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Ich versuchte mich auf den ersten Arbeitstag zu konzentrieren und meine Unsicherheiten hinter einem heiteren Taglächeln zu verpacken. Die Sekretärin begrüßte mich freundlich.

»Na, dann kommen Sie mal.«

Sie führte mich in ein Zimmer, das hinter ihrem lag.

»Büroräume sind schließlich dazu da, dass gearbeitet wird in ihnen«, sagte sie. »Also, nun nehmen Sie doch Platz.«

Sie bot mir einen Stuhl an.

»Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?«

»Ja, gern.«

Sie machte für sich auch einen und bot mir eine Zigarette an. Ich lehnte dankend ab.

»Es stört Sie aber …«

»Rauchen Sie ruhig«, unterbrach ich sie. »Ich war selbst einmal Raucherin.«

Sie zog an ihrer Zigarette.

»Sie ahnen ja gar nicht, wie wählerisch Herr Frischauf, unser Geschäftsführer ist. Über dreihundert Bewerbungen waren eingegangen, nachdem er nun doch endlich diese Stellen annonciert hatte. Ich habe über eine Woche nur mit diesen Unterlagen zu tun gehabt. Alle andere Arbeit ist liegen geblieben. Und dann hat er flugs zwei aus dem Eingangskorb gezogen. Eine von beiden war Ihre Bewerbung. Na, und nun sitzen Sie hier.«

Sie hielt inne in ihrem Redeschwall und musterte mich mit diesem Blick, von unten nach oben und wieder nach unten. Ein Blick, der allein unter Frauen üblich ist und der etwas Taxierendes hatte. Ich versuchte, nicht arrogant zurückzublicken, was mir wahrscheinlich nicht gelang. Jedenfalls gewann ihre Stimme an Sachlichkeit. Sie sei hier keinesfalls nur die Sekretärin, sondern auch als Assistentin der Geschäftsführung beschäftigt. Außerdem sei sie noch für die Buchhaltung zuständig, betonte sie. Dann gratulierte sie mir, dass ich diese Stelle bekommen hatte. Sie beugte sich etwas zu weit zu mir herüber. Über den großen ovalen Tisch, an dem wir inzwischen saßen, reichte sie mir die Hand.

»Also, ich bin die Lisa Beckmann. Aber alle nennen mich hier Lisa«, sagte sie.

»Und bin Anna Hausen.«

Marion hatte mir eingeschärft, distanziert zu bleiben, gerade mit Sekretärinnen. Also bot ich ihr nicht an, Anna zu mir zu sagen, obwohl Lisa Beckmann einen Moment lang darauf zu warten schien. Doch dann fuhr sie in ihrer schnellen Art zu reden fort.

»Bernhard« sagte sie nun beinah familiär, »suchte ja schon monatelang. Was ihn dann wirklich veranlasst hatte, die Stellen auf einmal so plötzlich zu annoncieren, weiß niemand hier.«

Lisa Beckmann redete weiter auf mich ein. Dabei warf sie ihren langen Zopf, zu dem sie ihre gebleichten Haare gebunden hatte, von einer Seite der Schulter zur anderen. Lisa trug ein weites Kleid. Damals wusste ich noch nicht, dass sie immer weite Kleider tragen würde, vornehmlich schwarze. Nachdem sie ihre Zigarette geraucht hatte, ging sie mit mir ins nächste Zimmer. Es war ein Berliner Durchgangszimmer, in dem drei Schreibtische standen. Einer an der linken, einer an der rechten Wand und einer vor dem einzigen Fenster im Raum. Das Zimmer war ziemlich dunkel, aber groß.

»Wer zuerst kommt, besetzt den besten Platz«, sagte Lisa und erwartete Dank, dass sie mir den Platz am Fenster so selbstverständlich zugewiesen hatte. Das Telefon klingelte. Sie verschwand im anderen Zimmer.

