Читать книгу Gesammelte Werke von Ricarda Huch - Ricarda Huch - Страница 45

Österreich

Оглавление

Inhaltsverzeichnis

Die Marken, die wegen ihrer Aufgabe, die Grenzen zu schützen, straffer organisiert sein mußten als die übrigen Teile des Reiches, hatten sich früher im Sinne des Territorialfürstentums entwickelt, ganz besonders die Ostmark, Österreich. Dazu hatten auch die außerordentlichen Vorrechte beigetragen, die Friedrich I. den Babenbergern gewährt hatte, ferner die Regierung Ottokars von Böhmen sowie die Rudolfs von Habsburg, obwohl dieser anfänglich sich auf den Adel stützen mußte, der der Zentralisierung Ottokars entgegen war. Seitdem hatte die Verselbständigung Österreichs stetig zugenommen.

Dem Kaiser Albrecht, der im Jahre 1308 von seinem Neffen ermordet wurde, hatte seine Frau Elisabeth von Görz sechs Söhne geboren; als diese alle bis auf einen, Albrecht, der kinderlos war, gestorben waren, gab es in der folgenden Generation nur zwei Söhne des einen der Verstorbenen, Friedrich und Leopold. Da geschah es im Jahre 1339, daß Albrecht, der an Händen und Füßen gelähmt war, nach 24-jähriger Ehe einen Sohn bekam; er wurde im Andenken an seinen kaiserlichen Urgroßvater Rudolf genannt. Da die beiden Neffen Albrechts einige Jahre später starben, war Rudolf der einzige Erbe. Als er neun Jahre alt war, verlobte ihn sein Vater mit Karls IV. sechsjähriger Tochter Katharina, und schon nach fünf Jahren fand die Vermählung der beiden Kinder statt; Albrecht besorgte wohl, die Kaisertochter könne seinem Sohne noch entgehen, wenn er nicht zugriffe. Dem Achtzehnjährigen übergab sein Vater die Regierung der österreichischen Länder in Schwaben und am Rhein und gestattete dem jungen Paare eigene Hofhaltung in Rheinfelden. Es glückte Rudolf, in der Schweiz gute Beziehungen herzustellen; mit Zürich wurden Frieden und Bündnis geschlossen, Luzern erkannte die österreichische Herrschaft an. Er baute bei Rapperswyl eine lange Brücke über den Züricher See.

