Читать книгу ALTE WUNDEN (Die Ritter des Vatikan 6) - Rick Jones - Страница 8
Kapitel 3
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Galveston National Laboratory, Galveston, Texas
Die Lobby
23:27 Uhr
Eine halbe Stunde vor Mitternacht wimmelte es in der Lobby des Galveston National Laboratory von Dekanen der Universität und Beamten des FBI. Polizeikräfte hatten den Eingang der Einrichtung abgeriegelt und strikte Anweisung, kein unautorisiertes Personal in die Lobby zu lassen.
Nachdem die beiden Spezialagenten Wheeler und Denmore ihre Dienstmarken vorgezeigt hatten, liefen sie zu dem Empfangstresen, vor dem vier Leichen lagen. Zwei der Toten waren bewaffnete Angestellte der Universität, während die anderen beiden nur Avery Curtis bekannt waren, dem Associate Executive Assistant Director der nationalen Sicherheitsbehörde und dem stellvertretenden Leiter für Massenvernichtungswaffen.
»Was gibt’s, Avery? Was haben wir hier?«, erkundigte sich Denmore, während er sich zusammen mit Wheeler näherte.
Avery Curtis war groß, hager und drahtig, mit einem seltsam gebogenen Hals, der ihn wie einen Bussard wirken ließ, zu eng stehenden Augen und einem fliehenden Kinn. In der Hand hielt er ein iPad, auf dessen Display man eine Reihe von Fotos sehen konnte. »Bisher haben wir vierzehn Tote«, begann er. »Elf von ihnen sind Angestellte der Universität, die restlichen drei haben Verbindungen zu einer bekannten terroristischen Vereinigung in Dearborn, Michigan.«
»Dearborn?«
Curtis nickte und sah wieder auf sein iPad. Auf dem Bildschirm waren die Porträts von drei afroamerikanischen Männern zwischen zwanzig und dreißig Jahren zu sehen. »Diese beiden«, sagte er und deutete auf die Leichen in der Wachpersonal-Verkleidung, »konnten als Darius Townsend und Tyrone Washington identifiziert werden, beide in Detroit geboren. Vor etwa drei Jahren haben sie sich einer Gruppe radikaler Fundamentalisten in der Nähe von Dearborn angeschlossen. Dort haben sie angeblich ihre Bestimmung gefunden.« Bei dem Wort Bestimmung malte er zwei Anführungszeichen in die Luft. Dann lief er zu der ersten der beiden Leichen und verglich ihr Gesicht mit dem Bild auf seinem iPad. Danach tippte er das Foto mit dem Zeigefinger an, womit er das Dossier des Mannes aufrief. »Dieser hier, Darius Townsend, nahm den Namen Afiya Kassab an, ein Mistkerl mit einem Vorstrafenregister so lang wie mein Bein. Und der hier«, sagte er mit einem Kopfnicken auf den zweiten toten Wachmann, »ist Tyrone Washington. Ein weiterer Gauner, und ebenfalls vielfach vorbestraft. Wir sprechen hier von Drogenhandel, bewaffnetem Überfall und illegalem Waffenhandel. Kein besonders netter Kerl.«
»Und diese beiden hier?«, fragte Wheeler und zeigte auf die zwei ähnlich gekleideten Wachleute.
»Angestellte der Universität«, antwortete Curtis. »Es hat den Anschein, als hätte man sie niedergeschossen, bevor sie auch nur ihre Waffen haben ziehen können. Beide waren sofort tot.«
»Wer hat sie umgebracht?«, erkundigte sich Denmore. »Schon irgendwelche Spuren?«
»Da fängt die ganze Sache an, etwas merkwürdig zu werden«, erklärte Curtis. »Es scheint so, als wären noch zwei weitere Männer involviert gewesen. Einer davon befindet sich im Untergeschoss. Ein Mann namens John Voorhees. Auch ein absolut mustergültiger Staatsbürger«, witzelte er. »Ebenfalls ein Fanatiker, der den Namen Mohammed Bashir angenommen hat, auch er kam aus Detroit. Genau wie diese beiden hier wurde er offenbar von einem vierten Mann exekutiert.«
Wheeler sah ihn fragend an. »Wollen Sie mir etwa weismachen, dass diese drei von jemandem aus ihrem eigenen Team exekutiert wurden?«
»Zumindest hat es den Anschein«, erwiderte Curtis. »Wir haben ein paar Aufnahmen von den vier Männern – nicht viele, weil das System gekapert und die Videoübertragung verändert wurde. Während diese beiden Wache standen, um andere davon abzuhalten, in die unteren Etagen vorzudringen, begaben sich Mohammed und der vierte Mann hinunter in die Biosicherheitsstufe 3, wo die gefährlichsten Krankheiten aufbewahrt werden. Es gelang ihnen, in das Labor einzudringen und einen hochgefährlichen Erregerstamm zu entwenden. So gefährlich, dass bereits zwei Virologen des CDC aus Atlanta auf dem Weg hierher sind.«
Avery Curtis hob sein iPad und tippte auf eine App. Auf dem Bildschirm erschien daraufhin eine Aufnahme des elegant gekleideten Mannes. Anders als Mohammed, der eine schwarze Kampfmontur trug, war diese Person mit einem sündhaft teuren Anzug bekleidet. »Dieser Kerl existiert in keiner unserer Datenbanken oder auf unseren Beobachtungslisten. Wir haben es sogar mit einer Gesichtserkennungssoftware versucht, aber ohne Erfolg. Sein Gesicht taucht in keiner von unseren Akten auf. Wer immer dieser Kerl also sein mag – für uns ist er ein Unbekannter. Wieso er seine eigenen Leute ausgeschaltet hat, wissen wir nicht.«
»Und der Erreger?«, fragte Wheeler beklommen.