Der Blick vom Parterre aus dem Fenster war ein Blick in einen Berliner Hinterhof. Der Hof glich eher einem Schacht als einem Hof. Denn vom Schreibtisch, an den ich mich probehalber schon mal gesetzt hatte, konnte ich das Dach des Hauses nicht sehen und damit auch nicht den Himmel. Mein Gegenüber auf diesem Hof war ein geräumiges Zeitungsarchiv, wie ich bald von Lisa Beckmann erfuhr. Wann immer ich also aus diesem Bürofenster sehen sollte, sah ich auf einen betonierten Hof, an dessen anderem Ende sich ein bis zur Erde hin verglastes Büro befand, in dem es darauf ankam, die Neuigkeiten von gestern und vorgestern auf immensen Datenbanken zu speichern. Ich bemaß die Größe des Hofes, der dreihundert Quadratmeter nicht überstieg.

Da ging die Tür auf. Etwas unvermittelt stand Bernhard Frischauf vor mir. Akkurat und aufwändig gekleidet. Er trug einen Anzug mit Weste aus englischem Tuch, die seinen Bauch verdecken sollte. Dazu einen seiner teuren Hüte.

So gekleidet hatte ich ihn in Washington bei Max kennen gelernt, wo er für zwei Tage Hausgast war. In dieser Zeit wohnte ich noch bei Max. Herr Frischauf, so erklärte mir Max damals, sei hier zwei Tage im Auftrag eines internationalen Versicherungskonsortiums. Er sei also ein höchst wichtiger Mann. Max grinste mich an. Herr Frischauf selbst leite in Berlin eine erfolgreiche Consulting-Gesellschaft und habe eine Menge Einfluss. Dass er ihm vornehmlich meinetwegen angeboten hatte, bei uns zu schlafen, kapierte ich erst später.

Max hatte allerlei edle Sachen für unser Frühstück mit Bernhard Frischauf eingekauft und auf der Terrasse den Tisch selbst gedeckt. Zwischen dem ersten und zweiten Mohnhörnchen fragte mich Herr Frischauf dann mit einigem Interesse aus. Dabei beträufelte er die in Stücke zerlegten Hörnchen mit Honig und schaffte es, dass, während er sie in den Mund schob, kein Honig auf seine Weste kleckerte. Er aß mit demonstrativem Genuss. Nachdem er das zweite Hörnchen verspeist hatte, fragte ihn Max, ob seine Geschäfte mit den hiesigen Partnern vorankämen.

Herr Frischauf wischte sich mit der Serviette säuberlichst die Mundwinkel, wodurch eine Pause entstand, die Max’ Neugierde steigerte. Bevor er antwortete, zupfte er an seiner Weste und setzte sich aufrecht in Max’ liebsten Terrassenstuhl. Dann erfuhr ich, dass seine Consulting-Gesellschaft ein versicherungstechnisches Konzept für ein höchst interessantes Produkt entwickelt hatte und dass Max in seiner Redaktion einiges dazu beigetragen hatte, es in Washington an den richtigen Stellen bekannt zu machen.

»Die Entwicklung sei beinahe abgeschlossen«, sagte Bernhard Frischauf, während ich ihm unaufgefordert Kaffee nachgoss.

»Wenn alles läuft, wie er sich vorstellte, dann könnte seine Firma auch noch die internationale Produktwerbung übernehmen«, fügte er hinzu und sah zuerst Max und dann mich bedeutungsvoll an.

Warum, verstand ich erst einen Tag später.

Nach dem Frühstück ging er seiner Wege. Für den nächsten Abend bat mich Max, Pasta zu machen und von einem Laden am Dupont Circle schwarzen Trüffel zu holen. Herr Frischauf liebe sie. Und warum sollte man ihm nicht eine seiner kleinen Annehmlichkeiten servieren, sagte Max. Ich war ein wenig überrascht von seiner großzügigen Gastfreundschaft gegenüber Herrn Frischauf. Aber natürlich kaufte ich schwarze Trüffel und kochte.

