Читать книгу Inspector Swanson und das Geheimnis der zwei Gräber - Robert C. Marley - Страница 14
KAPITEL 5
ОглавлениеAuf der Veranda erwartete Wensley sie mit einer Überraschung.
Swanson erkannte den großen bulligen Mann auf Anhieb. Es war Arthur Conan Doyle, der Schriftsteller. Er und Phelps waren ihm während des Falles um den Hope Diamanten zum ersten Mal begegnet. In seiner Begleitung befand sich ein älterer Gentleman, der von einem Bein auf das andere trat und dabei nervös die Hände rang.
»Guten Tag, Chief Inspector.« Offenbar Hocherfreut ihn zu sehen, schüttelte Conan Doyle ihm die Hand. »Sergeant.« Er nickte Phelps zu. »Wie Mr Dawson mir erzählte, sind die O’Hanlons verschwunden.«
»Das ist nicht ganz richtig«, sagte Swanson. »Sie sind unterdessen wieder aufgetaucht.«
»Mein Name ist Dawson, Sir«, sagte der ältere Herr, der nervös die Hände rang. »Stimmt es, was Sie sagen? Michael und Sarah sind wieder zurück?«
»Wir haben ihre Leichen gefunden, Sir«, sagte Phelps. Seine Stimme klang so trocken wie altes Pergament.
Mr Dawsons Hände fielen herab, als sei mit einem Mal alle Kraft aus seinen Armen gewichen. »O Gott, nein, wie furchtbar«, murmelte er. »Obwohl ich es mir ja gedacht habe, als ich diese … die Erdhügel sah.«
»Nun, Mr Dawson. Soweit ich gehört habe, kannten Sie die O’Hanlons recht gut«, meinte Swanson und betrachtete den Mann. »Sie waren derjenige, der sie als vermisst meldete.«
»Das stimmt. Ich kannte sie seit einigen Jahren.«
Trotzdem fragte Swanson sich dreierlei: Wie hatte Dawson die Erdhügel gefunden? Wie war er darauf gekommen, dass es sich dabei um Gräber handeln könnte? Und warum war er überhaupt zu dieser abgelegenen Stelle im Garten gegangen?
Er hatte die Fragen kaum gestellt, als Conan Doyle sagte: »Jeder mit ein bisschen gesundem Menschenverstand hätte das vermutet. Immerhin waren die O’Hanlons verschwunden.«
»Ich würde das gern von Mr Dawson selbst hören, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte Swanson freundlich.
Conan Doyle verschränkte schmollend die Arme. Dawson sagte: »Ich hatte gleich so ein komisches Gefühl. Die frischen Erdhügel sahen unheimlich aus, das sage ich Ihnen. Und man hört ja so viel.«
»Verstehe. Wie kam es, dass Sie sich gestern überhaupt im Garten aufhielten?«
»Da ist nichts weiter Geheimnisvolles dran, Sir. Ich kümmere mich ab und an um den Garten, wenn ich Zeit habe. Sträucher zurückschneiden, das Unkraut im Zaum halten. Solche Dinge.« Er hob die Hände. »Eine Sisyphosarbeit, wie Sie sehen.«
»Sie sind selbst nicht mehr der Jüngste. Ich stelle mir das anstrengend vor.«
»Ach, ich habe es immer sehr gern gemacht. Wissen Sie, die beiden waren nicht sehr gut zu Fuß. Michael, ich meine Mr O’Hanlon, war auf einen Stock angewiesen. Solange ich denken kann, hat er nichts im Garten getan. Er klagte oft, ihm würde das Grundstück über den Kopf wachsen. Er verließ kaum die Veranda. Sarah dagegen hielt sich gern dort draußen auf. Besonders die kleine Lichtung mochte sie. In den letzten Monaten hat sie häufig erwähnt, sie würde es lieben, einmal dort begraben zu werden.«
Phelps fiel beinahe der Schreibblock aus der Hand. »Das ist nicht Ihr Ernst, Mr Dawson.«
»Es klingt geschmacklos, ich weiß«, sagte er, die Mundwinkel heruntergezogen. »Doch es ist die reine Wahrheit. Sie hat sicher nicht damit gerechnet, dass es so bald sei.«
»Ironie des Schicksals«, meinte Conan Doyle lakonisch. »In einem Roman würde es natürlich niemand glauben.«
In einem Roman wäre ich jetzt in den Ferien in Schottland, dachte Swanson. Er sagte: »Würden Sie die Leichen identifizieren können?«
»Identifizieren?« Mr Dawson wurde ganz bleich. »Was meinen Sie damit? Muss ich mir die Toten ansehen, meinen Sie das?«
»Ich fürchte«, sagte Swanson, »ich fürchte, wir benötigen jemanden, der sie gut genug kannte, Mr Dawson.«
»Liegen sie etwa noch in diesen Gräbern, die ich gesehen habe?«
»Nein.«
»Es ist alles so schrecklich.« Er legte beide Hände auf die Wangen. »Aber ja. Selbstverständlich kann ich sie identifizieren, wenn es denn sein muss.«
»Ich wäre ebenfalls bereit dazu«, meldete sich Conan Doyle zu Wort.
