Читать книгу Überlast und Kernschmelze - Renate Amelung - Страница 11
War er denn so abgestürzt?
ОглавлениеIn Bernd Steiners Schädel befand sich ein Truppenübungsplatz, man übte den Gleichschritt. So sehr er sich anstrengte, er wusste nicht wie und wo der Tag gestern geendet hatte. Golfplatz, war das Letzte was noch vorhanden war. Er kroch aus dem Bett in dem eine Frau lag deren Namen er nicht kannte raffte schnell seine Kleidung zusammen und schlich über den Flur in die Tiefgarage. Hier im Neusser Swisshotel war er anonym. Trotzdem führte man ihn hier als Stammgast mit aller Diskretion. Es ist keine Premiere, dass er mit dickem Schädel und Gedächtnislücken hier wach wurde, aber heute hatte es ihn besonders schwer erwischt. Verdammt er hatte sein Handy verlegt, oder doch verloren?
Er fuhr in die Aurinstraße nach Hause in Neuss wo er mit seiner Frau und den zwei Kindern ein kleines altes Einfamilienhaus bewohnte. Er sah auf die Uhr. Die Zeit würde gerade reichen, bevor Beate wieder nach Hause kam. Jeden Morgen brachte sie erst die Kinder in die Schule und fuhr dann zur Konrad-Adenauer-Ring ins Einkaufszentrum und gab sein Geld aus. Eine Begegnung mit ihr am Morgen würde wieder eine endlose Diskussion auslösen. Und im gingen langsam die Argumente aus, zugegeben Ausreden. Die letzte die er sich zusammengereimt hatte war schon Haare sträubend. Anstrengende Sitzung über das Anschlussprojekt U-Bahn nach Oberkassel mit Rheinunterquerung. Das ermöglichte ihm einige Sitzungen vorzutäuschen, nur leider hatte er vergessen, dass solche Sitzungen in die Presse gehen, Bürger zu Wort kommen, Pläne ausliegen. Er musste eine andere Lösung haben und das Projekt verschwinden lassen.
Er hatte es demnach sehr eilig um ins Büro nach Düsseldorf zu kommen. Es war knapp, er bog nach links ab Richtung Norden als er den Wagen seiner Frau rechts um die Ecke biegen sah.
Sie hatten ein Abkommen, unausgesprochen, aber jeder von beiden hielt daran fest. Seine Frau Haus und Kinder und er Job und alle Freiheiten, solange die Kasse stimmte.
Sie hatten Ziele, sie Kinder mit Abitur die studieren können. Leider waren die auch nicht schlauer als er, der sein Abi gerade schaffte und so verschlangen sie Unsummen von Nachhilfestunden. Seine Zukunft war der Sitzwechsel vom Bürgermeister zum Oberbürgermeisters. Kurz er fand sie führten eine richtig gute Ehe.
Auf der Münsterstraße stellte er den Wagen ab und lief mit gebremsten Elan, dank Kopfschmerzen die Treppe hoch, verschwand an Frau Sommer vorbei im Büro. Warf zwei Aspirin in ein Glaswasser und stürzte es in die Kehle. Dann schrillte das Telefon verdammt laut.
„An welches Haus hast du gedacht?“, fragte Günter Stehn vom Bauamt. Der Ton gefiel Bernd gar nicht.
„Wie, was für ein Haus?“
Eine lange Pause entstand.
„Das Haus was du dem Senioren Verein zugesprochen hast.“
„Ich?“
„Ja du, liegt zumindest so auf meinem Schreibtisch, ist Gestern per Mail gekommen.“
„Ach, das vergiss es. Das war nur so ein Gedanke.“
Die Leitung schien wieder ein paar Minuten zu knistern.
