Читать книгу Gesammelte Werke - Ricarda Huch - Страница 76

Der Bauernkrieg

Оглавление

Inhaltsverzeichnis

In einem Hutten zugeschriebenen Gespräch, Der neue Karsthans betitelt, treten Sickingen und ein Bauer auf. Der Bauer beklagt sich über die Quälereien der Pfaffen und meint, wenn sie, die Bauern, nur einen Hauptmann hätten, würden sie schon etwas ausrichten können. Sickingen antwortet verständnisvoll, aber doch ausweichend. Wenn man sich vorstellt, wie lange schon auf eine bevorstehende Erhebung des armen Mannes hingewiesen wurde, wie natürlich es war, daß der allgemeine Drang nach Umwälzung auch die Bauern ergriff, daß sie bei der Verteilung der geistlichen Güter, von der so viel gesprochen wurde, ihren Anteil verlangten, und was für eine Macht die unzufriedene, mit Recht unzufriedene Masse dem verleihen konnte, der sie vertrat und anführte, so wundert man sich, daß Revolutionäre sich dieser Macht nicht bedienten. Das besondere Verhältnis aller übrigen Stände zu den Bauern erklärt das. Man verachtete sie, weil es üblich war, aber man verachtete sie auch, weil man sie sonst nicht in der Weise hätte ausbeuten können, wie es geschah. Die Verachtung mußte den Grund liefern, warum man sie als Knechte aller für alle arbeiten ließ; weil sie zur Sklaverei geboren, nicht viel mehr als Tiere waren, hatte man das Recht, sie zu benützen, wie man Tiere benützt. Mit diesen Menschen in der Tiefe sich einzulassen, bedeutete eine Selbsterniedrigung, vor der es den höheren Ständen graute; man kann glauben, daß es Sickingen Ernst war, als er jede derartige Absicht leugnete. Bedenken mochte er auch, daß die Abgaben der untertänigen Bauern die hauptsächlichen Einkünfte der Ritter bildeten und daß man sie schwerlich gegen einen Teil ihrer Herren aufreizen konnte, ohne die Stellung aller Herren ins Wanken zu bringen. Die Vereinigung von Rittern, Städten und Bauern, fast des gesamten Volkes, gegen Klerus und Fürsten kam nicht zustande, Sickingens Erhebung blieb das Abenteuer eines einzelnen, das so recht die Zerfahrenheit und Ziellosigkeit des Ritterstandes verriet.

Das Reichsregiment, das durch den Einfluß des Kurfürsten von Sachsen der lutherischen Richtung geneigt war, bereute, Sickingen geächtet zu haben, als seine Gegner die Fehde mit viel größerer Macht fortsetzten. Die Mahnung, den Handel vor das Kammergericht zu bringen, beachteten sie so wenig, wie Sickingen getan hatte; auf dem Reichstage zu Nürnberg im Jahre 1524, ein Jahr nach Sickingens Fall, bewirkten sie, vereint mit der Mehrzahl der übrigen Stände, daß das Regiment gestürzt wurde. Um ein ständisches Regiment hatten die Fürsten erst mit Maximilian I., dann mit Karl V. gerungen, nun sie durchgesetzt hatten, daß es eingerichtet wurde, weigerten sie sich, ihm zu gehorchen, genau so, wie sie es dem Kaiser gegenüber taten. Deutlich zeigte sich, daß die Fürsten überhaupt niemand über sich haben wollten. Friedrich der Weise, der seit so langer Zeit sich um ein Reichsregiment bemüht hatte, gebrechlich wie er ohnehin geworden war, verließ in düsterer Stimmung den Reichstag. Die Reichsreform hatte eine Stärkung der Zentralgewalt durchführen sollen, die einen wollten sie kaiserlich, die anderen ständisch: nach unendlichen Kämpfen war das Ergebnis, daß es überhaupt keine Zentralgewalt mehr gab, wenigstens solange der Kaiser nicht in Deutschland war. Einige Wochen nach dem Schluß des Reichstages brachen in Franken und auf dem Schwarzwald die ersten Bauernaufstände aus. Zwischen diesen beiden Ereignissen war wohl kein bewußter, aber doch ein Zusammenhang unterirdischer Strömungen. Ein kaiserlicher Rat, der den Kurfürsten von Sachsen von der Beurlaubung des Regiments brieflich in Kenntnis setzte, fügte hinzu: »Reim dich, Bundschuh! … Wir Deutschen samt dem ganzen Reich sind ohne einen Hirten; also, lieber frommer Kurfürst, kommt es auf unser Prophezei … Gott, unser Erlediger, komm uns zu Hilf, es ist große Zeit!« Nach dem Scheitern der ständischen Reform versuche durch die Stände selbst, drängte sich noch einmal die andere Lösung vor, die des Kaisers Macht stärken wollte, diesmal getragen durch die Bauern und einen Teil der Städte. Der arme Mann in Stadt und Land erhob sich, schwerfällige Massen, doch nicht ohne Ordnung und ohne Recht.