Als Herzog Albrecht starb, war Rudolf erst neunzehn Jahre alt; aber das Ziel der Regierung stand ihm fest, ein doppeltes Ziel, das dem abwägenden Verstande unerreichbar sein mußte. Österreich zu einem großen, unabhängigen, mächtigen Reiche zu machen war das eine, Kaiser zu werden, das andere. Sein Urgroßvater und sein Großvater waren Kaiser gewesen, dessen Sohn Friedrich hatte der Bayer verdrängt; er fühlte sich berufen, die seinem Geschlecht entrissene Krone zurückzubringen. Seine Frau, Katharina, die schöne, schlanke, mit den Falkenaugen, war dem Plane nicht abgeneigt, unterstützte ihn vielmehr und getraute sich, ihren Vater dafür zu gewinnen. Rudolf entwarf kühne Pläne und handelte kühn, allerdings hatte seine Methode etwas Kindliches. Er freute sich an einem glänzenden Hof, am pompösen Klange vieler Titel, nannte sich Glied des kaiserlichen Hauptes, von dem alle weltlichen Rechte, Freiheiten, Gnaden und guten Gewohnheiten fließen, und Österreich den Schild und das Herz des Reiches. Er umgab sich mit hochstehenden Personen, zu seinem Landesjägermeister ernannte er den alten Friedrich von Krensbach, einen weitberühmten Ritter, der in allen Kriegen mitgekämpft und alle Länder bereist hatte, der dreimal in Jerusalem gewesen war. Was ihn anging, mußte das Äußerste seiner Art sein. Daß das farbige Entfalten fürstlicher Macht nicht nur ein Spiel war, zeigte sich, als Rudolf nach Prag reiste und seinem Schwiegervater fünf Privilegien vorlegte und um deren Bestätigung bat. Das erste derselben war von Heinrich IV. im Jahre 1058 für den Markgrafen Ernst von Österreich ausgestellt, bestätigte zwei wörtlich angeführte Privilegien der Kaiser Julius Cäsar und Nero und fügte neue Begnadigungen hinzu, das zweite war das bekannte, durch welches Friedrich I. die Markgrafschaft Österreich mit der von Bayern abgetrennten Mark ob der Enns zu einem Herzogtum mit weitgehenden Rechten erhob, das dritte war von Heinrich VII. 1228 dem Herzog ausgestellt, das vierte und fünfte bestätigten ältere von Friedrich II. und Rudolf I. Im ersten Privilegium bestimmte Nero, ein Freund der Götter und Verbreiter ihres Glaubens, daß Österreich für immer ein freies, von allen Abgaben entbundenes Land sein solle. Es sollte, nach dem Privileg Friedrichs I., dem Reiche zu keinerlei Dienstleistung verpflichtet sein, auch nicht zum Besuch der Reichstage; gefalle es dem Herzog aber, sie zu besuchen, so solle er als Pfalzerzherzog den ersten Rang nach den Kurfürsten einnehmen. Den Gerichtsstand des Reiches braucht er nicht anzuerkennen, das Reich aber, dem Österreich zu nichts verpflichtet ist, soll den Herzog gegen alle Beeinträchtigungen schützen und ohne seinen Willen keine wichtige Angelegenheit entscheiden. Innerhalb Österreichs darf das Reich keine Lehen haben, niemand darf vom herzoglichen Gericht an ein kaiserliches appellieren dürfen, überhaupt soll der Herzog innerhalb Österreichs ganz souverän sein; was er auch verordne, weder der Kaiser noch eine andere Macht soll etwas daran ändern dürfen. Im Fall der Herzog keine Leibeserben hätte, dürfe er seine Länder schenken, wem er wolle. Österreich soll unteilbar sein, wie es nach der Goldenen Bulle die Kurfürstentümer sind.

Offenbar hatte das neue Wahlgesetz Karls IV., die Goldene Bulle, am Entstehen der unerhörten Ansprüche mitgewirkt. Das Wahlgesetz schuf insofern nichts Neues, als schon hundert Jahre vorher der Sachsenspiegel sieben als die eigentlich wahlberechtigten Fürsten angeführt hatte, während das Recht früher allen, ursprünglich Fürsten und Volk zugestanden hatte; doch wurde der Unsicherheit ein Ende gemacht, die daraus gefolgt war, daß in Bayern und Sachsen verschiedene Linien Anspruch auf die Kur erhoben. Sowie in betreff der Regelung des Wahlaktes nur zum Gesetz gemacht wurde, was schon Gebrauch war, so hatte wohl auch die Verteilung der Macht, wie die Bulle sie festsetzte, schon bestanden oder sich vorbereitet; immerhin war es verhängnisvoll, daß die Übermacht der Fürsten und die Ohnmacht des Kaisers gesetzlich anerkannt war. Das Reich war nunmehr ein Fürstenbund unter dem Vorsitz eines gewählten Kaisers geworden. Namentlich das Ansehen und die Macht der Kurfürsten war verstärkt, so daß sie sich fast als souverän betrachten konnten, was besonders in bezug auf die geistlichen Kurfürsten unheilvolle Folgen hatte. Allein auch die verräterische Hinneigung derselben zu Frankreich war nicht neu: schon 1306 hatte ein Erzbischof von Köln dem König von Frankreich den Treueid geleistet.

Man kann verstehen, daß Rudolf als Herzog von Österreich hinter den Kurfürsten nicht zurückstehen wollte; aber unleugbar hatte er seine Ansprüche sehr dick aufgetragen.

