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Die Kaiserwahl
ОглавлениеKurz nach Luthers Unterredung mit Miltitz starb Maximilian I., einen Tag, nachdem die Leipziger Disputation eröffnet wurde, fand die Wahl des neuen Kaisers statt. Dies halbe Jahr war voll unruhiger Bewegung, denn die Bewerber um die Krone waren so beschaffen, daß ein ungewöhnlicher heftiger Wahlkampf zu erwarten und der Ausgang ungewiß war. Auf den bedeutendsten Thronen des Abendlandes saßen damals drei junge Fürsten, die miteinander wetteiferten: Karl, der Enkel Maximilians, Franz I. von Frankreich und Heinrich VIII. von England, von denen Karl mit 19 Jahren der jüngste war. Heinrich VIII. hätte wenig Anlaß gehabt, sich um die Kaiserkrone zu bemühen, wenn nicht Maximilian einige Jahre vor seinem Tode eine seine wunderlichen diplomatischen Schiebungen angestellt hätte, indem er Heinrich vorschlug, er wolle ihn als Sohn annehmen und zu seinem Nachfolger machen, ein skurriler Einfall, bei dem es dem Kaiser vermutlich auf englische Subsidien zu seinen Kriegen ankam. Heinrich hatte ein Gefühl von der Aussichtslosigkeit seiner Sache und hielt sich zuwartend im Hintergrunde, Franz I. hingegen, von Natur unternehmend und ruhmbegierig, fühlte sich als Vertreter der eifersüchtigen Ansprüche, die Frankreich seit Jahrhunderten auf das Kaisertum erhob, und verfocht daneben ein wirkliches Interesse Frankreichs, das nämlich, Österreich nicht allzu mächtig werden zu lassen. Karl hatte 1514 die Regierung seines burgundischen Erbes angetreten, 1516, nach dem Tode seines Großvaters Ferdinand, die Regierung Spaniens, womit das neuentdeckte Goldland jenseits des Ozeans zusammenhing, durch den Tod Maximilians war er in den Besitz Österreichs gekommen mit der Aussicht auf Böhmen und Ungarn. Der Inhaber einer so ungeheuren Macht sollte nicht noch dazu durch die Kaiserkrone über das Reich verfügen und, schlimmer als das, die alten Rechtstitel des Reiches auf Italien geltend machen können. Franz hatte den festen Willen, diese Krone zu erringen, sei es durch Geld, List oder Gewalt. Karl, als der eigentliche berechtigte Erbe und weil es seinem Stolz entsprach, war gelassener: ihm gehörte die Krone selbstverständlich. Als mögliche Anwärter kamen noch in Betracht Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, und Ferdinand, Karls jüngerer Bruder.
Stand der gerade Weg der Erbfolge Franz I. nicht offen, so bahnte er sich doch früh schon Schleichwege ins Reich. Als im Jahre 1517 die etwaige Nachfolge des Kaisers verhandelt zu werden begann, waren ihm bereits die meisten Stimmen sicher. Trier und Brandenburg waren durch und durch französisch, Pfalz war, seit Maximilian im pfälzischen Kriege ein Stück der Pfalz für sich behalten hatte, Habsburg feindlich. Von den nicht kurfürstlichen Ländern war Bayern aus demselben Grunde wie Pfalz und aus alter Eifersucht gegen Habsburg, und auch im Norden hatte Frankreich treue Anhänger. Gelang es Franz noch Mainz zu gewinnen, was leicht möglich schien, da der Erzbischof Albrecht Bruder Joachims I. von Brandenburg und durch diesen zu beeinflussen war, so konnte er auf Erfolg rechnen. Ein bedeutendes Übergewicht verschaffte ihm, daß er über große Geldmittel verfügte. Er war der reiche Mann, der die armen und geldgierigen deutschen Fürsten kaufen konnte, und war entschlossen, es zu tun. Allmählich indessen begann auch Maximilian sich zugunsten seines Enkels zu rühren. Ihm fehlten die Mittel, das Unternehmen zu finanzieren; aber Karl, der Herr der reichen niederländischen Städte, konnte schon etwas aufbringen. Als Wirtschafter aber glich Karl nicht seinem väterlichen Großvater Maximilian, dem das Geld durch die offenen Hände rann, sondern seinem mütterlichen Großvater, dem sparsamen Ferdinand von Spanien. Mit 100 000 Goldgulden dachte er das Wahlgeschäft erledigen zu können. Maximilian kannte die deutschen Fürsten besser. Hunderttausend Goldgulden! Allein 80 000 müsse man Pfalz bieten, um ihn wegen des verlorenen Hagenau zu begütigen.