Niemals wird sich genau bestimmen lassen, wie eigentlich im Reich die Lage der Bauern um die Jahrhundertwende war. Sie war in verschiedenen Gegenden verschieden und war an manchen Orten günstig; aber sie gab doch Anlaß zu größter Unzufriedenheit und war stellenweise unerträglich. Wie bei den Fürsten die Neigung zu Zusammenfassung und Ausdehnung ihrer Rechte bestand, so bei jeder Herrschaft die Neigung, ihre untertänigen Bauern mehr auszunützen als früher. Gewisse Abgaben waren herkömmlich – es wurde mehr als üblich verlangt; eine Anzahl von Tagen mußte der Bauer unentgeltlich für die Herrschaft arbeiten, man nannte es fronen – man vermehrte die Zahl. Unter Umständen blieb den Bauern nicht Zeit genug, um ihr eigenes Gut zu bewirtschaften, von dem sie doch Abgaben leisten mußten. Die Art der Abgaben war zum Teil sehr drückend, so der Todfall, der die Familie gerade in einem ohnehin schwierigen Augenblick belastete; keinen Schritt konnte der Bauer tun, ohne aufs empfindlichste an seine Gebundenheit erinnert zu werden. Dadurch, daß die Gerichtsbarkeit von der Herrschaft ausgeübt wurde, konnte sie durch beliebige Strafen jede Unbotmäßigkeit, jeden noch so gerechtfertigten Widerstand unterdrücken und rächen. Die Beschränkung der Freizügigkeit machte ein Ausweichen unmöglich. Erbitternd war es auch, daß die Fürsten vielfach den Gemeindebesitz an Wald oder Weide einzogen, und zwar ohne Entschädigung unter dem Titel ihrer fürstlichen Gewalt. Als man in späteren Jahrhunderten der Bauernbefreiung nähertrat, hielt man Entschädigung der Herren für selbstverständlich, mit der die Bauern belastet wurden.

Allgemeine Umstände trugen dazu bei, die Lage der Bauern zu verschlechtern: die vielen Kriege, die bei der Art der damaligen Kriegsführung hauptsächlich das offene Land trafen und viele Gebiete gänzlich verwüsteten, andererseits der zunehmende Luxus der höheren Stände, der natürlich auch im Bauern den Wunsch, besser und reichlicher zu leben, erregte. Wieviel Ursache der arme Mann zur Klage hatte, beweist am besten, daß die Fürsten und Herren in beständiger Sorge vor Bauernaufständen waren. Daß es unmöglich sei, dem armen Mann noch mehr aufzuladen, daß er unter unerträglichen Lasten seufze, sagten sie oft; merkwürdigerweise machten sie trotzdem niemals Anstalt, seine Lage zu verbessern, sondern taten wohl gar das Gegenteil. Zu erklären ist das damit, daß sie alle mehr oder weniger vom Elend der Bauern lebten, also, wenn nicht eine unbestimmbare und unabsehbare Revolution eintreten sollte, dies Elend als Rechtsgrundlage festhalten mußten; dann aber auch mit der Art der Menschen, in den gewohnten Verhältnissen beharren zu wollen, selbst wenn sie voraussehen, daß sie zum Unheil führen müssen.

Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts fanden alle paar Jahre irgendwo im Reich Bauernaufstände statt, die bald unterdrückt und blutig gerächt wurden, bis zum Jahre 1514 etwa zwölf, fast alle im Süden. Man pflegte sie Bundschuh zu nennen nach dem Bauernschuh, den sie, zuerst im Elsaß, als Abzeichen in der Fahne führten. Nach dem Sturz des Reichsregiments, im Frühjahr, erhoben sich die Stadt Forchheim gegen den Bischof von Bamberg, die Bauern von St. Blasien gegen den Abt, ihren Herrn. Jene verlangte hauptsächlich die Freiheit, in Wald und Wasser zu jagen und zu fischen, diese weigerten sich, Abgaben, insbesondere den Todfall, zu leisten. Im allgemeinen war die geistliche Herrschaft drückender als die weltliche. Ein besonders bösartiger Bauernschinder war der Abt von Kempten, dessen Untertanen sich im Januar 1525 erhoben. Inzwischen waren schon das Elsaß, Allgäu, Klettgau und Hegau, an die Schweiz grenzende Gebiete, in Aufruhr. Die Aufständischen begingen keine Gewalttätigkeiten, aber sie weigerten sich, länger Dienste und Abgaben zu leisten, eben das, was die Herren am empfindlichsten traf. Unter den Anführern der verschiedenen Haufen waren Geistliche, die schon vorher zum Luthertum geneigt hatten und sich nun offen dazu bekannten. Durch diese bekam die Bewegung allmählich einen religiösen Charakter, der den Erhebungen bis 1514 ganz ferngelegen hatte. Es lag nah, daß zwei revolutionäre Strömungen ineinanderflossen, wie ja auch die ritterschaftliche Revolution sich wie von selbst mit der lutherischen vereinigt hatte; es lag um so näher, als die Bauern es mit denselben Bischöfen und Äbten zu tun hatten, gegen die Luther mit so heftigen Beschimpfungen focht, und als die christliche Liebe und die christliche Freiheit, wovon so viel die Rede war, der Behandlung durchaus zu widersprechen schien, die dem Bauer zuteil wurde. Als der Schwäbische Bund, erschreckt durch das Ausmaß der Erhebung, sich zu Verhandlungen bereit erklärte, sagte Ulrich Schmid, Anführer des Baldringer Haufens – so genannt nach einem Dorf in der Nähe von Ulm –, er wünsche, daß nicht nach menschlichem, sondern nach göttlichem Recht geurteilt werde. Unter den gelehrten und frommen Männern, die er als Schiedsrichter vorschlug, war auch Luther. Es konnte nicht anders sein, als daß unter Tausenden von Bauern viele waren, die am liebsten sofort Gewalt gebraucht hätten; wieviel Erbitterung und Rache mochte aufgehäuft sein, wieviel Begierde, auf Kosten verhaßter Gegner sich gute Tage zu machen! Vielleicht wäre die wilde Ungeduld zugleich Klugheit gewesen, denn in diesem Augenblick waren die Bauern ihren Gegnern, die ihre Kraft noch nicht gesammelt, noch keinen Plan gefaßt hatten, überlegen. Allein der Geist der Ordnung und Billigkeit siegte, namentlich durch Ulrich Schmid und Christoph Schappeler, so daß man sich einig wurde, mit den Herren in Liebe und Freundschaft zu verhandeln. In Memmingen, der wohlhabenden oberschwäbischen Stadt, kamen fünfzig Bauernführer, mit einem Ehrentrunk empfangen, zusammen, um sich über Gewalt oder Vertrag und über ein Programm, das ihre Forderungen enthielte, zu einigen. Sie bildeten das Parlament, das die sogenannte Christliche Vereinigung, mehrere Haufen, die sich untereinander verständigt hatten, vertrat. Wahrscheinlich entstanden um die Mitte März 1525 in Memmingen die berühmt gewordenen 12 Artikel, die von den meisten Bauernhaufen angenommen wurden. Für ihren Verfasser wird Christoph Schappeler von St. Gallen gehalten, der in Memmingen Prediger war und sich der Bauern warm und aufrichtig annahm. Die 12 Artikel sollten, das war die Meinung, in ganz Deutschland Gesetz werden, wenn die vierzehn gelehrten und frommen Männer, die man wählen wollte, sie der Heiligen Schrift gemäß gefunden hätten. In einer Vorrede wurde der Vorwurf zurückgewiesen, daß das Evangelium schuld am Aufruhr der Bauern sei. Das Evangelium, das eitel Liebe predige, könne keinen Aufruhr verursachen, überhaupt aber seien die Bauern keine Aufrührer, da sie nur beanspruchten, gemäß dem Evangelium zu leben. Folgendes ist in Kürze der Inhalt der 12 Artikel: Die Gemeinde wählt den Pfarrer selbst. Der große Zehnter soll gezahlt werden, soll aber zum Unterhalt des Pfarrers dienen; was übrig ist, soll an Bedürftige ausgeliehen werden. Der kleine Zehnter soll nicht mehr gegeben werden. Die Leibeigenschaft wird aufgehoben. Mehrere Artikel betreffen das Jagdrecht, die Verhütung des Wildschadens, die Nutzung des Waldes, das Abtun des Todfalls, die schweren Strafen, die Vermehrung der Dienste. Die Allmenden, die der Gemeinde gehörigen Wiesen und Äcker, die zum Teil die Fürsten sich angeeignet hatten, sollen, wenn sie nicht rechtlich erkauft sind, zurückgegeben werden. Schließlich soll alles nach der Heiligen Schrift geordnet werden.

