanziert]. Diese "merchandise" ist, obwohl völlig nutzlos wie wir gerade sahen, doch für simple Gemüter wirklich imponierend. Um ehrlich zu sein: sehr viel imponierender als jene der assyrischen Teglathphalasar, Salmanasar, Sargon und wie sie alle hieβen, die ja schlieβlich weder Raketen noch "think tanks" hatten – jedoch, genau wie Bush/Mister President, "une foi totale dans la vertu souveraine de l'offensive", also "ein totales Vertrauen in die souveräne Macht der Offensive" (ob mit "klassischen" Bodentruppen oder mit "outsourced" – d.h. illegalen – drones-Einsätzen ist hier völlig unerheblich).

Aber wenn die Lektüre Toynbees oder Sorokins jemals auch nur eine einzige Funzel entzündet hat, dann ist es diese: es ist regelmäβig der in erster Instanz als "underdog" Erscheinende der gewinnt. Toynbee macht diese Gesetzmäβigkeit zuerst an dem unscheinbaren, gegen die gepanzerte Riesenechse antretenden pelzigen Säugetierchen fest, das unser entfernter Vorfahr ist; was wir durchaus auch mit "Guderian contra Maginot-Linie" vergleichen dürfen. Sodann am genauso unscheinbaren, von Goliath ausgelachten David. Und zeigt dann die schon fast begeisternde, wirklich "objektiv dialektische" Gesetzmäβigkeit mit der Assyrer, Osmanen, Achemeniden, Mazedonier, Mamelucken, Timuriden, Römer, Inkas, Mongolen, Abbassiden, Preuβen e tutti quanti den Bach runter gingen.

Das jeweilige "Preisschildchen" war –

– nun ja, ein Klacks im Vergleich zu demjenigen, das an Mr. President's "merchandise" klebt. Aber bevor wir das zweite Preisschildchen studieren, muss von all den genannten Debakeln, das assyrische nun doch noch einmal kurz unsere besondere Aufmerksamkeit beanspruchen.

Nicht nur weil es so total war dass Xenophons Zehntausend, nur einige Jahrzehnte später, schon nichts Sicheres mehr über die ehemaligen Einwohner jener mysteriösen riesigen Ruinenstädte erfahren konnten, die sie auf ihrem Marsch zum Pontus durchquerten. Sondern auch weil Assyrien ja eine "Mark" war, deren eigentlicher Auftrag es war, die eigene "Welt", diesesfalls die babylonische, gegen äuβere Feinde zu schützen. Und nur gegen äuβere. Das Verhängnis begann denn auch unter Teglathphalasar III, der, nachdem sämtliche äuβeren Feinde erledigt waren, die geballte assyrische Macht d.h. ihre "technique de guerre d'extermination scientifique" (wissenschaftliche Vernichtungs-Kriegsführungstechnik) nun auch gegen das Innere der – eigentlich zu schützenden – babylonischen Welt richtete. Hier nun zeigt die Genesis dieses Debakels den historischen Präzedenzfall, wie die Menschen eines bestimmten Kulturgebietes gezwungen sind, sich mit äuβeren, im Prinzip feindlichen Mächten zu verbünden. Welche Allianz dann auch das Ende des assyrischen Schreckensregimes bedeutete; und, vor allem: welcher genannte Präzedenzfall schon hier und jetzt als mitbestimmend für die weitere Analyse angekündigt werden kann.

Nun soll man historische Parallelen niemals an Oberflächlichkeiten festmachen, schon allein deshalb weil ja Computer und Flugzeuge doch was ganz anderes sind als Keilschrift und Kamele. Aber: "innere und äuβere Feinde" hat die westliche Welt ja gleichfalls mehr als genug.

Viel mehr kann man hierzu nicht sagen, denn "nichts ist undurchdringlicher für jeden, auch den klügsten Beobachter, als eine sich in voller Entwicklung befindliche Geschichtsphase" (Sir David Kelly). Futurologie als Wissenschaft ist denn auch viel blamabler als seinerzeit die Astrologie. Die einzige Sicherheit die man wirklich immer vor Augen haben muss, ist dass sämtliche "Politiker", Könige, Kurfürstlein, Präsidenten, Diktatoren und sogar Staatsmänner und Feldherren die schon fast begeisternde, wirklich "objektiv dialektische" Gesetzmäβigkeit mit der Assyrer, Inkas, Osmanen usw. den Bach runter gingen immer ignorier(t)en und also früher oder später "voll daneben" lagen (liegen). Die Frage wer diesmal daneben liegen wird ist also, bisher jedenfalls, noch offen. Dies bedeutet zunächst einmal, dass es noch ein zweites "Preisschildchen" geben muss. Welches im Gegensatz zum ersten xx in hohem Maβe "spekulativ" sein muss weil ja sämtliche Rahmenbedingungen unter denen ein "Preis" aufs Schildchen geschrieben werden könnte, bisher in der historisch-politischen Wissenschaft ganz einfach fehlen. Aber "Spekulation ist nicht Willkür der Fiktionen; sie hat ihre eigene Art der Rechtfertigung und ihre spezifische Vorsicht der Anwendung" (Blumenberg). Besagte Rahmenbedingungen werden sich, soweit noch erforderlich – sie sind uns hier ja groβenteils schon deutlich geworden – im Verlauf der nun folgenden Ausführungen von selbst xxi ergeben.

Hier nun das zweite Preisschildchen, das wir mal "RF-Schildchen" nennen wollen. Welches einen vergleichsweise spottbilligen Betrag anzeigen wird. Nicht nur in absoluten Dollar- oder Euro-Zahlen, sondern auch in Menschenleben, wie nach der Analyse von "Bush's/Obama's merchandise" eigentlich schon evident sein müβte. Im Endeffekt:

Keine Opfer + Zerstörungen + Wut mehr in

UDDUPURTU

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