Als ich abends die Pasta servierte und Bernhard Frischauf den Trüffelhobel samt der Trüffel auf einem Teller reichte, war er hocherfreut und lobte sie wegen ihres guten Geruchs. Denn schon am Geruch erkenne man ihre Qualität. Während er Trüffel über die Pasta hobelte, fragte er, ob ich mir vorstellen könne, in seiner Consulting-Gesellschaft, genauer in einem seiner Grafikbüros, zu arbeiten. Beispielsweise als Designerin, die auch ab und zu kleine Texte schriebe? Er suche exakt diese Kombination für eine Stelle. Er sei nämlich dabei, etwas auszuprobieren. Seine Gesellschaft habe da auch für Künstler einige Möglichkeiten. Und von mir als Malerin habe er immerhin schon gehört. Aber nun habe ihm Max erzählt, ich schriebe auch kleinere Texte, die sogar Max gefielen. Und Max habe einen Geschmack, auf den man sich verlassen könne. Er spiele nämlich nicht nur die Geige beinah so gut wie Paganini, er sei darüber hinaus auch ein begnadeter Buchautor, wie er mehrfach bewiesen habe. Er sah Max an, dem diese Schmeicheleien nicht unangenehm waren.

Ich könne ja mal darüber nachdenken, sagte Herr Frischauf. Wenn ich Lust hätte, könnte ich ja mal reinschauen. Er gab mir seine Visitenkarte und sagte, dass er sich freuen würde, wenn ich ihn mal anrufen würde in Berlin.

Ich sah zu Max. Er reichte mir die Schüssel mit Pasta und sah mich mit Unschuldsmiene an. Ich kannte ihn zu lange, um nicht genau zu wissen, dass er dieses Essen samt Hausgast sorgfältigst eingefädelt hatte. Denn seit geraumer Zeit redete er auf mich ein, ich solle mein freiberufliches Sein als Malerin aufgeben, damit ich wieder unabhängiger vom Galeriebetrieb werde. Nachdem Herr Frischauf am nächsten Morgen in aller Frühe abgereist war, kam Max in mein Bett und flüsterte mir ins Ohr.

»Da kannst du mal sehen, weshalb es sich lohnt, nach Washington zu kommen.«

Und nun stand Bernhard Frischauf vor mir und begrüßte mich mit einem Lächeln, das eigentlich Max galt. Es war dieses kumpelhafte Lächeln, das es so eher nur unter Männern gibt.

Nachdem er seine große braune Ledertasche auf einem der leeren Schreibtische abgestellt hatte, fragte er auch prompt, wie es Max denn gehe.

»Ich hoffe gut«, sagte ich. Ich hoffte es wirklich.

»Er ist schon ein erstaunlicher Mensch, finden Sie nicht?«, fragte er.

»In der Tat«, sagte ich und meinte es auch so. Nur war ich gerade bemüht, Max in eine Ferne zu stellen, in der mich seine Abwesenheit weniger lähmte. Und für Tage gelang es mir auch schon. Zurück blieb diese diffuse Trauer um etwas unwiederbringlich Verlorenes, das mit Max nur noch bedingt zusammenhing.

»Also, grüßen Sie ihn von mir, sagte Herr Frischauf.

»Wann kommt er denn wieder nach Berlin?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, das weiß er selbst noch nicht«, versuchte ich lapidar zu antworten.

»Na, wie dem auch sei. Ich habe mir Ihre Bilder noch einmal angeschaut.«

Er redete ein Weilchen herum, bis er endlich sagte:

»Am besten wären Sie meines Erachtens in unserer Versicherungsabteilung aufgehoben. Ihr Talent, Risiken und Ängste zu malen, zeugt von viel Erfahrung mit diesem Milieu. Und entschuldigen Sie, ich habe auch nochmals mit Max telefoniert.«

Bernhard Frischauf ging zu seiner Ledertasche und holte einige Seiten aus einer Mappe.

»Ich wusste gar nicht, dass Sie auch schreiben können.«

Er las den Anfang eines Textes vor, den ich nach dem 11. September geschrieben hatte. Es war ein Beitrag für ein Protestmeeting deutscher Künstler, die sich zu jener Zeit in Washington aufhielten.

Er unterbrach sein Vorlesen und suchte nach einer bestimmten Seite. Dann fuhr er fort.

»Zeugen von etwas Entsetzlichem, von etwas Ungeheuerlichem zu werden, können wir uns nicht aussuchen. Es auf unsere eigene Kleinheit zu reduzieren, müssen wir uns jedoch ein Leben lang wehren.«

Er sah mich an.