Die Mäßigung, die die Bauern in den 12 Artikeln sich auferlegten, ist bewundernswert. Wie die Humanisten und die Lutheraner wollten auch sie zu den Quellen zurückkehren. Beim alten Recht wollten sie bleiben, die unbilligen, ungerechtfertigten Neuerungen lehnten sie ab. Wenn der Rat von Venedig auf die Nachricht hin, daß die lutherischen Bauern im Reich ihren Herrn die schuldigen Abgaben nicht mehr leisten wollten, bemerkte, sie täten wie ihre Herren, die dem Papst auch nicht zahlen wollten, was sie ihm schuldeten, so hatte er mit dieser witzigen Wendung recht, ja, die lutherischen Fürsten entzogen der Kirche weit mehr, als die Bauern ihren Herren entziehen wollten. Auch der Papst hatte seine Ansprüche vermehrt, hatte höhere Annaten und Palliengelder verlangt als ihm zustanden, wie die Betroffenen meinten: bald zahlten sie ihm überhaupt keine mehr. Allgemein war die Forderung, daß kein Geld mehr nach Rom fließe, obwohl diese Leistungen seit Jahrhunderten zu Recht bestanden. Luther wie Hutten entrüsteten sich über die Sklaverei, in der die Deutschen vom Papst gehalten würden, nicht nur erlaubt, sondern rühmlich fanden sie es, sie abzuschütteln. Zu den Verhältnissen der Urkirche zurückzukehren war nach Luther eine Umkehr, deren Berechtigung gar nicht in Frage stand; auch die Bauern wollten zu der Freiheit zurückkehren, die der deutsche Bauer in der Frühzeit des Mittelalters besessen und die sich in einzelnen Gegenden, in Tirol, der Schweiz, in Niederdeutschland erhalten hatte. Indessen was half es ihnen, daß sie ebensoviel Recht hatten wie andere? Einzig darauf kam es an, ob sie die Kraft hätten, das, was sie für ihr Recht hielten, zu erobern.

Zum eigentlichen Mittelpunkt der Bewegung wurde aber doch nicht Oberschwaben, sondern Franken, das Gebiet, wo im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts der Pfeifer von Niklashausen mit seiner Botschaft von der Gleichheit und Brüderlichkeit die Menge bezaubert und sein junges Leben hatte lassen müssen. Hier, wo an der Spitze des sogenannten schwarzen Haufens der Ritter Florian Geyer, ein militärisch kundiger und charaktervoller Mann stand, mußte sich das ganze Land, Adel und Städte, den Bauern unterwerfen, nur die Burg hoch über der Stadt Würzburg behielt eine bischöfliche Besatzung; der Bischof selbst entfloh. Von Franken aus wurde in Heilbronn, das sich gleichfalls hatte anschließen müssen, ein Bauernrat eingesetzt, der die Revolution leiten und ihr ein Ziel setzen sollte. Sämtliche Haufen sollten in ihm vertreten sein. Durch ihn wurde die Bauernbewegung, die mit vereinzelten Aufständen, fast zufällig, begonnen hatte, zu einer einheitlichen, planvollen Macht, der es nicht nur darauf ankam, der Bauernschaft Erleichterungen zu verschaffen und sie von der Hörigkeit zu befreien, sondern die es unternahm, die langersehnte Reichsreform durchzuführen, in die die Reformation des Bauernstandes eingegliedert werden sollte. Der bedeutendste Kopf des Bauernrates war Wendel Hipler, früher hohenlohischer Kanzler, der sich mit seinem Grafen entzweit hatte; beratend stand ihm der kurmainzische Amtmann von Miltenberg, Friedrich Weigand, zur Seite. Die von ihnen ausgearbeitete Reformation nahm den Grundgedanken des einstigen Cusanischen Vorschlags auf: Stärkung der kaiserlichen Gewalt und Begründung von Landgerichten, übrigens erinnerte sie an die sogenannte Reformation des Kaisers Siegmund aus dem Jahre 1476 und ähnliche seitdem entstandene, zugunsten des armen Mannes verfaßte Reformschriften. Es versteht sich, daß die sozialen Forderungen der 12 Artikel auch hier erschienen, dazu Wegfall der Zölle, Gleichheit von Münze, Maß und Gewicht, Aufhebung der großen Handelsgesellschaften. Nur dem Kaiser sollte gesteuert werden. Die Einziehung der geistlichen Güter sollte das Geld zur Besoldung der Geistlichen und zur Armenversorgung liefern. Weder Geistliche noch Juristen sollten fürstliche Räte werden können, Juristen auch nicht in den Gerichten sitzen. Dagegen, und das war besonders wichtig, sollten die Bauern sowohl im Reichsregiment wie im Kammergericht und in unteren Gerichten, in den städtischen und ländlichen Räten vertreten sein. Nur durch Anteil an der politischen Macht könnten die Bauern, glaubte man, ihren sozialen Gewinn befestigen. Das Verbot der Bündnisse von Fürsten, die bisher einzig das Bündnisrecht besessen und dadurch einen so gewaltigen Vorteil vor den übrigen Ständen gehabt hatten, sollte der Stärkung der kaiserlichen Gewalt und dem Landfrieden dienen.

