Читать книгу If you believe - Renardo Schlegelmilch - Страница 10
ОглавлениеEin Liebeslied für Vietnam
TITEL:I say a little Prayer – Dionne Warwick
ALBUM:The Windows of the World (1967)
Man stelle sich das mal vor: Mädchen ist in Jungen verliebt. So sehr, dass sie für ihn betet. Konstant. Morgens beim Aufstehen, noch bevor sie ihr Make up auflegt, während sie überlegt, welches Kleid sie anziehen soll, auf dem Weg zur Arbeit und in jeder Kaffeepause: Immer spricht sie ein kleines Gebet. „I say a little Prayer“ wurde 1967 zu einem der ersten großen Hits für die Soul-Diva Dionne Warwick. Die Version, die die meisten im Kopf haben, stammt allerdings von Aretha Franklin und wurde ein Jahr später, 1968, aufgenommen. Beide verbindet diese ungewöhnliche Liebesgeschichte. Eine Geschichte, die noch nicht mal von erwiderter Liebe erzählt. „Warum erhörst du meine Gebete nicht?“ Fragen beide in den letzten Zeilen des Liedes. Wer steckt hinter dem Song? Einer der einflussreichsten Komponisten und Produzenten überhaupt, der maßgeblich für die Musik des 20. Jahrhunderts mit verantwortlich war. Burt Bacharach. Geboren 1928 wurden seine Songs von über 1.000 Künstlern aufgenommen, über 50 Nummer-Eins-Hits kann sein Gesamtwerk aufweisen. Heute würden wir seine Musik wohl am ehesten als „easy listening“ bezeichnen, mit vielen sanften Trompeten, beschwingten Melodien und Anleihen aus der Jazz-Musik. Am ehesten wird das deutlich bei Liedern wie „That’s what Friends are for“ oder „Raindrops keep falling on my head“. Hört man sich das Original von „I say a little Prayer“ an, Dionne Warwicks Version, wird seine musikalische Handschrift auch einiges deutlicher, als bei Aretha Franklins Version, die doch mehr in Richtung Motown geht. Dionne Warwick kann man durchaus als die große Muse für Bacharach bezeichnen, als die beiden einmal begonnen hatten zusammenzuarbeiten, schrieb er seine Lieder in erster Linie nur noch für sie. Die Idee zu „I say a little Prayer“ hatte er gemeinsam mit Texter Hal David. Ein Liebeslied mit solch einem starken Glaubensbezug war auch in den 60ern durchaus unüblich (man denke daran, dass die Beatles erst zwei Jahre vorher gesagt haben, sie und die Popkultur der Jugend, seien populärer als Jesus, siehe dazu das Kapitel zu „Imagine“). Allerdings ist das Gebet im Zentrum des Liedes nicht das einzige, was dieses Lied ungewöhnlich macht: Es geht um eine unerwiderte Liebe. Warum? Warum betet die Sängerin für den jungen Mann Tag für Tag? Weil er im Moment im Krieg ist, in Vietnam genauer gesagt. Das Lied wurde fast zur Hymne für die Frauen und Freundinnen der US-Soldaten, die in dieser Zeit gegen den Vietcong kämpften. In so einer Situation reicht es nicht einfach zu hoffen und zu wünschen, dass der Partner gesund zurück kommt, in dieser Lage spielt auch das Gebet eine große Rolle. Ein Fakt, der sowohl Bacharach beim Schreiben, als auch Warwick beim Singen mehr als bewusst war. Hört man sich das Lied nun unter diesem Aspekt an, und bedenkt man, dass die Dame vielleicht so oft für den Geliebten betet, weil er in einem fernen Land um sein Leben kämpfen muss, dann bekommt das Gebet beim Aufstehen, auf dem Weg zur Arbeit, in der Kaffeepause, und wo es in dem Lied sonst noch besungen wird, noch mal eine viel tiefere Dimension. Das gleiche bei der Frage: „Why won’t you answer my prayer?“ Warum erhörst du meine Gebete nicht.
Noch ein ganz persönlicher Tipp: Die Coverversion der Country-Western Band „The BossHoss“ aus dem Jahr 2006. Ich glaube, die Version ist nicht so ganz ernst gemeint, aber man hat was im Leben verpasst, wenn man nicht mindestens einmal einen Dionne-Warwick-Hit mit Wüstenklängen, Country-Instrumenten und der Zeile „The Moment I wake up, before I pull my jeans up“ gehört hat!