Auf dem Reichstage zu Augsburg, demselben, der in betreff des Türkenzehnten so unglücklich für Maximilian verlief, errang er durch reichliche Geldversprechungen, Entgegenkommen aller Art und auch durch seine Liebenswürdigkeit große Erfolge in der Wahlsache. Dank des jungen Pfalzgrafen Friedrich, der persönlich dem Habsburgzauber erlegen war, gewann er dessen Bruder, den Kurfürsten von der Pfalz. Albrecht von Mainz gab nach, als Maximilian ihm den Kardinalshut verschaffte und ihn dazu noch mit vielen Tausenden von Goldgulden und hübschen Geschenken überhäufte. Die schriftlichen Wahlversprechen, die vorher Franz I. gegeben waren, bildeten kein Hindernis. Trier allerdings blieb fest bei Frankreich; dafür glaubte Maximilian in bezug auf Sachsen gute Aussichten zu haben. Sein Verhältnis zu Friedrich dem Weisen, seinem Gegner in der Sache des Reichsregiments, war dadurch noch verschlechtert, daß er Sachsen den Anspruch auf Jülich-Berg und damit einen ansehnlichen Machtzuwachs aberkannt hatte; das konnte jedoch bei einem Herrn seines Charakters nicht den Ausschlag geben. Zwar hielt der Kurfürst an seinem Grundsatz, der Goldenen Bulle gemäß ungebunden zu bleiben, mit dem er die französischen Bestechungsversuche abgelehnt hatte, auch Maximilian gegenüber fest; aber dieser hatte doch den Eindruck, daß seine Herzlichkeit nicht wirkungslos geblieben sei. Jedenfalls, glaubte Maximilian, werde er nicht für Frankreich stimmen. Bei Brandenburg handelte es sich darum, Frankreich zu überbieten. Der Markgraf kostet viel, schrieb der Kaiser nach Brüssel; aber da man die Kosten nicht scheute, kam der Abschluß zustande.
Nach dem Tode Maximilians änderte sich alles. Der Kaiser war noch nicht 60 Jahre alt und hatte rüstig geschienen: man hatte die Wahlverhandlungen mehr wie ein vorläufiges diplomatisches Geplänkel betrieben. Nun war es Ernst geworden, folgenschwere Entschlüsse mußten gefaßt werden. Franz I. erneuerte seine Bestechungskünste und hatte wiederum Erfolg, obwohl durch die inzwischen gelungene Überbietung Maximilians die Ansprüche hinaufgetrieben waren. Albrecht von Mainz verlangte außer hohen Geldsummen, nachdem er durch Maximilians Vermittlung Kardinal geworden war, nun durch Franzens Verwendung immerwährender Legat des Papstes zu werden. Was Joachim I. an Geld forderte, war so übertrieben, daß der französische Gesandte sich entrüstete; aber Franz sagte unerschrocken, der Markgraf solle in jeder Hinsicht gesättigt werden. Vergebens bemühte sich der König um Friedrich den Weisen, vergebens um Sickingen. Dieser hatte, als Maximilian noch lebte, in französischem Dienst gestanden; aber als Franz I. ihm die Pension entzog, ihn überhaupt nicht mit der Rücksicht und Hochschätzung behandelte, die der angesehene Ritter und Truppenführer beanspruchte, löste er das Verhältnis und ließ sich nun nicht wieder gewinnen. Noch verhängnisvoller war es für den König, daß es ihm nicht gelang, den mächtigen Fugger auf seine Seite zu ziehen. Wie hätte er auch diesen Fürsten des Geldes bestechen können? Jakob Fugger hatte schon mit Maximilian Geschäfte gemacht, war durch die Ausbeutung der Tiroler Bergwerke mit den Habsburgern verbunden und stellte jetzt seine unerschöpflichen Mittel zu ihrer Verfügung.