Karl IV. betrachtete die Privilegien, die sein Schwiegersohn ihm unterbreitete, mit Erstaunen. Als ein gebildeter Mann hielt er es für unwahrscheinlich, daß Julius Cäsar und Nero die Terra orientalis mit Freiheiten begabt haben sollten; um seine Zweifel durch das Urteil eines Kundigen zu stützen, wandte er sich an Petrarca, mit dem er als mit einem berühmten Dichter und Gelehrten in Briefwechsel stand. Den Inhalt der Urkunde fand er zum Teil unvereinbar mit dem Ansehen des Reiches, wie sehr dasselbe auch gemindert war. Mit Bezug auf die Befreiung des Herzogs von der Gerichtsgewalt des Reiches vermerkte er, selbst das oberste Kaisertum der Welt, der Papst und die Kurie, ließen dem Recht seinen Lauf und fänden es nicht unter ihrer Würde, von Rechts wegen sich zu verantworten; so dürfe auch ein Herzog von Österreich, der tiefer als jene Weltherrscher stehe, von der Pflicht, sich dem Recht zu stellen, nicht entbunden werden. Er verwarf, daß der Herzog, falls er ohne Erben stürbe, das Recht haben sollte, ohne Einsprache des Reiches seine Länder zu vermachen, wem er wolle, und anderen angeblichen Rechten fügte er die Einschränkung hinzu, sie könnten nur gelten, solange die Rechte des Heiligen Reiches nicht dadurch beeinträchtigt würden. Rudolf war enttäuscht und verstimmt, daß sein Schwiegervater das Erzeugnis seiner Kanzlei beanstandete. Ihm zum Trotz fuhr er fort, sich Pfalzerzherzog, Reichsoberjägermeister und Fürst zu Schwaben und Elsaß zu nennen und ließ sich ein Siegel anfertigen, auf dem er mit geschlossener Bügelkrone dargestellt war, die ein Kreuz trug, während er doch nur auf den Herzogshut Anrecht hatte. Der Kaiser entzog ihm zwar die Landvogtei im Elsaß, ließ sich aber, vielleicht unter dem Einfluß seiner Tochter, immer wieder versöhnen und verstand sich dazu, den Herzog zu belehnen, wenn auch nicht auf österreichischem Gebiet, wie es das Privilegium majus verlangte. Rudolf begriff, daß die Vergrößerung und Erhebung Österreichs Schritt für Schritt erstritten werden müsse. Er wandte sich zuerst gegen den Patriarchen von Aglei.

Jahrhunderte hindurch waren die Patriarchen von Aquileja oder Aglei Deutsche und in unentwegter Treue Anhänger der Kaiser gewesen, die sie begünstigten und bereicherten. Heinrich IV. verlieh Sieghart, einem Grafen von Plaien, der früher sein Kanzler gewesen war, die Grafschaft Friaul mit den davon abhängigen Lehen und allen herzoglichen und markgräflichen Rechten, dazu die Mark Krain und die Grafschaft Istrien. Die Patriarchen wurden dadurch Herzöge von Friaul und reichsunmittelbare Fürsten. Unter dem kriegerischen Ulrich I. aus dem Hause Eppenstein, einem Verwandten des Kaisers, wanderte viel deutscher Adel in Friaul ein und baute dort Burgen, Pilgrim I. aus dem Hause Sponheim erhielt von Friedrich I., den er immer begleitete, die Grafschaft Belluno. Zur Zeit Barbarossas war es auch, daß der jahrhundertealte Streit zwischen dem Patriarchen von Aquileja und dem von Grado in einer für Aquileja ehrenvollen und vorteilhaften Art ausgeglichen wurde. Einen merkwürdigen, bedeutenden Fürsten hatte das Patriarchat in der Person Wolfgers von Leubrechtskirch, der von 1204 bis 1218 regierte. Sein Pate, der große Rainald von Dassel, ließ ihn zuerst die Stiftsschule von Hildesheim, dann die medizinische Schule von Salerno besuchen. Im Jahre 1159 suchte er den Erzbischof in Mailand auf und begrüßte einige Jahre später den in Italien ankommenden Kaiser mit einem Gedicht; er war schon als Dichter rühmlich bekannt. Es scheint, daß er daran dachte, die Tochter des Grafen Otto von Andechs zu heiraten, die er in Liebesliedern feierte; man weiß nicht, was ihn bewog, Geistlicher zu werden. Nachdem er Erzieher der Söhne Barbarossas, Heinrich und Friedrich, gewesen war, wurde er Domherr von Aglei und schließlich Bischof von Passau. Er nahm in Worms das Kreuz und zog 1197 mit Friedrich von Österreich über Friaul und Aquileja nach Palästina. Das Epos über die Taten des Kaisers, das Rainald von Dassel zu schreiben ihn aufgefordert hatte, soll er vollendet haben; aber es ist nicht auf uns gekommen. Er war mit Walther von der Vogelweide bekannt und hat ihn auf einer seiner Burgen als Gast empfangen. Wolfger war der erste Patriarch, der behauptete, Fürst Italiens zu sein und als solcher auf den Hoftagen in Deutschland nicht erscheinen zu müssen.