Der Reformationsentwurf bedeutete zwar eine Umwälzung der bestehenden Verhältnisse, aber er war nicht eigentlich radikal und ging nicht darauf aus, wie Leonhard von Eck sagte und wie wohl das Gerücht verbreitete, den gesamten Adel bis auf den Kaiser auszurotten. Als Ausrottung mochten immerhin den Fürsten die starke Beschränkung ihrer Souveränität und dem Adel die Aufhebung der Leibeigenschaft erscheinen.

Wie berechtigt uns die Wünsche der Bauern und wie gemäßigt ihre Forderungen vorkommen mögen, die Herrschenden von damals standen der Schicht, von deren Arbeit sie lebten, ebenso grundsätzlich taub und verhärtet gegenüber wie später die Bourgeoisie den Arbeitern. Der bayrische Kanzler Leonhard von Eck hielt die Bauern kaum für Menschen, jedenfalls für Menschen niederer Art, denen gegenüber alle Regeln in bezug auf den Nächsten keine Geltung haben. Eine Regung der Menschlichkeit gegenüber den Bauern wäre ihm nie gekommen und ärgerte ihn, wenn er sie bei andern wahrnahm; daß Erzherzog Ferdinand einen Vertrag mit ihnen abschließen wollte, fand er empörend. Wer den Bauern vertraut, zieht sich einen Feind, war seine Regel. »Sind elende Bauern, wenn man ihnen einmal nachgibt, so hört das Geläuf nicht auf, wollen alle gern frei sein.« Die so sehr berechtigte Klage der Bauern über die Wildschäden gab ihm und dem Herzog Wilhelm zu Scherzen Anlaß. Der Herzog nämlich war ein Liebhaber der Jagd, Eck des Angelns. Er wolle den Bauern, sagte der Herzog, wohl das Wasser zum Fischen freigeben, aber nicht die Wälder zum Jagen, worauf Eck erwiderte, das könne er nicht leiden, die Gewässer müßten gebannt bleiben, aber das Wildpret, das möge seinetwegen frei werden. Er ließ sich nicht ausreden, daß der Bauern eigentliche Absicht sei, alles gemein zu machen. »Ich habe mit meinen natürlichen und leiblichen Geschwistern nicht gern geteilt, ich geschweige der Fremden und Bauern« oder »Ich möchte auch leiden, daß die Fugger die brüderliche Lieb mit mir hielten und teilten«, scherzte er. Es machte ihn zornig, daß nicht sofort mit den Bauern aufgeräumt wurde. Mit den Bauern müsse man handeln, als wäre der Türke im Lande, war seine Meinung. Am besten bekämpfe man sie mit fremden Leuten, Stradioten oder Böhmen; es war zu fürchten, daß die Landsknechte, die ja selbst Bauernsöhne waren, sich weigern würden, mit der erforderten Grausamkeit gegen die Bauern zu wüten. Wenn die Bauern verhandeln wollten, sollte man so tun, als wolle man darauf eingehen, bis das Kriegsvolk beieinander sei, und dann sie überfallen. Herzog Wilhelm war mit seinem Kanzler einer Meinung; aber als die Salzburger Bauern sich gegen ihren Erzbischof erhoben und überhaupt die geistliche Herrschaft, da sie Lutheraner waren, ablehnten, wollte er die Gelegenheit nützen, Bayern durch die Erwerbung Salzburgs abzurunden und die aufständischen Bauern fragen, ob er ihnen als Herr genehm sei. Eck dachte fürstlicher und verhinderte diese Entgleisung. Salzburg solle der Herzog bekommen, aber nicht mit Hilfe der Bauern, sondern, war sein Rat, dadurch, daß man einem der Brüder des Herzogs, Ernst, Bischof zu Passau, das Erzbistum verschaffe.

Wenn auch nicht alle Fürsten und Herren so unmenschlich dachten wie Eck, wenn sogar einige im ersten Schrecken und auch im Gefühl ihrer Schuld zu einiger Nachgiebigkeit bereit waren, so überwog doch der innere Widerstand gegen die Forderungen, und man tat triebmäßig, was Eck als Kriegslist geraten hatte, die Bauern hinzuhalten, bis Soldaten genug auf die Beine gebracht wären, um sie zu überwältigen. Inzwischen breitete sich der Aufstand rasch aus wie ein Feuer in einem morschen Holzhause. Auch Niederdeutschland, wo es anfangs ganz still gewesen war, wurde ergriffen, ganz Deutschland stand in Flammen, und die Gefahr eines völligen Zusammenbruchs schien vorhanden.