„Bernd, versteh mich nicht falsch, aber deine Zusage steht schon in allen Zeitungen und soweit ich weiß ist unser Freund Uwe von Antenne Düsseldorf auch schon unterwegs zu dir.“
„Hmm…,“ Verdammt war das ein Filmriss! „Und da kann man nichts machen?“
„Nichts, drei Tausend bis fünf Tausend Quadratmeter, nicht gerade wenig. Mach kein Tamtam, denk an die Wahlen. Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus. Und tröste dich, es geht nur um das Gebäude, wie das im Zustand ist das ist egal.“
„Wat ne Drieß. Was haben wir den so rumstehen? Halt, haben wir was mit Denkmalschutz?“
„Denkmalschutz? Warum?“
„Da können die Alten sich die Zähne dran ausbeißen, wenn die noch welche haben. Die werden das schon bereuen, dass sie mir das abgeschwatzt haben.“ Bernd legte auf. Zu seinem Erstaunen lagen die Verträge auch auf seinem Schreibtisch und er hatte sie tatsächlich unterschrieben.
Er starrte auf die Unterlagen. Wann hatte er nur die verfluchten Papiere unterzeichnet? Hunderttausend Euro aus seinem Privatvermögen noch dazu, als großzügige Spende. Dabei konnte er noch von Glück reden, denn wenn er dem Kämmerer aus der Stadt in die Tasche gegriffen hätte wäre seine Karriere beendet gewesen. Verflixter Alkohol. Hunderttausend für die Sanierung einer Stadtvilla. Er fasste sich an die Stirn als würde das seine Erinnerung einschalten. Bei dieser dämlichen Vernissage kann es nicht gewesen sein, denn er ging nüchtern, also, dass was er darunter verstand. Wo war er dann noch gelandet? Am Sonntag Chinese mit der Familie. Montag war Ratssitzung, da hielt er sich bewusst zurück. Politik verträgt kein Alkohol. Gestern, das war noch immer ein tiefes schwarzes Loch. Und verdammt wo war eigentlich sein Handy? Er musste sich rasch noch etwas Text zurechtlegen, denn wenn Uwe als Reporter hier auftauchte war er unerbittlich. Wie konnte er so leichtsinnig sein und sein Schwarzgeld einsetzen? Bernd schwor sich nie wieder einen Tropfen Alkohol anzurühren.
Frau Sommer klopfte. Bernd kontrollierte rasch sein Aussehen im Spiegel und bat sie herein.
„Herr Steiner, Ihr Handy.“ Sie legte das Telefon auf den Tisch.
„Woher haben Sie das?“
„Es lag im Briefkasten, Sie müssen es direkt vor der Tür verloren haben.“
„Hm…“
Und vor der Tür steht ein Reporter, freier Mitarbeiter der Printmedien.“
Nicht Uwe von Antenne? „Kann warten!“
Bernd verließ das Haus über den Hinterhof und fuhr zum Marktplatz in sein Büro, das ihm als Bürgermeister zur Verfügung stand. Im Eingangsbereich herrscht reges Treiben, so konnte er sich unbemerkt in sein Amtszimmer schleichen. Er griff sofort zum Telefon und rief Günter Stehn an. „Und hast du schon was gefunden was wir der Rentnergang anbieten können?“
„Klar doch, kennst mich doch ich bin schnell. Was hältst du von Breuniger?“ Günter genoss ein wenig die knisternde Stille. „Breuniger geht raus, der Laden läuft nicht. Ist doch ein schönes großes Objekt, Rolltreppen sind drin…“
„Willst du mich veruuze!“ brüllte Bernd ins Telefon.
„Okay, ich hab da noch ein Altbau in Eller. Die Frau ist verstorben und hat uns das Haus überlassen. Total verschimmelt, wir haben das schon alles mit billigen Mitteln herrichten lassen um es teuer zu verkaufen und das schönste ist, in fünf Jahren wollen die da das Einkaufscentrum bauen, die Enteignungspläne sind schon in der Mache.“
„Jetzt red nich son Tinnef. Ich brauch was, was gut ist aber nix kostet. Die Sache bringt mir Sympathie Punkte für die Wahlen. Da muss ich dranbleiben.“
„Im Ernst?“
„So was von!“ Eine Vision stieg in ihm auf, das war genau das Projekt in das er sich reinkniete, also so würde er es seiner Frau verkaufen und Wählerstimmen brachte es sicher.