»Das ist gut gesagt, und es ist der Duktus, den wir hier brauchen, Frau Hausen. Ich hoffe, Sie verzeihen Max, dass er mir diese Seiten gemailt hat. Denn der Text bestätigt, was ich annahm. Sie haben auch eine sprachliche Kraft, Katastrophen zu beschreiben. Und das ist genau das, was wir hier brauchen.«

Er legte die Seiten zurück in die Mappe.

»Wichtig für uns ist«, sagte er, »dem potenziellen Kunden ein künftiges Unglück so vor Augen zu führen, dass nicht auf dem ersten Blick Panik entsteht. Das ist im Übrigen die Stärke Ihrer Bilder. Sie wecken erst auf den zweiten Blick Urängste. Eben das ist Ihr eigentliches Talent. Eben dies müssen Sie nutzen für Ihre Arbeit hier. Verstehen Sie? Dadurch mobilisieren Sie die diffusen Ängste der Kunden langsam, aber nachhaltig. Und eben solch eine Mobilisierung nicht zu benennender Ängste ist genau das, was wir hier in unserer Branche brauchen. Wieviel Sie unserer Consulting-Gesellschaft wert sind, können Sie an Ihrem Jahresgehalt ablesen. Machen Sie also Werbung, die bei unseren Kunden Katastrophen assoziiert, ohne dass Panik entsteht. Nutzen Sie Ihr Talent, kombinieren Sie nun Bild mit Text. Erfinden Sie Ihre Objekte so, dass die Ängste, die Sie hervorrufen, nicht sofort, sondern in die Ferne wirken. Denn das ist, wovon unser Versicherungsgeschäft lebt.«

Er schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch, auf dem er Platz genommen hatte. Dann sprang er auf und lief im Zimmer hin und her.

»Wir wollen die Zukunft an der Gegenwart so beschreiben, dass sich die Ängste unseres Kunden ganz allmählich aufbauen. Denn das ist wichtig im Versicherungsgeschäft. Dass wir das Unbehagen langsam wachsen lassen, um es dann hoffentlich gleich in einem ganzen Versicherungspaket für unsere Kunden abzufangen. Also Schritt für Schritt den Kunden zu uns zuführen und zwar so, dass er von sich aus den Entschluss fasst, unser Angebot dankbar anzunehmen. Er muss davon überzeugt sein, unser Angebot sei das beste für ihn und der sichere Weg, seine Ängste loszuwerden. Verstehen Sie?«

Er sah mich fest an.

»Das gelingt uns aber nur, wenn wir nicht von vornherein Panik erzeugen, denn dann läuft er uns als Kunde einfach fort. Wir aber wollen ja seine Furcht sicher auffangen.«

Bei dem Wort »auffangen«, glänzten seine Augen.

»Und« fuhr er fort, »genau diesen Zeitpunkt abzupassen, hat eine Menge mit Intuition, also mit Kunst zu tun.«

Er setzte sich wieder auf den Schreibtisch.

»Unter uns«, sagte er nun in einem vertraulichen Ton, »gute Versicherungen zu verkaufen, ist eine der höchsten Künste.«

Er sah mich verschmitzt an. Nach kurzer Pause meinte er, er erwarte also, dass ich meine Erfahrung als Künstlerin bedingungslos einbringe in diese Arbeit.

»Wichtig ist auch hier die so schmale Gratwanderung zwischen Realität und ihrem möglichen Bruch. Abbruch. Den wir oft so sehr fürchten, weil wir für unbestimmbare Zeit den Boden unter den Füßen verlieren.«

Er sah mich an. Sein Gesicht hatte Farbe bekommen. Er zupfte an seiner Weste herum. Dann ging er zum Hoffenster und schloss es.

Er liebe diese Brüche und er liebe die Versicherungen gegen solche Brüche.

»Denn Versicherungen sind wie Brücken. Wir gehen über sie und lassen unsere Angst zurück. Wir übersteigen unsere kleinen und großen Katastrophen und kommen sicher auf die andere Seite.«

Er wisse nicht genau, was er mehr liebe, den Bruch oder das Aufscheinen einer Hoffnung, die sich in unserem Versicherungspaket dartut. Wahrscheinlich liebe er den Wechsel von einem zum anderen. Bilder zu erfinden, die den Wechsel zwischen Abbruch, aufflackernder Panik und Fortgang des Gewohnten reibungslos ermöglichen, werde also meine Aufgabe hier in seinem Unternehmen sein.

