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Kapitel 6

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Schroeder keuchte. Seit fast einer Dreiviertelstunde krochen sie durch den Klimaschacht. Die Idee von Fritsche hatte sich bewährt. Sie hatten wirklich Biomaterial gefunden und folgten nun dieser Spur. Ohne die Scanner hätten sie den Weg von Allysia Lehmann nie gefunden, denn es ging kreuz und quer durch die stählernen Eingeweide des Turmes, eine Kreuzung auf die andere. Plötzlich hörte die Spur auf. Sie krabbelten ein Stück zurück, um sie wiederzufinden, aber vergebens. Jetzt gab es nur noch zwei Blindschächte hier und einen, den ein Ventilatorrad verschloss, welches auch noch vergittert war.

„Ende, Fritsche! Hier haben wir wohl die Spur verloren. Aber du hast doch alles auf der Karte markiert!?“

„Jo, Chef. Hab unseren Weg eingetragen, wir können ihn jederzeit wieder gehen.“

„Okay, dann mach mal am Ende der Spur eine Markierung, damit wir wissen, wie weit wir waren.“

Fritsche zog eine Dose Farbe aus seiner Overalltasche und sprühte ein kleines X auf den Boden. Dann steckte er die Dose zurück an seinen Oberschenkel.

„Fertig!“

„Dann lass uns zurückkriechen, es warten noch drei Wanderungen auf uns.“

Sie machten sich auf den Rückweg, um sich den Klimaschacht in der Wäscherei anzusehen.

Zielstrebig gingen sie auf die Mangel zu und stiegen in den Schacht dahinter ein, setzten die Scanner in Betrieb, suchten nach menschlicher DNS und folgten durch die Gänge dieser Spur. Wieder ging es kreuz und quer durch das Klimasystem und wieder brach die Spur von Martha Blumenzweig plötzlich ab. Sie suchten auch hier die umliegenden Abzweigungen ab, aber die Suche lief ins Leere – die Spur hörte einfach auf.

„Das gibt es doch gar nicht, schon wieder Ende“, Orion schüttelte ungläubig den Kopf. „Hier ist doch etwas faul! Ich bin gespannt, ob das in den beiden letzten Gängen auch so ist. Du hast den Weg aufgezeichnet, Fritsche?“

„Ja, hab ich.“

„Okay, dann lass uns hoch in die Generatorhalle fahren und dort nach der Spur von Melany Mandel suchen!“

Orion und Hyroniemus begaben sich zum Fahrstuhl, fuhren bis ganz nach oben und wechselten in den Wartungsaufzug. In der Halle mit den Stromgeneratoren begaben sie sich zur Lüftungsklappe, an der man die Werkzeugkiste von Melany Mandel gefunden hatte. Sie stiegen in den Schacht und verfolgten die Spur über eine Stunde. Dann hörte sie einfach auf und mögliche Wege endeten in Sackgassen oder vor riesigen vergitterten Ventilatoren. Frustriert verließen Schroeder und Fritsche den Schacht und begaben sich in den Duschraum des Sportcenters.

Über zwei Stunden später saßen sie niedergeschlagen in Schroeders Büro. Wie nicht anders zu erwarten gewesen, hatte sich auch die letzte Suche als ein Schlag ins Wasser herausgestellt.

„Fritsche, die ganze Sache stinkt zum Himmel. Jetzt haben wir endlich etwas gefunden, um die Verschwundenen ausfindig zu machen, wissen sogar, dass sie irgendwie in die Klimaanlage gekommen sind, und dann verliert sich bei allen Vieren einfach so die Spur. – Wir übersehen etwas! Du hast doch unsere Wege aufgezeichnet und die Punkte markiert, an denen die Spuren endeten?“

„Ja, hab ich alles gemacht, Chef!“

„Dann setz dich mal an den Computer und trage unsere Wege und die Markierungen in den Bauplan des Turmes ein, mal sehen, ob uns das etwas weiter bringt.“

Fritsche nahm vor dem Computer Platz und sendete die Daten der Wege durch die Klimaschächte von der ID-Marke in den Bauplan des Turmes. Dann betrachteten die Zwei diese Muster. Die Wege, die sie gegangen oder besser gekrochen waren, verliefen an völlig verschiedenen Orten des Turmes. Sie berührten oder kreuzten sich nicht. Die Orte, an denen die Vier verschwunden waren, lagen weit voneinander entfernt.