Durch Otto I. war Aquileja mit Friaul und der Mark Verona vom Königreich Italien abgetrennt und in Verbindung mit Bayern dem deutschen Reiche untergeordnet worden, und dies Verhältnis war niemals förmlich aufgehoben worden. Wolfgers Nachfolger hielten an dem neuen Grundsatz fest. Unter seinem Nachfolger Berthold von Andechs, einem Bruder der heiligen Hedwig und Oheim der heiligen Elisabeth, erreichte das Patriarchat höchstes Ansehen. Als er im Jahre 1250 in Rom war, diente ihm der Herzog von Österreich und Kärnten als Mundschenk und Truchseß; der Papst bemerkte einmal mit Beziehung auf den Glanz, mit dem er sich umgab, daß er ein zweiter Papst sein wolle. In den furchtbaren Kämpfen Friedrichs II. mit den Päpsten verstand Berthold anfangs Anhänger des Kaisers zu sein, ohne Feind des Papstes zu werden, aber im Jahre 1245 fiel er ab; es war das erstemal, daß ein Patriarch von Aglei den Kaiser verließ, um zum Papst überzugehen. Damit begann der Niedergang dieser in uralter Heiligkeit und Würde schimmernden Macht, der freilich ohnehin hätte erfolgen müssen; denn nur ein starkes Kaisertum hätte das Patriarchat zwischen den mächtiger um sich greifenden Nachbarn Venedig und Görz halten können. Wie ein Anzeichen der unglücklichen Veränderung war es, daß der Patriarch im Jahre 1258 sich entschloß, die Residenz von Aquileja, das durch Versumpfung ein ungesunder Aufenthalt geworden war, nach Udine zu verlegen, das neben dem alten von Cäsar gegründeten Cividale die bedeutendste Stadt Friauls war. Im Dome von Cividale wurden noch bis in die neue Zeit Gesänge langobardischen Ursprungs gesungen. Nach dem Tode des Patriarchen Berthold, des letzten seines Geschlechtes, kam die Patriarchenwürde für längere Zeit an Italiener, besonders an die Familie della Torre, die zur Zeit der Visconti nach Friaul geflüchtet war und sich unter dem Namen von Thurm nach Deutschland verbreitet hat. Ihre Regierung war mit Kriegen gegen die Grafen von Görz erfüllt.