Bei den friedlichen Verhandlungen, die zuerst eine gutartige Entwicklung, einen billigen Ausgleich zwischen den Parteien verhießen, war es nicht geblieben. Den ersten kriegerischen Ausbruch veranlaßte der vertriebene Herzog Ulrich von Württemberg, der, immer nach Gelegenheit spähend, wie er die Rückkehr in sein Land erzwingen könnte, den Aufstand der Bauern zu benützen gedachte. Sein despotisches Regiment hatte ihn früher verhaßt gemacht; wenn er sich jetzt mit den Bauern verbündete, persönlich als Bauer sich gebärdete, war das insofern nicht ganz unaufrichtig, als seine Gegner hauptsächlich die sogenannte Ehrbarkeit in den Städten waren, der höhere bürgerliche Stand, der die Freiheit des Landes gegen herzogliche Übergriffe verteidigte. Es war für ihn nützlich, sich zunächst einmal auf die Bauern zu stützen. Mit den Bauern allein jedoch konnte er nichts ausrichten: er rechnete auf Hilfsgelder von Frankreich und Hilfstruppen der schweizerischen Eidgenossen. Die große Schlacht von Pavia, in der Franz I. gefangen und durch die Frankreich für die nächste Zeit lahmgelegt wurde, bedeutete auch für Herzog Ulrich die Niederlage. Der Wandel des Glücks veranlaßte die schweizerischen Orte, ihre Untertanen zurückzurufen; es schien im Augenblick nicht zulässig, Karl V., der nach Ulrichs Vertreibung Württemberg an sich genommen hatte, zu reizen. Der Herzog soll Tränen vergossen haben, als die Schweizer abzogen; es blieb ihm nichts übrig, als sich wieder auf dem Hohen Twiel einzuspinnen.

Bald darauf brach der eigentliche Aufruhr los. Gereizt durch die Tücke des von Bayern gelenkten Schwäbischen Bundes, der von Anfang an nicht die Absicht gehabt hatte, auf die Forderungen der Bauern einzugehen und nur verhandelte, um Zeit zu gewinnen, gingen die Bauern zu Tätlichkeiten über. Dazu mußte es ohnehin kommen, schon weil die vielen bewaffneten Bauern, die das Land nicht bestellten, sich ernähren mußten und weil sie durch meuterisch wilde Elemente gedrängt wurden. Burgen und Klöster wurden erstürmt, geplündert, verbrannt, der Haß auf die Geistlichkeit tobte sich aus. Da einmal der Anfang gemacht war, riß Unordnung und Zerstörungslust ein. Immerhin vergriffen sich die aufgeregten Horden mit wenigen Ausnahmen nicht an Menschen. Eine kurze Zeit lang schien der Anblick der rasch um sich greifenden Feuersbrunst die Herren zu lähmen. Manche von den kleinen, so der Graf von Wertheim und die Grafen von Hohenlohe, traten dem Bauernbunde bei, auch einige Städte unter dem Druck der ärmeren Bevölkerung. Fast in allen Städten sympathisierten die unteren Schichten mit den Bauern, so daß der Vorwurf ausgesprochen werden konnte, die Städte hätten den Aufruhr angezettelt, um das Reich in eine föderative und demokratische Republik zu verwandeln. In diesem Augenblick, wo die Gefahr groß schien, Anfang Mai, ließ Luther seiner ersten Ermahnung an die Bauern eine zweite Schrift folgen, in der er die Obrigkeit anspornte, zum Schwert zu greifen und die Aufrührer zu bestrafen.