Je näher der Termin der Wahl heranrückte, desto emsiger wurden die diplomatischen Fäden gesponnen. An den kurfürstlichen Höfen, am päpstlichen Hofe, in der Schweiz handelten und feilschten die französischen und die niederländisch-österreichischen Geschäftsträger und priesen ihre Gebieter an. Bald wurde Franzens schrankenlose Königsmacht in Frankreich hervorgehoben, bald daß er sich wenig in Deutschland werde aufhalten können, also den Fürsten nicht dreinreden werde. Da von mancher Seite betont wurde, der Kaiser müsse ein Deutscher sein, auch angenommen wurde, das stehe in der Goldenen Bulle, wurde es auf einmal ein Ruhmestitel, ein Deutscher zu sein. Sowohl Franz I. wie Heinrich VIII. wiesen auf ihr deutsches Blut hin, ohne freilich es hierin Karl gleichtun zu können, dessen Großvater Maximilian trotz seiner portugiesischen Mutter allgemein als Deutscher galt. Ebenso schwer zu ergründen wie der Kurfürst von Sachsen war, wenn auch aus anderen Gründen, der Papst. Die an vielverschlungene Politik gewöhnten Diplomaten rätselten doch vergeblich an den Gaukelkünsten der Kurie. Karl war dem Papst mehr als ohnehin zuwider, seit er durch Beerbung seines spanischen Großvaters König von Neapel geworden war. Seit Jahrhunderten war es päpstlicher Grundsatz, nicht zu leiden, daß Neapel in die Hände des Kaisers komme. Da Karl den ihm zugemuteten Verzicht auf Neapel entschieden ablehnte, konnte man annehmen, daß Leo X. seine Wahl bekämpfen werde. Indessen, wenn er auch weitgehend mit Frankreich sich einließ, so machte er doch auch Karl Hoffnungen, die sogar ehrlich gemeint schienen. Nicht unwichtig für die österreichische Sache war es, daß die schweizerische Tagsatzung sich einmütig, wenn auch nicht für Karl, so doch gegen Franz erklärte. Es ist begreiflich, daß die Eidgenossen, die sich daran gewöhnt hatten, Frankreich gegen Österreich auszuspielen, den französischen König nicht auf dem Kaiserthron sehen wollten. So nützlich ihnen der mächtige und reiche französische König war, so gefährlich wäre er ihnen geworden, wenn er mit diesen Mitteln kaiserliche Ansprüche hätte geltend machen können. Einige Kantone waren sogar bereit, sich für Karl einzusetzen; wurden sie auch überstimmt, so vereinigten sich doch alle gegen Franz. Indem sie betonten, Glieder des Römischen Reiches zu sein, von dem sie sich nie getrennt hätten, wie sie ja auch den Reichsadler in ihren Wappenschildern führten, schrieben sie den Kurfürsten, sie wollten nicht, daß Franz gewählt werde. Das Kaisertum sei seit 600 Jahren bei den Deutschen und müsse bei ihnen bleiben. Diese Stellungnahme der kriegstüchtigen Schweizer war nicht zu unterschätzen; sah es doch so aus, als sollten die Waffen den Streit entscheiden. Franz I. zog Truppen zusammen und ließ sich vernehmen, er werde sich, wenn nötig, die Krone mit Gewalt holen; da rüstete auch Österreich.
Als die Kurfürsten im Frühling in Oberwesel zusammenkamen, um Vorberatungen abzuhalten, waren sie immer noch umschwärmt und bedrängt von den Gesandten der Bewerber. Trier und Brandenburg standen unentwegt bei Frankreich; trotzdem waren die Aussichten günstiger für Karl geworden. Zum Teil kam das daher, daß das deutsche Volk, das zwar keine Stimme bei der Wahl hatte, aber doch ein Wille und eine Macht war, Frankreich ablehnte, einen deutschen Kaiser forderte. Solange ein Volk furchtlos und waffengeübt ist, kann es seinen Willen oft besser unmittelbar als durch gewählte Vertreter kundtun. Die Grafen und Herren am Rhein, die Städte, die unter den Gebildeten einflußreiche Schar der Humanisten wollten von Frankreich nichts wissen, übertrugen ihre Zuneigung für Maximilian auf dessen Enkel. Es war doch wohl Hohn und Warnung, wenn der Humanist Gebwiler schrieb: »Wer könnte so beschränkten Geistes und so arm an Einsicht sein, daß er glaubte, die erlauchten und hochedlen Kurfürsten des deutschen Reiches, die doch über solche, die Gold besitzen, herrschen, nicht aber selbst Gold zusammenscharren wollen, und die glühen für Deutschlands Freiheit, diese Fürsten besäßen eine solche Schamlosigkeit, eine solche Verwegenheit, eine solche Unbedachtsamkeit, daß sie, durch Versprechungen, Geld oder Gunst bestochen, und uneingedenk ihres heiligen Treueides, durch ihre Stimmen einen Franzosen auf den Kaiserthron erheben wollten!« So allgemein und dringend wurden solche Stimmen laut, daß die französischen Gesandten sich nicht mehr öffentlich zu zeigen, daß die französisch gesinnten Kurfürsten sie nur noch heimlich zu empfangen wagten. Durch eine hohe Pension hatte Karl im April Sickingen an sich gefesselt, von dem man nicht zweifelte, daß er in kurzem ein gewaltiges Heer zusammenbringen werde.