Im 11. Jahrhundert, während die Eppensteiner das am oberen Isonzo sich ausbreitende Land innehatten, wurden die Grafen von Görz Schutzvögte von Aquileja, ein fast immer für das bevogtete Land gefährliches Verhältnis. Unter den Lurngauer Grafen, an die Görz nach dem Aussterben der Eppensteiner fiel, erhoben sich Meinhard III. und Meinhard IV. zu einer über die Grafschaft hinausgehenden Bedeutung. Meinhard III. wurde der reichste Graf im Reich, da er als Gatte der Tochter des letzten Grafen von Tirol diesen und noch dazu die aussterbenden Grafen von Andechs beerbte. Er begleitete Ottokar von Böhmen auf seinem Kreuzzuge gegen die Preußen und tat sich dort sowohl durch Tapferkeit wie durch Aufwand hervor. Meinhard IV. vermehrte ebenfalls das Ansehen, das der Reichtum verleiht, durch die Tapferkeit, die er namentlich in der denkwürdigen Schlacht auf dem Marchfelde an der Seite Rudolfs bewährte, und außerdem durch Charakter und Einsicht. König Rudolf, dessen treuer Anhänger und Freund er blieb, ernannte ihn zum Fürsten des Reiches, verlieh ihm das Herzogtum Kärnten und verheiratete seinen Sohn Albrecht mit Meinhards Tochter Elisabeth. Meinhard selbst war mit der Witwe Konrads IV., Elisabeth von Bayern, verheiratet und gründete mit ihr, nachdem sie den Tod Konradins erfahren hatten, die Abtei Stams als Familiengruft. Die höchste Blüte brachte der gefürsteten Grafschaft Görz Heinrich II., der sich den Ruhm erwarb, Vater seiner Untertanen genannt zu werden. Wie verehrt er war, geht daraus hervor, daß die Stadt Triest ihn zum Podestà wählte, daß die Stadt Padova sich ihm ergab, daß er General-Reichsvikar der Mark Treviso wurde. Er starb im Jahre 1327 in Görz. Wie er ein treuer Anhänger Friedrichs des Schönen von Österreich gewesen war, so blieben auch in der Folge die Fürsten von Görz mit Österreich verbunden und schlossen mit den Herzögen eine Erbverbrüderung. Als nun der Patriarch von Aquileja, Luigi della Torre, Miene machte, die seinem Lande durch Österreich entfremdeten Gebiete zurückzuerobern, hatte Rudolf den Grafen von Görz auf seiner Seite und gewann durch geschickte Beeinflussung auch Kaiser und Papst. Mit seinen Verbündeten besiegte Österreich den Patriarchen, er mußte sich mit zwölf Geiseln aus den edelsten Familien Friauls nach Wien begeben und beim Friedensschluß alle seine Lehen in Steiermark, Kärnten und Krain Rudolf überlassen. Gleichzeitig trat ein für die beteiligten Fürsten aufregendes Ereignis ein, nämlich der Tod Ludwigs von Brandenburg, des Mannes der Margarethe Maultasch, Erbin von Tirol. Rudolfs Vater Albrecht hatte die Erwerbung dieses Landes vorbereitet, indem er Ludwig unterstützte und den Papst bewog, seine widerrechtlich mit Margarethe geschlossene Ehe anzuerkennen. Dieses Bündnis erneuerte Rudolf in so bindender Form, daß es sich sogar gegen den Kaiser richten konnte. Dankbar eröffnete ihm Margarethe Aussicht auf Tirol für den Fall, daß sie ohne Erben sterben sollte; aber nach dem Tode ihres Mannes geriet die Haltlose unter den Einfluß des Tiroler Adels und ließ sich Schenkungen abdrängen, während auf der anderen Seite der Herzog von Niederbayern ihren Sohn gefangennahm, um durch ihn die Hand auf Tirol legen zu können. Da entschloß sich Rudolf zu schnellem Handeln: mitten im Winter überschritt er heimlich, nur von seinem Kanzler begleitet, unter unsäglichen Mühen, oft kriechend, die Tauern und kam wohlbehalten in Brixen an. Seine Kühnheit war erfolgreich, Margarethe, deren Sohn inzwischen gestorben war, übergab ihm ihr Land. Bozen, Meran, Sterzing, Innsbruck, Hall huldigten, auch der Bischof von Brixen anerkannte die Oberherrschaft Österreichs in seinem Gebiet, das bald dem Herzogtum völlig einverleibt wurde. Auf einem Fürstentage in Brünn belehnte Karl IV. seinen Schwiegersohn mit Tirol.