Vielleicht wäre es für die Bauern besser gewesen, wenn die 12 Artikel nicht so dicht mit Bibelstellen durchsetzt gewesen wären, wie es die Verfasser für gut befunden hatten. Die Bibel, das neugeschenkte Buch, nach Zeugnissen zu durchsuchen und diese anzuführen, als sei damit etwas unwidersprechlich erhärtet und entschieden, war zu einer Gepflogenheit geworden, der alle Stände sich hingaben. Man benützte sie als Arsenal, das Waffen lieferte, so wie die Humanisten Cicero und Livius ausschrieben. Etwa im Sachsenspiegel zu suchen, was im Reich Rechtens oder Gewohnheit sei, fiel niemandem ein. Luthers scharfer Verstand sah sofort, daß die Bauern einen Fehler gemacht hatten, indem sie versprachen, sich aus der Heiligen Schrift weisen zu lassen. Er konnte nun die Aussprüche gegen sie geltend machen, die unbedingte Unterwerfung unter die Obrigkeit verlangten, und ferner, daß Christus und die Apostel das Untertänigkeitsverhältnis überhaupt nicht berührten, daß sie einzig der Seele Heil und Freiheit bringen wollten. Er stellte sich auf den Standpunkt, daß die meisten Forderungen der Bauern Rechtsgelehrte angingen, nicht ihn. Gegen alles das läßt sich manches einwenden. Es ist wahr, daß Christus nicht versucht hat, die Sklaverei aufzuheben; aber widersprach nicht schon die Forderung der Brüderlichkeit der Sklaverei, namentlich der Art, wie sie in Deutschland vielerorts gehandhabt wurde? Ließ Christus sie bestehen, so war es doch tatsächlich keine Sklaverei mehr, wenn der Herr sich wie ein liebender Bruder zu seinem Sklaven stellte. Ferner: diente man dem Seelenheil der Fürsten und Herren, wenn man, indem man ihre Untertanen zu sklavischer Unterwürfigkeit anhielt und jeden Widerstand ausschaltete, mochten sie so bösartig und lasterhaft sein wie sie wollten, fast gewaltsam in ihren Lastern bestärkte? Nur ein Prophet, der die Fürsten beherrschte und dauernd zum Guten zwang, konnte eine solche Art der Menschenbildung einigermaßen verantworten. Das Verhältnis zur Obrigkeit hatte aber bei den Germanen gar nicht den Charakter sklavischer Untertänigkeit; es war üblich, daß dem Herrn nicht gehuldigt wurde, bevor er gelobt hatte, die Freiheiten der Untertanen zu halten, zuweilen hatten die Untertanen sogar das Recht, sich einen anderen Herrn zu wählen, wenn ihre Privilegien verletzt waren. Im allgemeinen hatte man so viel Freiheit, wie man sich erkämpfen konnte; nur dadurch war es möglich geworden, daß die Handwerker in den Städten teils zur Mitregierung, teils zur Herrschaft gekommen waren. Gerade daß es nicht eine starr verteilte Herrschaft und Untertänigkeit gab, sondern ein Aufundabwogen der Beziehungen nach dem Maßstab der jeweiligen Kraft oder Einsicht und der Verhältnisse, gab dem mittelalterlichen Reich den eigentümlichen Charakter schöner Lebendigkeit und bildsamer Fülle. Wieviel größer wäre Luther an diesem Platze gewesen, wenn er, wie Albertus Magnus in Köln getan hatte, sich vermittelnd zwischen Fürsten und Volk gestellt und einen Ausgleich zuwege gebracht hätte! Wenn einer, so hätte er es vermocht, bei dem außerordentlichen prophetischen Einfluß, den er damals hatte. Ohne Rechtsgelehrter zu sein, hätte er das gekonnt; urteilte er doch sonst über alle menschlichen Verhältnisse, und handelte es sich doch gar nicht um römisches Recht, das erst hätte studiert werden müssen. Allein Luther hatte sich bereits für die Partei der Fürsten entschieden, denen er den Schutz seiner Lehre verdankte. Seine Sorge galt viel mehr der ferneren Erhaltung dieser Lehre, die er gleichstellte mit der Wahrheit, als der Lage der Bauern; daß man allgemein ihm die Schuld gab, er habe mit seiner Auflehnung gegen den Papst und seiner Bekämpfung der katholischen Fürsten die Revolution eingeleitet, daß man die Revolution der Bauern einbezog in die seinige, stimmte ihn zornig gegen die Bauern, ohne daß er sich das eingestand. Um diesen Vorwurf zu entkräften, betonte er sein Verdienst um die Stärkung des Ansehens der Obrigkeit, was mit der tyrannischen Seite seines Wesens zusammenstimmte. Seine Herrschsucht und Rechthaberei grenzte zuweilen an das Satanische. Allerdings hielt er in dem Sendschreiben, mit dem er das Ansinnen der Bauern, Schiedsrichter in ihrer Sache zu sein, beantwortete, den Fürsten und Herren ihr Unrecht streng vor, wie er denn aus seiner Verachtung der Fürsten, ihrer Roheit, Verderbtheit, Sittenlosigkeit, Grausamkeit nie ein Hehl gemacht hat; aber um so peinlicher berührt es, daß er das Volk solchen Wüterichen auslieferte. Die dann folgende Anrede an die Bauern ist viel eindringlicher, viel eingehender setzt er ihnen ihr Unrecht auseinander, man vergißt darüber, daß er auch jenen ins Gewissen geredet hat, und gewinnt den überzeugenden Eindruck, daß er es mit den Fürsten hält. Vollends war das der Fall, als bald nachdem er sein Sendschreiben veröffentlicht hatte, Gewalttätigkeiten von den Bauern begangen wurden und in Thüringen sein verhaßter Gegner, Thomas Münzer, an die Spitze trat und zu rücksichtsloser Anwendung von Gewalt aufforderte. Thomas Münzer hatte mehr Mitgefühl für die Leiden des armen Mannes als Luther, der so viel seelische Qualen erlitt, daß er äußere Entbehrungen gering einschätzte, und wer wollte es nicht begreifen, daß die grenzenlose Selbstsucht der herrschenden und besitzenden Klassen einen, der den Schutz der Armen und Rechtlosen übernommen hatte, zu Haß und Rache entflammte? Hat jemals gutes Zureden die Herrschenden und Besitzenden dazu vermocht, auf einen Teil ihres Besitzes zu verzichten? Mit gütlichen Vorstellungen war es bereits vergeblich versucht worden, nun predigte Münzer in Mühlhausen Gewalt und Blutvergießen. Von da an sah Luther in den Bauern nur noch Mörder, Räuber, Banditen, die man niederschlagen müsse wie tolle Hunde. Das alte Reich mit allen Wunderwerken seiner Kultur schien in Barbarei versinken zu sollen.