„Fritsche, so kommen wir nicht weiter. Irgendwas muss doch korrelieren, die kriechen doch nicht freiwillig in die Klimaschächte, um gemeinsam an verschiedenen Orten spurlos zu verschwinden. Man löst sich doch nicht einfach in Luft auf, oder?“

„Stimmt, Chef! Warum verschwinden vier völlig verschiedenartige Personen fast zur gleichen Zeit durch die Klimaanlage des Turmes und verwandeln sich alle vier in Nichts? Ich muss mir das noch mal genauer anschauen, vielleicht gibt es doch etwas Gemeinsames.“

Zusammen sahen sie sich erneut das Modell des Turmes mit ihren zurückgelegten Wegen an. Minutenlang saßen sie vor dem Bildschirm und grübelten. Die Zeit verging, ohne dass einer der beiden etwas sagte. Plötzlich schrie Orion laut auf.

„Hah, Fritsche, das ist es. Sieh dir mal die vier Markierungen an, an denen die Spuren endeten.“

„Ja, aber die sind doch weit auseinander?“

„Fritsche, du schaust in die Horizontale und da ist nichts. Aber wenn du dir die Vertikale anschaust, was siehst du dann?“

„Verdammt noch mal, du hast recht, Chef! Wenn man es sich aus dieser Perspektive anschaut, sieht man, dass die vier Endpunkte fast auf einer senkrechten Linie liegen. Aber was soll das denn bitteschön bedeuten? Es ging doch gar kein Weg nach unten, das hätten wir doch gesehen. Man konnte doch nur waagerecht weitergehen, doch da gab es keine Spuren.“

„Das stimmt. Aber es ist unsere einzige Möglichkeit. Es muss einen Weg senkrecht nach oben oder unten geben, nur haben wir ihn nicht gesehen, vielleicht ist er versteckt. Im Bauplan ist jedenfalls kein senkrechter Schacht verzeichnet. Ich glaube, wir sollten uns morgen noch mal ins Klimasystem begeben und uns die Sache gründlich anschauen. Also dann, bis morgen früh.“

Fritsche und Orion verließen das Büro und begaben sich zu ihrem wohlverdienten Feierabend.

Mal schauen, was der morgige Tag für Überraschungen bringt, lächelte Schroeder gedankenverloren.

Zwischenspiel

Ein Erdbeben rumorte in ihrem Unterleib. Etwas hämmerte voller Macht in ihr herum, quetschte ihre Organe zusammen, dass ihr der Schmerz fast die Besinnung raubte.

Besinnung? Besinnung – ich kann denken!

Doch Martha wusste absolut nicht, wo sie war, was war und was, verflixt noch mal, ihren Unterleib zertrümmerte. Sie war in der Wäscherei gewesen, an der Mangel – dann war da ein … Tier gewesen? In der Klimaanlage! Dann war die Dunkelheit hereingebrochen. Sie hatte keine Ahnung, was hier eigentlich lief und was überhaupt los war. Schon allein dass sie nichts sehen konnte, beunruhigte sie extrem. Schlimmer war aber, dass sie sich nicht bewegen konnte, da sie wohl festgebunden war. Am allerschlimmsten war der Schmerz in ihr.

Sie versuchte sich aufzurichten, aber es gelang ihr nicht. Sie wollte ihren Kopf drehen, aber auch der schien fixiert.

Mein Gott, was passiert mit mir?, dachte sie, als ein Flüstern an ihre Ohren drang. Ein Flüstern ohne Worte und ohne Sinn.

Wer ist das? Ist der verantwortlich für meine Qual?

Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gebracht, als glühender Schmerz in ihren Bauch fuhr, dass sie glaubte, aufzuplatzen zu müssen wie eine überreife Melone. Das Flüstern steigerte sich und klang verstörender als zuvor. Glühendheiß floss etwas in ihre Hand und schwappte über in ihren gesamten Körper. Dichter Nebel verbarg ihre Wahrnehmungen und ihre Gedanken wurden langsamer, flossen wie in Zeitlupe dahin. Langsamer und langsamer. Bis ihr Geist zurückfloss in den Strom der Dunkelheit, in dem sie seit Monaten schwamm.

Schroeders Turm

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