Читать книгу If you believe - Renardo Schlegelmilch - Страница 11
ОглавлениеMit dem Teufel muss man Mitleid haben
TITEL:Sympathy for the Devil – Rolling Stones
ALBUM:Baggers Banquet (1968)
Wenn es ein einziges Lied gibt, das verantwortlich ist für das Klischee, Rockstars würden den Teufel anbeten und Musik aus der Hölle machen, dann ist es wahrscheinlich dieses. Jahrzehnte später scheint das etwas skurril, da das Lied musikalisch und größtenteils auch textlich eher brav daherkommt. 1968 war die Aufregung aber groß. Dank „Sympathy for the Devil“ waren die Rolling Stones auf einmal die ersten „Bad Boys“ der Popmusik, was ganz anderes als die braven Beatles mit ihren Pilzkopf-Frisuren.
Musikalisch versetzen sich die Stones hier in die Person des Teufels, der nicht irgendwo in der Hölle sitzt, sondern mitten unter uns ist. Verantwortlich für all das, was in der Geschichte schiefgelaufen ist. Angefangen hat es mit Jesus, dem er die Zweifel und den Schmerz ins Ohr geflüstert hat. Pontius Pilatus hat er angeraten seine Hände in Unschuld zu waschen. Später begibt er sich nach Russland und bringt den Zar zu Fall – und setzt damit die kommunistische Revolution in Gang. Aufgrund dieser Zeilen wurde das Lied in Hippie-Kreisen übrigens als heimliche Hymne der Konservativen betrachtet, weil der Teufel mit dem Kommunismus gleichgesetzt wird. Später geht der Teufel nach Amerika, bringt Präsident Kennedy und seinen Bruder Robert um. Der Holocaust, der Hundertjährige Krieg und politische Unruhen in Indien. Überall war der besungene Teufel mit im Spiel.
Man könnte das ja ganz einfach abtun als Faszination des Bösen, der Hölle und des Teufels, was alles jeher in Kunst und Kultur eine große Rolle gespielt hat. Denken wir nur an die Höllenvisionen des Hieronymus Bosch. In Wahrheit haben sich Mick Jagger und Keith Richards aber tatsächlich einiges an Gedanken gemacht. Keith hat mal in einem Interview gesagt, man müsse dem Teufel ins Gesicht schauen, auch wenn man das Böse in der Welt nur zu gerne ignorieren würde. Das Lied ist während des Vietnam-Krieges entstanden. Das erste Mal nach Ende des Zweiten Weltkrieges hatte die Jugend das Gefühl, dass die Zukunft eben nicht nur aus Wohlstand, Fortschritt und Frieden bestehen könnte. Und dafür muss jemand verantwortlich gemacht werden. „Die Menschen versuchen das Böse zu verdrängen und hoffen, dass sich das Thema von alleine erledigt. Dass es seine ekelige Fratze nicht zeigen wird. An so Momenten wie dem 11. September 2001 merken wir aber, dass dem nicht so ist.“ sagt der Gitarrist der Rolling Stones. Er sei dem Teufel auf diese Art schon oft begegnet, so Keith Richards im Jahr 2005 und führt fort: „Wir können uns vor dem Bösen nicht verstecken, also sollten wir akzeptieren, dass es in der Welt existiert. Wenn wir dem Teufel bewusst ins Gesicht schauen, dann ist er arbeitslos.“
Auch wenn die Stones selber das Lied mit einem Augenzwinkern geschrieben haben, gibt es einige Fans, die das leider einiges ernster genommen haben. 1969 wurde ein Stones-Fan während eines Konzerts in der Masse niedergestochen und erlag seinen Verletzungen. Mehrere Jahre hat die Band das Lied daraufhin nicht mehr in Konzerten gespielt.
Zu den Kriegen und Katastrophen im Text kann übrigens noch eins hinzugefügt werden, das Ende der Rock n Roll-Band Guns n’ Roses. Die Herren um Axl Rose haben für den Soundtrack zum Film „Interview mit einem Vampir“ eine Cover-Version von „Sympathy for the Devil“ aufgenommen. Das war das letzte Lied, das die Band gemeinsam produziert hat, bevor sie sich für mehr als zehn Jahre auflöste.
Eine moderne Version des Liedes und der Thematik kommt übrigens vom eingefleischten Rolling-Stones-Fan Wolfgang Niedecken und seiner Kölschrock-Band BAP: Auf dem Album „Halv su wild“ von 2011 findet sich das Lied „Enn Dreidüüvelsname“, Hochdeutsch „In drei Teufels Namen“. Auch hier geht’s um den Mann, der immer wieder in der Geschichte seine Finger im Spiel hat („War Folterknecht bei der Inquisition, saß als Diktator auf so manchem Thron“), hier geht es aber auch noch mehr in die aktuelle Geschichte des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Er hat die „Flieger in die Türme gelenkt, und Giftmüll Gott weiß wo im Meer versenkt“, hat „In Srebrenica massakriert“ und nebenher auch „die Wall Street und den Vatikan regiert.“
Am Ende ist das ganze Lied aber kein düsteres Höllenbild, sondern ein Aufruf an jeden einzelnen, dem Bösen, dem wir jeden Tag im Kleinen begegnen, die Stirn zu bieten. Wie Mick Jagger es sagt, geht es nicht um Satanismus oder Okkultismus, sondern um die dunkle Seite in jedem einzelnen von uns.