Die Fürsten bedurften der Ermahnung zur Schärfe nicht. Hatten sie anfangs ratlos gezögert und sich sogar zu Zugeständnissen bereit erklärt, so ließen sie nun, nachdem die Bauern sich ins Unrecht gesetzt hatten, ihrer Wut die Zügel schießen. Das Werkzeug zur Unterdrückung von Unruhen war seit Jahren der Schwäbische Bund, in dem Bayern den Ausschlag gab. Es war für den Ausgang des Bauernkriegs von großer Wichtigkeit, daß es den Bauern nicht gelang, den Aufstand nach Bayern hinüberzuspielen. An der Spitze des Herzogtums standen damals die Brüder Wilhelm und Ludwig, der eigentliche Regent war ihr Kanzler Leonhard von Eck, dessen Skrupellosigkeit beinah etwas Imposantes hat. Er kannte keinen anderen Standpunkt als das Wohl Bayerns, das heißt das Wohl der Regierung, mit dem sein und der Herzöge persönliches Wohl untrennbar verbunden war. Gott, Papst, Kaiser, Reich, Gewissen, alles das kam für ihn nur insoweit in Betracht, als es sich für Bayern, ihn und die Herzöge ausnützen ließ. Die lutherische Bewegung war ihm zuerst nicht unwillkommen; er machte Wilhelm darauf aufmerksam, daß sie benützt werden könne, um vom Papst allerlei Rechte zu ertrotzen, auf die der Staat Wert legte, was auch gelang. Während er mit dem Kaiser und mit Erzherzog Ferdinand in höflichen Formen verkehrte, tat er alles, um ihnen entgegenzuwirken, wie denn Wilhelm die böhmische Krone an sich zu bringen suchte. In bezug auf den Bauernaufstand stimmte er von Anfang an für Niederwerfung mit den Waffen ohne irgendwelche Zugeständnisse. Anführer der Truppen des Schwäbischen Bundes, der die hauptsächliche Arbeit leistete, war der Truchseß Georg von Waldburg; er führte seine Aufgabe, Deutschland zu beruhigen, rasch und sachlich durch, ein Mann von soldatischer Härte, ohne besonders bösartig und grausam zu sein. Nachdem es einmal zum Kriege gekommen war, erwies sich die Gefahr als nicht so groß, wie sie sich dargestellt hatte. Es fehlte den Bauern namentlich an tüchtigen militärischen Führern. Götz von Berlichingen trat halb gezwungen auf ihre Seite und machte sich aus dem Staube, sobald sich die Gelegenheit bot. Der fränkische Ritter Geyer von Geyersberg setzte sich ganz für sie ein und kämpfte für sie bis zum Tode; aber er konnte sie nicht davon abbringen, die Burg von Würzburg erstürmen zu wollen, woran sie sich verbluteten; auch war er nur das Haupt eines Haufens. Einige Ritter, die bei Sickingens letzter Fehde ihre Güter verloren hatten, so Sickingens Sohn Hans und Hartmut von Kronberg, waren zu wenige und vielleicht auch nicht geschickt genug, um etwas Wesentliches auszurichten. Unter den bäuerlichen Führern waren tüchtige Leute, den Massen aber nicht geistig überlegen, die Prädikanten hatten keine militärische Erfahrung und konnten, von Ort zu Ort gehetzt, keinen dauernden und allgemeinen Einfluß gewinnen. Merkwürdig ist die Tatsache, daß die Bauern in den vielen Schlachten des Bauernkrieges nicht nur besiegt, sondern sogleich in die Flucht geschlagen wurden, kaum Widerstand versuchten. Denkt man daran, daß im 14. Jahrhundert zu Fuß kämpfende Bauern große Ritterheere vernichteten, so ist ihre klägliche Haltung im 16. Jahrhundert erstaunlich. Dabei war der einzelne Bauer nicht kraftlos und mutlos; waren doch die gefürchteten Landsknechte Bauern. Ihre Unzulänglichkeit muß wohl an der mangelnden Führung gelegen haben; auch standen sie nicht schwerfälligen Rittern, sondern geschulten, zweckmäßig ausgerüsteten Truppen gegenüber.

Nach dem Blutvergießen der Schlacht begann das Blutvergießen der Rache. Nach der Schätzung der Zeit sind im ganzen 130 000 Bauern umgekommen; rechnet man die Opfer der vorangegangenen kleineren Aufstände dazu, so wird die Zahl erheblich größer. Der Profos des Schwäbischen Bundes rühmte sich, mit eigener Hand 1200 Personen vom Leben zum Tode gebracht zu haben. Glücklich zu preisen waren die, welche in der Schlacht gefallen waren, die anderen wurden ausgesuchten Martern unterworfen. Markgraf Kasimir ließ einem Teil der schuldig Befundenen die Augen ausstechen und erlaubte nicht, die Wunden zu verbinden, so daß viele daran starben. Die menschliche Bestialität tritt nie schamloser hervor, als wenn Menschen, die sich brutaler Herrschaft entziehen wollten, ihr wieder unterworfen worden sind. Es ist unrichtig, die Roheit der Zeit als Erklärung und Entschuldigung anzuführen: die Gebildeten verurteilten die Grausamkeit der Sieger durchaus, so daß sie Luther seine Schrift zum Vorwurf machten, in der er die Losung gegeben hatte, die Bauern ohne Gnade niederzumachen. Nicht nur seine katholischen Gegner ergriffen die Gelegenheit, ihn zu tadeln, auch seine Freunde blickten entsetzt auf diesen Dämon, der so edles Licht ausstrahlen konnte und plötzlich Dreck und Steine und rasendes Feuer spie. Luther hatte die Eigenschaft, im Zorn, überhaupt in der Erregung, die Heftigkeit seiner Empfindung unmittelbar auf Papier zu bringen. Hernach sah er wohl etwaige Übereilung und Übertreibung ein, aber er war zu rechthaberisch, um sein Unrecht einzugestehen, besonders wenn es ihm andere vorwarfen. Er versteifte sich dann immer mehr und häufte neues Unrecht auf das alte in der Meinung, sich dadurch unangreifbar zu machen. Als ein Mansfelder Freund, der Kanzler Caspar Müller, sich über Luthers Verhalten gegen die Bauern durchaus nicht beruhigen konnte, verantwortete er sich in einer Weise, die Hartnäckigkeit und unehrliche Sophistik zur Unbarmherzigkeit fügte. Auf den Vorwurf, die Bauern hätten nicht gemordet, er aber wolle, daß sie umgebracht würden, entgegnete er, sie würden gemordet haben, wenn sie gesiegt hätten. Ihn zu rechtfertigen, mußte die willkürliche Annahme dienen, bösartige Untertanen, denen es nur zu gut gegangen sei, hätten sich in räuberischer Absicht gegen ihre fromme Obrigkeit erhoben; wie anders es in Wirklichkeit war, wußte jeder und wußte Luther genau. Einem sächsischen Herrn von Einsiedel, der sein Gewissen wegen der Frondienste, die er seinen Bauern zumutete, bedrückt fühlte, redete er im Verein mit Melanchthon die Bedenken aus. Melanchthon übertraf Luther noch an Schärfe; seine Ansicht war, für ein so ungezogenes Volk wie die Deutschen sei Leibeigenschaft eher zu milde, jedenfalls müsse die Obrigkeit ihre Strafgewalt strenger handhaben.