»Man nennt ihn das Omega-Virus. Mehr weiß ich darüber nicht, denn dieser Erreger ist Top Secret. Doch nach allem, was mir der Executive Assistant Director erzählt hat, ist dieses Zeug ziemlich übel. Es hat eine Sterblichkeitsrate von einhundert Prozent. Es tötet schnell und effizient, und so, wie ich es verstanden habe, kann es Hunderte Menschen binnen weniger Minuten ausradieren.«
Wheeler und Denmore wussten, dass Einrichtungen wie das Galveston National Laboratory keine Seltenheit waren. Tatsächlich gab es viele solcher Labors, die mit äußerst gefährlichen Erregern arbeiteten, auch in dicht besiedelten Gebieten. Es gab sogar Privatfirmen, die entsprechende Räumlichkeiten an Leute vermieteten, die weder qualifiziert noch akkreditiert genug waren, um mit so hoch ansteckenden Giftstoffen zu arbeiten. Nicht selten fand man diese notdürftigen Labors in heruntergekommenen Ziegelhäusern irgendwo im Herzen von Manhattan, und während die Feds noch damit beschäftigt waren, eines dieser Labors leerzuräumen, schoss woanders bereits das nächste aus dem Boden.
Doch das hier war etwas anderes. Dieses spezielle Gebäude beherbergte etwas, das kaum jemand je gesehen oder erfahren hatte. Etwas, das eine so hohe Geheimhaltungsstufe besaß, über die nur sehr wenige Menschen überhaupt verfügten. Die Frage lautete also: Wie hatte die Gruppe von dem Omega-Virus erfahren? Und daran schloss sich direkt eine zweite Frage an: Wie hatte es ihnen gelingen können, sich durch die Firewalls eines der komplexesten Computer- und Abwehrsysteme der Welt zu hacken? Um das zu bewerkstelligen, musste derjenige über absolut einzigartige Computer-Fähigkeiten verfügen. Doch die Leichen der drei Fanatiker schienen dieser Theorie entgegenzustehen, denn dies waren Gelegenheitsdiebe, keine Top-Verbrecher. Deshalb ergab das alles einfach keinen Sinn.
Zu dritt starrten sie das Foto des geheimnisvollen vierten Mannes an. Es war eindeutig, dass diese Person, wer immer sie auch sein mochte, das fehlende Puzzleteil bildete, um Licht in diese mysteriöse Angelegenheit zu bringen, die mehr Fragen als verwertbare Antworten aufwarf.
Wer auch immer dieser Mann war, er operierte offenbar undercover und besaß keine bekannten Verbindungen in die Vergangenheit oder die Gegenwart. Niemand hatte ihn auf dem Schirm und er tauchte in keiner Geheimdienstdatenbank auf. Der Mann war offenbar ein Phantom.
»Wie viel von dem Zeug wurde denn entwendet? Wissen Sie das schon?«, erkundigte sich Special Agent Denmore.
Avery Curtis nickte. »Zwölf Proben, wie man mir sagte.«
»Mehr nicht?«, wunderte sich Wheeler. »Nur zwölf Proben des Virus?«
»Glauben Sie mir, das ist mehr als genug«, erklärte Curtis. »Ein einziges Behältnis von diesem Zeug reicht anscheinend aus, um eine ganze Stadt zu entvölkern. Was es genau tut, kann ich Ihnen gar nicht sagen. Aber wenn die Jungs vom CDC erst mal hier sind, werden wir mit ihnen Tacheles reden müssen, um herauszufinden, wozu dieser Virus genau imstande ist. In der Zwischenzeit haben wir bereits die NSA und das Weiße Haus verständigt. Im Moment behandeln wir den Fall erst einmal als Terrorakt, denn ganz offensichtlich hatten diese Leute fachkundige Unterstützung, und da die drei Toten noch dazu Verbindungen zu radikalen Fundamentalisten hatten, müssen wir davon ausgehen, dass diese Gruppe einen Biowaffenanschlag gegen irgendwelche amerikanischen Einrichtungen plant. Parallel suchen die Geheimdienste gerade in Dearborn nach den Anführern dieses besagten Netzwerkes. Hoffentlich finden wir dort einen Hinweis auf den vierten Mann. Denn wenn wir ihn gefunden haben, können wir vielleicht auch den Virus sicherstellen, bevor der Mann oder die Organisation, für die er arbeitet, den Inhalt der Proben freisetzen kann.«
Die Männer in der Lobby wussten ganz genau, dass die ersten achtundvierzig Stunden entscheidend sein würden. Fand sich innerhalb dieses Zeitfensters keine heiße Spur, war es so gut wie aussichtslos, an die Drahtzieher heranzukommen, und alles, was sie momentan besaßen, waren ein paar Aufnahmen eines Mannes, der anscheinend gar nicht existierte.
Alles, worauf sie im Moment hoffen konnten, war, dass ihnen der Zufall in die Hände spielte. Doch Zufälle konnten launisch sein.
Die Uhr tickte.