Rudolf entfaltete in seinen Ländern eine rege Tätigkeit und wurde von Städten und Bauern geliebt. Er unterstützte sie, indem er die Steuerfreiheit der Geistlichen auf den Umfang der Kirchen und Klöster beschränkte, für ihre Besitzungen außerhalb derselben sie aufhob. Abgaben an Kirchen, ob sie von Grundrechten, Rentenkauf oder Vermächtnissen herrührten, erklärte er für ablösbar. Entgegen dem Geiste seiner Zeit und dem Wunsch der Zünfte zwang er den Städten Gewerbefreiheit auf, in der Hoffnung, dadurch den Zuzug von Bürgern zu heben. Immer bestrebt, es seinem Schwiegervater an kaiserlicher Wirksamkeit gleichzutun, beschloß er den Umbau der Wiener Pfarrkirche, die Heinrich Jasomirgott in der Mitte des zwölften Jahrhunderts gegründet hatte, im gotischen Stil und in gewaltigen Maßen. Im Frühling 1359 tat er den ersten Spatenstich und legte den Grundstein zum neuen Stephansdom. Schon vorher hatte er das Zimmer in einem Turme der Burg, in dem er erzogen war, zu einer Kapelle umbauen lassen, um daraus eine unmittelbar dem Papst unterstehende Kollegialkirche zu machen. Da es sich als zu klein für den Gottesdienst erwies, übertrug er die Stiftung auf St. Stephan und begabte sie mit außerordentlichen Rechten. Der Propst des Stiftes sollte Erzkanzler von Österreich sein und zu den österreichischen Fürsten gehören, obwohl es solche noch gar nicht gab, die Kleidung der Stiftsherren sollte rot mit goldenem Kreuz sein, und in gewissen Fällen, nämlich zur Beschützung seiner Kirche, zur Verteidigung des christlichen Glaubens und im Dienste der Herrschaft Österreich sollte der Propst Harnisch und Waffen tragen dürfen. Ferner sollte der Propst Kanzler der Wiener Universität sein, die Rudolf zu gründen unternahm. Bevor er noch die Erlaubnis des Papstes erhalten hatte, am 12. März 1365, unterzeichnete er die Urkunde, durch die er sie nach dem Muster der Universitäten von Athen, Rom und Paris in verschwenderischer Weise stiftete. Da Rudolf bald hernach starb, blieb es bei den großen Worten auf dem Pergament; erst zwanzig Jahre später rief Herzog Albrecht die erneuerte Gründung ins Leben.

Überblickt man die Leistungen Rudolfs des Stifters, der mit 26 Jahren starb, so verliert man den Mut, das Wort Größenwahn auf ihn anzuwenden oder über das kindlich Prahlerische seines Geschmacks, die kindlichen Antriebe seiner Handlungen zu lächeln. Zuweilen ist es doch, als erzeuge sich ein Land seine Herren, die Erde Geschöpfe, die ihre Gedanken ausführen müssen. So fühlte der junge Herzog in seinem Geist Österreichs große Bestimmung. Die Verbindung mit Böhmen, die schon König Rudolf angebahnt hatte durch die Vermählung eines habsburgischen und eines böhmischen Kindes, schien jetzt wieder durch Verwandtschaft erleichtert, die Einigung mit Ungarn wurde erträumt. Konnte Rudolf der wegweisenden Donau nicht folgen, so drang er doch siegreich ans Adriatische Meer, über das Gebirge wuchs Österreich nach Italien hinüber. Als der Patriarch von Aquileja sich mit dem Carrara von Padova verständigte, um das Verlorene zurückzugewinnen, ging Rudolf als Schildknappe verkleidet zu Fuß über die Berge ins Pustertal und nach Schloß Tirol, wo er krank wurde. Trotzdem eilte er nach Verona und Mailand, um Bundesgenossen zu werben; in Mailand starb er. Als man im Jahre 1739 seine Gruft öffnete, fand man ihn prächtig ausstaffiert, wie er es liebte, im goldgestickten Kleide. Die rotgoldenen Gewänder, die er für die Wiener Stiftsherren vorgeschrieben hatte, verbot Urban V. als ärgerniserregend. Sein letztes Kleid focht niemand an, und niemand wird dem ruhelosen Jüngling den Ruhm streitig machen, ein Mitbegründer der glorreichen Monarchie gewesen zu sein, die beim Sinken des Römischen Reiches den universalen Gedanken aufnahm und noch einmal in großartiger Weise verwirklichte.

Gesammelte Werke von Ricarda Huch

Подняться наверх