Er zog eine Mappe aus seiner Ledertasche. Es war mein Arbeitsvertrag. Er legte ihn auf den Schreibtisch, den mir Lisa zugewiesen hatte. Über mein Gehalt habe ich den anderen Mitarbeitern gegenüber zu schweigen. Den Vertrag solle ich unterschrieben nur ihm persönlich zurückgeben. Er sah mich an. Es sei eine Menge Vertrauen, das er mir da entgegen bringe, sagte er. Schließlich kenne er mich kaum. Aber er vertraue Max.

»Also dann fangen Sie mal an«, sagte er und öffnete die Tür zum Sekretariat.

»Lisa, Sie werden Anna Hausen Zugang zu allen hausinternen Passwörtern geben. Einschließlich die zu den Netzwerken.«

»Jawohl«, antwortete Lisa Beckmann und fragte dann aber doch mal nach.

»Zu allen?«

»Ja, zu allen.«

Er sah auf die Uhr und verschwand, ohne sich zu verabschieden.

Lisa Beckmann erfüllte ihren Auftrag sofort. Sie gab mir alle Sicherheitscodes und die dazu gehörigen Pinnummern. Dann ließ sie mich unterschreiben, dass sie mich belehrt habe, die Passwörter nicht an Dritte weitergeben zu dürfen. Ich unterschrieb.

Nachdem Lisa Beckmann gegangen war, öffnete ich erst einmal wieder das Hoffenster. Dann starrte ich in den Bildschirm. Nach einer Weile suchte ich bei »Google« die Website der »Financal Times« und landete schließlich bei den Börsenkursen. Sie standen gut, jedenfalls für Max. Dann klickte ich einen Link zu einem CD-Discounter an. Für sechs Euro wurden im Sonderangebot sieben Walzer von Johann Strauß angeboten. Natürlich konnte man sie sich online anhören. Ich konnte nicht widerstehen. Ich ging auf Real Play. In erstaunlicher Qualität erklang der Kaiserwalser über die eher unscheinbaren Lautsprecher, die auf meinem mir zugewiesenen Schreibtisch standen. Begeistert von ihrem Klang, machte ich die Musik lauter.

Da kam Lisa Beckmann rein.

»Also Frau Hausen, das ist hier bei uns eher nicht üblich, dass wir Radio hören.«

Sie sagte das mit einem freundlichen Ton und versuchte zu lachen.

»Das müssten Sie dann mit der Geschäftsführung absprechen.«

Ich klickte, den Ton weg und entschuldigte mich, dass ich für einen Augenblick vergessen hatte, dass ich ja in einem Büro saß.

»Na, daran werden Sie sich noch gewöhnen. Selbst wenn es schwer fällt, solch ein freies Dasein, wie Sie es ja wohl hatten, aufzugeben. Aber schließlich, arbeiten müssen wir alle.«

Sie sah mich an.

Ich nickte.

»Wie gesagt, ich habe nichts dagegen. Nur letztlich muss das die Geschäftsleitung entscheiden.«

»Machen Sie sich keinen Stress Frau Beckmann. Ich kann, wenn ich wirklich Musik hören will, meine MP3-Player mitbringen«, versuchte ich sie zu beruhigen.

Sie sagte nichts und zog sich in ihr Sekretariat zurück.

Ich starrte auf den Hof. Ich bemühte mich, keinen Blickkontakt mit den Angestellten in dem gegenüberliegenden Archiv aufzunehmen. Eine Weinranke war die einzige Pflanze auf dem Hof. Dass sie gerade an der Wand zu meinem Fenster hochwuchs, nahm ich als Geschenk hin. Wenn ich also schon den Himmel nicht sehen konnte von diesem Büro aus, so konnte ich mit einem Blick aus dem Hinterhoffenster, Parterre, zumindest an dieser Ranke wahrnehmen, welche Jahreszeit draußen war. Ich widerstand der Versuchung, auf den Hof zu gehen, um nachzusehen, ob sie in einem Kübel gepflanzt war, oder ob ihr Samen dort zufällig im Mauerwerk Wurzel geschlagen hatte.

Aber der Himmel war höher

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