Luthers Wendung gegen die Bauern konnte nicht hindern, daß die Katholiken ihm schuld gaben, sie aufgehetzt zu haben; und wenn das auch nicht seine Absicht gewesen war, so mochte doch seine geringschätzige Art, von den Fürsten zu sprechen, die nichts könnten als fressen und saufen und den armen Mann schinden, die Gott aber bald vom Stuhle stürzen werde, nicht ohne Einfluß auf die Unzufriedenen gewesen sein. Für seine Stellung zu den Deutschen bedeutete der Bauernkrieg einen Einschnitt: er war seitdem fest an die Fürsten gebunden, von einem Teil seines Volkes, namentlich von den Bauern getrennt. Sie mußten sich dem Zwang unterwerfen; aber sie hatten kein Vertrauen mehr zu dem, auf den sie gehofft und der sie ihren Bedrückern aufgeopfert hatte; viele haßten ihn.

Um öffentlich kundzutun, wie gleichgültig ihm die gegen ihn gerichteten Angriffe wären, heiratete er mitten im Wüten des Krieges und der Rache Katharina von Bora, eine Nonne, die mit mehreren anderen das Kloster verlassen und sich unter seinen Schutz gestellt hatte. Auch die ihm wohlwollten, begriffen nicht, wie er ein Fest feiern mochte, während Deutschland trauerte; es war, als wolle er zeigen, daß er nicht zu dem trauernden Volk, sondern zu den feiernden Siegern gehöre. Selbst in der Leichenpredigt, die er seinem verstorbenen Kurfürsten hielt, gedachte er mit harten Worten der aufständischen Bauern, und daß Gott den gemeinen Pöbel nicht wolle siegen lassen, sondern Gnade und Gaben der Obrigkeit verleihe.

Kurfürst Friedrich, ein Sohn des Friedens, ein stilles Haupt, wie Luther ihn nannte, hatte freilich Gnade und Gaben empfangen. »Vielleicht hat man den armen Leuten Ursache zu solchem Aufruhr gegeben«, sagte er, als er zuerst von dem Ausbruch der Bewegung hörte. Kurz vor seinem Tode, er starb am 5. Mai 1525 auf seinem Schloß zu Lochau, empfahl er seinem Bruder und Nachfolger, Gnade gegen die Bauern zu üben, die zu seinem großen Leidwesen sich auch in Sachsen erhoben hatten. Er hatte das Gotteswort in seinem ganzen schlichten, allverständlichen Sinn, der Liebe zum Nächsten, in sich aufgenommen, weil es die Sprache seines Herzens war. In seiner stillen Art hatte er sich für das, was er als Wahrheit erkannt hatte, eingesetzt, obwohl er, gerade weil er fromm war, sich nicht leicht aus den ehrwürdigen Formen der Kirche löste. Die einsichtigen Bauernführer empfanden seinen Tod als schweren Verlust; es war keiner unter den Fürsten, der so viel guten Willen und Gerechtigkeitssinn und zugleich so viel Ansehen hatte, daß er in diesem schweren Streit hätte vermitteln können. Der am meisten dazu berufen war, der Kaiser, und dessen Macht gerade jetzt so gestiegen war, daß er etwas hätte ausrichten können, war in Spanien und mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Einer Überlieferung nach habe Gattinara, sein Kanzler, ihm geraten, sich mit Hilfe der Bauern zum Herrn in Deutschland zu machen. Die Heilbronner Reichsreform wollte ihm das zuwenden, was er, wie er selbst in Worms gesagt hatte, erstrebte; aber sosehr es ihm ernst war, Herr im Reich zu werden, so fern lag es ihm, sich dabei auf die unteren Volksschichten zu stützen.

Gleich nach dem Bauernkriege verfaßte der Ritter Hans von Schwarzenberg, ein bedeutender, evangelisch gesinnter Mann, der lange im Dienst des Bischofs von Bamberg gestanden hatte, eine für den Reichstag bestimmte Eingabe, in der er, da die geistlichen Güter keinen Nutzen mehr stifteten, eine allgemeine Säkularisation in Vorschlag brachte. Nicht die unteren Stände, sagte er mit Anspielung auf die Ereignisse des Bauernkrieges, sollten die Güter an sich reißen, sondern die Obrigkeiten, Kaiser und Reich, sollten die Einziehung in die Hand nehmen. Aus dem Kirchengut sollten die ihrer Einkünfte beraubten Geistlichen entschädigt, die Pfarrer besoldet werden, es sollten Schulen gegründet werden und Stifte für adlige Mädchen, denen es freistehen sollte auszutreten, wenn sie heiraten wollten. Vor allem sollte ein Heer errichtet werden, in dem der Ritteradel verwendet würde, das dem Kaiser eine vorher noch nie erhörte Macht zu verleihen geeignet sei. Noch einmal erschien das Programm Huttens, von einem Standesgenossen aufgenommen. Wäre es dem Reichstag eingereicht worden, was nicht wahrscheinlich ist, würden es die Fürsten abgelehnt haben. Nach dem Scheitern der ritterlichen und der bäuerlich-städtischen Revolutionsversuche standen dem Kaiser im Kampf mit den Fürsten um die Reichsreform nur noch seine Persönlichkeit und die Hilfsquellen seiner außerdeutschen Besitzungen zu Gebote.

Gesammelte Werke

Подняться наверх