Am 8. Juni begannen die Kurfürsten sich in Frankfurt zu versammeln. Fremden war der Zutritt in die Stadt von jetzt an bis zur geschehenen Wahl verboten, trotzdem schlichen sich Geschäftsträger noch in Verkleidung ein. Kaum jemals war das Wahlergebnis mit so viel Spannung erwartet. Franz rechnete so bestimmt darauf, gewählt zu werden, daß seine Mutter, so hieß es wenigstens, sich bereits ein Galakleid zur Krönungsfeier machen ließ. Schon aber war jede Aussicht für ihn geschwunden. Die öffentliche Meinung Deutschlands hatte sich zu deutlich gegen ihn geäußert. Vielleicht war es den Kurfürsten überhaupt nie so ganz ernst mit Franzens Wahl gewesen. Sie berauschten sich an den gewaltigen Zahlen, die vor ihnen schwirrten, die sie schon mit Händen zu greifen glaubten. Sie waren anfänglich mit 20 000 Goldgulden zufrieden, bald mußten es 100 000 sein. Man konnte, indem man bald den einen, bald den anderen Bewerber begünstigte, die Summen in die Höhe treiben, es war eine Versteigerung, ein aufregendes Spiel, bei dem man auf alle Fälle gewann. Sie verloren den Kopf dabei und vergaßen, daß es sich um etwas anderes als um ein Geldgeschäft handelte. In Wesel und Frankfurt verflog der Taumel. Der Gewinn für den eigenen Säckel war gesichert, ob nun der oder jener zahlte; nun traten andere Gesichtspunkte in den Vordergrund. Als der Erzbischof von Trier, Richard von Greifenklau, einsah, daß Frankreich nicht durchzusetzen war, begab er sich, um wenigstens nicht zu Karl übergehen zu müssen, in die Herberge des Kurfürsten von Sachsen und bat diesen, die Krone anzunehmen. Das Ansehen Friedrichs bei den deutschen Fürsten war so groß, daß er kaum eine Stimme gegen sich gehabt haben würde, man munkelte, sogar der Papst sei seiner Wahl geneigt. Vielleicht hoffte er, als Kaiser, der bei der Krönung schwören mußte, den Heiligen Stuhl und den Glauben zu schützen, werde Friedrich seinen ketzerischen Professor fallen lassen müssen. Unmöglich ist es nicht, daß Friedrich Augenblicke hatte, wo er seine Aussichten erwog und davon träumte, die edelste Krone der Christenheit zu ergreifen, wenn es auch für ihn, dessen Politik immer auf Beschränkung der kaiserlichen Macht gerichtet gewesen war, ein wunderlicher Übergang gewesen wäre. Es wird erzählt, er habe einen Vertrauten um Rat gefragt, und dieser habe gesagt, um Kaiser zu sein, brauche man Weisheit und Kraft; Friedrich habe die Weisheit, aber nicht die Kraft. Sein Fürstentum liefere ihm nicht die Mittel, eine so schwierige und kostspielige Stellung zu behaupten. Im selben Sinne soll Friedrichs Rat Feilitzsch, vom Kurfürsten befragt, wie er die Wahl beurteile, gesagt haben: die Raben brauchen einen Geier. Friedrich hatte die Natur eines Geiers nicht; er war beharrlich und unerschütterlich in dem, was er einmal für Recht erkannt hatte, aber er war sehr vorsichtig und setzte auch in Dingen, die ihm wichtig waren, behutsam Schritt vor Schritt. Jedenfalls lehnte er die angebotene Krone ab, um Karl zu wählen. Wie von einem Blitz ins Licht gezaubert, taucht die Vision eines nationalen, protestantischen Deutschland auf, um sofort wieder zu verschwinden. Noch strömten die die Daseinsformen erbauenden Kräfte in das universale Römische Reich.
