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Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe
ОглавлениеAnstelle eines ausführlicheren Vorworts zur Vorstellung dieses Buchs liefere ich Ihnen hier schlicht und einfach eine Zusammenfassung. Denn mir wurde klar, dass ich fast mein ganzes Erwachsenenleben lang das Gleiche gelehrt habe:
Ordnung will normalerweise jede Unordnung und Vielfalt beseitigen, was eine Enge und kognitive Starre in Menschen und Systemen erzeugt.
Unordnung schließt uns von sich aus von jeglichem ursprünglichen Einssein, Sinnvollen und womöglich sogar Gesunden aus, sowohl in Menschen als auch in Systemen.
Neuordnung oder Verwandlung von Menschen und Systemen geschieht, wenn beide – Ordnung und Unordnung – zusammenarbeiten.
Die großen Spiritualitäten und Philosophien lehrten dies oft ganz direkt, aber mit unterschiedlichen Vokabeln, Symbolen und Metaphern:
Die Naturvölker nannten es den Zyklus von Tag – Nacht – Sonnenaufgang, oder: Sonne – Mond – Sonne, oder: Sommer – Herbst – Winter – Frühling.
Wissenschaftler sprechen von Stern – Supernova-Explosion – gewaltigen Mengen von Licht und Energie. Mythologien auf der ganzen Welt erzählen Geschichten von Reise – Sündenfall – Rückkehr in eine neue Heimat.
Religionen verwenden oft in irgendeiner Form die Begriffe von Geburt – Sünde – Wiedergeburt, oder: Gesetz – Scheitern – Vergebung, oder: „Alles ist gut“ – Katastrophe – Hoffnung.
Die Bibel erzählt vom Garten Eden – Sündenfall – Paradies.
Walter Brueggemann lehrt drei Arten von Psalmen: Psalmen zur Orientierung – Psalmen der Orientierungslosigkeit – Psalmen zum Neuorientieren. (In: Spirituality of the Psalms, „Die Spiritualität der Psalmen“, 2002)
Die hebräische Heilige Schrift ist dreigeteilt in: Gesetz – Propheten – Weisheit.
Redner und Schriftsteller beziehen sich oft auf „drei Schritte vorwärts und zwei Schritte zurück“.
Hegel nannte es These – Antithese – Synthese.
Georg Ivanovich Gurdjieff (1866–1949) nannte es „Heilige Bejahung“ – „Heilige Leugnung“ – „Heilige Versöhnung“. (In: Beelzebub’s Tales to His Grandson, „Beelzebubs Erzählungen für seinen Enkel“, 1950)
In der Philosophie ist die Rede von Klassik/Essentialismus – Postmoderne/Existenzialismus/Nihilismus – Prozess- bzw. Evolutionsphilosophie.
Die Chemie veranschaulicht dieses Muster durch Lösung – Auflösung – Neulösung.
Paul Ricoeur (1913–2005) sprach von Erster Naivität – Komplexität – Zweiter Naivität, oder: Erster Einfachheit (gefährlich) – Neubewertung – Zweiter Einfachheit (Erleuchtung). (In: The Symbolism of Evil, „Die Symbolik des Bösen“, 1967)
Die Wiederherstellungs-Bewegung spricht von Unschuld – Sucht – Erholung.
Viele sprechen jetzt einfach ganz allgemein von Konstruktion – Dekonstruktion – Rekonstruktion.
Die Christen nennen es Leben – Kreuzigung – Auferstehung.
Angesichts der Dominanz dieses ständig wiederkehrenden Themas muss man es jetzt als schuldhaftes Blindsein betrachten, dass die meisten Menschen dies immer noch als eine Art Überraschung betrachten, als Skandal, Geheimnis oder etwas, das man meiden oder überwinden solle, indem man einfach munter von Stufe eins auf Stufe drei springt. Das ist menschliche Hybris und Illusion. Der Fortschritt verläuft niemals auf einer ganz geraden und ununterbrochenen Linie. Aber wir alle sind von der abendländischen Fortschrittsphilosophie geprägt, die uns lehrt, dass dies der Fall sei, und damit lässt sie uns hoffnungslos und zynisch zurück.
Das vorliegende Buch wurde jetzt dank des liebevollen Bemühens von Vanessa Guerin und Shirin McArthur in eine überarbeitete Fassung gebracht. Wir werden tatsächlich dann „erlöst“, wenn wir dieses universale Realitäts-Muster erkennen und uns ihm ausliefern. Die Kenntnis des ganzen Musters befähigt uns dazu, unsere erste Ordnung loszulassen, der Unordnung zu vertrauen und – was zuweilen das schwierigste ist – der neuen Neuordnung zu vertrauen. Drei große Glaubens-Sprünge für uns alle, und jeder von ihnen hat seinen ganz eigenen Charakter.