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|7|Vorwort

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„Womit beginnen? Am Anfang ist Dunkelheit.

Aus der Dunkelheit wächst die Legende.“

Klaus Mann – Kind dieser Zeit

Mephisto gibt keine Ruhe. Das gilt für Goethes Teufel, es gilt für den gleichnamigen Roman von Klaus Mann und die Paraderolle von Gustaf Gründgens, es gilt für die Verfilmung von Istvań Szabó mit Klaus Maria Brandauer oder das Theaterstück von Adrienne Mnouchkine.

Aus dem Leben von Klaus Mann und Gustaf Gründgens ist er nicht wegzudenken: Goethes gefallener Engel. Beim Versuch, einer Legende Wirklichkeit entgegenzuhalten, siegt oft die Legende. Damit es nicht so bleibt, geht es immer wieder um neue Erkenntnisse – über zwei Künstler sowie einen bis heute umstrittenen, dazu verbotenen Roman: Mephisto.

Nach der grundlegenden Dokumentation von Eberhard Spangenberg hat sich die Brisanz des Themas durch die Herausgabe von Klaus Manns Tagebüchern (Joachim Heimannsberg, Peter Laemmle, Wilfried F. Schoeller), seinen Briefen (Martin Gregor-Dellin), seinen Aufsätzen, Reden, Kritiken und Theaterstücken (Uwe Naumann und Michael Töteberg) sowie Neuauflagen seiner Romane, durch Ausstellungen und Publikationen von Uwe Naumann, Dagmar Walach, Erika Fischer-Lichte, Michael Matzigkeit, Winrich Meiszies, Veit J. Schmidinger, Axel Plathe, Peter Michalzik, vor allem in den verdienstvollen Biografien von Nicole Schaenzler, Thomas Blubacher und Tilmann Lahme gezeigt. Jürgen Oelkers und Peter Dudek haben Material zu den dunklen Seiten der Reformpädagogik |8|an Landschulheimen wie der Odenwaldschule bereitgestellt, Holger Hof hat dargelegt, was es bedeutet, ein Mann ohne Gedächtnis zu sein, Andreas Weigelt dokumentierte die Zustände im sowjetischen Straflager Jamlitz. Carl Zuckmayers Geheimreport, für den er Anfang der 1940er Jahre im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes Dossiers über Deutsche anfertigte, die in den 1920er und 1930er Jahren eine Rolle im kulturellen Leben gespielt hatten, wurde von Gunther Nickel und Johanna Schrön herausgegeben – hinzu kamen Informationen über kürzlich freigegebene Dokumente des FBI zur Überwachung der Familie Mann im amerikanischen Exil, die Alexander Stephan, Andrea Weiss und Hans Rudolf Vaget zu danken sind.

Im Mittelpunkt steht der Aufstieg eines Schauspielers und eines Schriftstellers im Spannungsfeld von Kreativität und Macht der 1920/30er Jahre, das Zerbrechen einer Freundschaft, die Unfähigkeit zu verzeihen sowie die Frage, warum das Ensemble von Personen in Klaus Manns Mephisto nicht nur Faszination und Empörung ausgelöst, sondern zu einem der wichtigsten, auf künstlerische Fragen bezogenen Prozesse der Bundesrepublik geführt hat.

Gustaf Gründgens und Klaus Mann verband die Liebe zum Theater. Der eine schuf sich als Intendant unter den Augen der NS-Regierung Freiräume, der andere wirkte als Schriftsteller im Exil. Beide träumten schon in jungen Jahren vom Ruhm, erwiesen sich als talentiert, leistungsstark und großer Hingabe fähig. Während Gründgens daran lag, eine bedeutende Tradition ins Heute zu führen, wollte Klaus Mann stets von morgen sein. Während Klaus Mann alle Mittel und Möglichkeiten eines Intellektuellen nutzte, um gegen die Diktatur vorzugehen, machte Gustaf Gründgens sich als Theatermann unentbehrlich, ohne die Distanz zur NS-Ideologie aufzugeben, ohne nachzulassen, sobald es um die Rettung gefährdeter Menschen ging.

Der eine nahm im Ausland eine kritische Haltung ein, der andere stand in Deutschland mit einem Bein im KZ und lief Gefahr, sich |9|zu diskreditieren, diffamiert oder missverstanden zu werden. Für den Exilschriftsteller war es ein Schreiten über fremdem Boden – für den in Deutschland verbliebenen Generalintendanten des Preußischen Staatstheaters ein „Tanz auf dem Vulkan“.

Karrieren entstehen nicht in einem Vakuum. Auch in der von Machtinteressen durchdrungenen Gesellschaft der 1930er Jahre haben sie Namen und Adresse. Wer konnte sich im Schlagschatten des NS-Systems halten? Was war der Preis? Wo lag die Grenze der Verantwortlichkeit? Im Gefolge solcher Überlegungen entstehen Mythen der Legitimation – faszinierend, doch nicht ohne Weiteres auflösbar. Wer danach fragt, hat schon etwas falsch gemacht.

Deshalb wird es darum gehen, was Gustaf Gründgens und Klaus Mann zusammenführte, was sie verband und schließlich trennte, warum beide im Bewusstsein des jeweils anderen fortlebten bis zum Tod und darüber hinaus.

Renate Berger Berlin, im Januar 2016

Tanz auf dem Vulkan

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