Am 29. Juni siegte die französische Partei mit dem Herzog von Braunschweig-Lüneburg und dem Bischof von Hildesheim an der Spitze auf der Soltauer Heide über die österreichische; aber am Tage vorher hatte Österreich in Frankfurt gesiegt. »Durch alle Lande des Erdkreises«, triumphierte der Humanist, »möge der deutschen Kurfürsten Lob verkündet werden, die in stahlharter Treue und Unbestechlichkeit, dem blinkenden Golde des gallischen Nebenbuhlers zum Trotz, und nicht achtend der lockenden Vorspiegelungen die deutsche Freiheit hochhielten und einen Fürsten aus deutschem Blut auf den Kaiserthron erhoben«. Auch dafür sorgten die Kurfürsten, daß die Wahl einstimmig erfolgte. Für ihre Unabhängigkeit und ihren Einfluß sorgten sie in der Wahlkapitulation, die Karl annahm. Es war darin festgesetzt, daß der König Versammlungen der Kurfürsten gestatten müsse, andere Bünde und Zusammenkünfte des Volkes aber nicht dulden dürfe. Daß er ohne die Einwilligung der Kurfürsten keine Kriege führen, keine Verpfändungen vornehmen, keine Steuern auflegen dürfe. Er dürfe ferner kein fremdes Kriegsvolk ins Reich führen; diese Bestimmung war sehr wichtig, da man es mit dem König von Spanien und von Neapel zu tun hatte. Er solle dafür sorgen, daß der Papst die mit ihm geschlossenen Konkordate innehalte, er solle die großen Handelsgesellschaften abstellen, die mit ihrem Geld dem gemeinen Nutzen schadeten. Nur nach ordentlichem Verhör der Beschuldigten dürfe er Achtserklärungen erlassen. Auf diese Weise glaubten die Raben sich vor dem Geier gesichert zu haben.
Karl befand sich zur Zeit der Wahl in Spanien, Anfang November überbrachte ihm Pfalzgraf Friedrich die Nachricht, von der er aber schon vorher unterrichtet war. Eine furchtbare Revolution hinter sich lassend, schiffte er sich am 20. Mai 1520 ein und traf sechs Tage später in Dover mit Heinrich VIII. zusammen. Da vorauszusehen war, daß die Entrüstung über das Wahlergebnis bei Franz I. zu einer kriegerischen Entladung führen werde, war es wichtig, sich England zum Bundesgenossen zu machen. Von da an bis zur Krönung in Aachen, die Ende Oktober stattfand, reihte sich ein festlicher Empfang an den andern. Zu einem einzigen Triumphbogen gewölbt, schwimmend in Glockengeläut, öffnete sich das alte Reich dem jungen Herrscher. Der Kurfürst von Brandenburg allerdings erschien nicht, und Friedrich der Weise blieb in Köln, wie er vorgab durch Krankheit verhindert.
Wären unter den Fürsten solche gewesen, die auf Karls Kränklichkeit und allgemeine Untauglichkeit gerechnet hätten, so hätte der Anblick des jungen Herrn sie enttäuschen müssen. »Als Karl geboren wurde, wurde er als Soldat geboren«, hat Alba von ihm gesagt, und vom Kaiser selbst liegt aus späterer Zeit die Äußerung vor: »Ich bin zum Waffenhandwerk geboren und erzogen worden und muß notwendig den Harnisch anbehalten, bis ich ihn nicht mehr tragen kann.« In dem Wunsche, seinem Großvater Maximilian gleich zu werden, hatte er keine Anstrengung gescheut, um durch ritterliche Übungen seinen zarten Körper zu stählen. Allerdings, von einem Geier hatte er auch nichts an sich. Er war mittelgroß, blaß im Gesicht, das blonde Gelock konnte die deutsche Herkunft andeuten, mit der im Wahlkampf gearbeitet worden war. In silberne Rüstung gekleidet, mit silbernem Barett in guter Haltung zu Pferde machte er einen zarten, wenn auch keinen schwächlichen Eindruck. Wäre er dem Tode so nah gewesen, wie manche meinten, hätte er die Strapaze des festlichen Einzugs in Aachen nicht so gut überstanden. Nachdem die Verspätung des Pfalzgrafen schon eine Verzögerung verursacht hatte, mußte er noch zwei Stunden warten, bis der Streit um den Vorritt zwischen Jülich und Sachsen entschieden war. Am Tage darauf folgten im Dome die endlosen Formalitäten der Krönung; denn hier breitete die geheiligte Tradition Purpur und Hermelin über das Geld- und Interessengeschäft. Der kaiserliche Ornat allerdings, mit dem man den Kaiser zum Schluß bekleidete, war neu angefertigt worden; aber der Jüngling, der auf Karls des Großen Stuhle saß, war an Macht dem Reichsgründer eher zu vergleichen als irgendeiner seiner Vorgänger. Wenn er so viel Glück wie bisher und so viel geistige Kraft wie weltliche Macht hatte, war Aussicht, daß er dem Reich seinen alten Glanz und vielleicht sogar dem Kaisertum seine alte Kraft wiedergeben könne.