Und so führten sie Conan Doyle und Mr Dawson durch die Sträucher zu den Särgen, wo Wensley und Phelps die Deckel entfernten.
»Ja, kein Zweifel, Sir. Das sind sie«, sagte Mr Dawson mit leiser Stimme nach einem kurzen Blick auf die beiden Leichen. Er hielt sich bestürzt die Hand vor den Mund. »Ich erkenne die Kleider wieder. Die Gesichter jedoch …« Er blickte Swanson an und schüttelte hilflos den Kopf.
»Man wird sie reinigen«, erklärte Swanson. »Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich die beiden Leichen danach noch einmal ansehen könnten.«
Er nickte betroffen.
Swanson sah Conan Doyle an. »Was ist mit Ihnen?«
»Ich würde sagen, das sind die O’Hanlons«, entgegnete er. »Wer sollte es sonst sein? Kurioser Fall, nicht wahr? Zwei Menschen, die in ihrem eigenen Garten bestattet wurden. Noch dazu gewaltsam ums Leben gekommen. Das wirft einige Fragen auf, will ich meinen.« Er beugte sich noch einmal über die Särge. »Sie tragen keine Schuhe. Warum hat man sie ihnen wohl ausgezogen?«
»Im ganzen Haus sind keine zu finden«, sagte Phelps.
»Das ist bemerkenswert.« Conan Doyle kratzte sich die Stirn. Dann schien ihm ein Geistesblitz gekommen zu sein, denn für Sekunden erhellten sich seine Züge. »In einem Kriminalroman könnte man sie mitgenommen haben, um einen mörderischen Hund auf die Fährte der Eigentümer zu hetzen.«
»Einen mörderischen Hund?« Phelps starrte ihn an.
»Oh, nur so eine Idee, Sergeant. Mir schwebt da eine düstere kleine Geschichte vor, die im Dartmoor spielt …«
»Sie wohnen ganz in der Nähe«, sagte Swanson, der fand, dass sie langsam vom Thema abkamen. »Sie waren Nachbarn. Ich könnte mir vorstellen, Sie kannten die O’Hanlons ebenfalls sehr gut.«
»Das ist richtig.« Conan Doyle straffte sich, was etwas ausgesprochen Militärisches an sich hatte. »Wir trafen uns gelegentlich, wenn ich Zeit erübrigen konnte. Sie hatten eine humanitäre Ader, das fand ich ansprechend.«
»Was meinen Sie mit einer humanitären Ader?«
»Michael und Sarah kümmerten sich um die Obdachlosen«, erklärte Conan Doyle. »Sie spendeten Geld, gaben Essen aus. Fuhren sogar in die Armenviertel, um im Winter Suppe auszugeben.«
»Das ist an sich sehr löblich«, sagte Swanson, der sich fragte, ob sie es am Ende mit ihrer Güte vielleicht übertrieben haben mochten. »Gaben sie viel Geld für ihre Wohltätigkeit aus?«
»Ach, das weiß ich nicht, Chief Inspector«, entgegnete Conan Doyle. »Sie sprachen nicht oft darüber. Jeder in der Gegend wusste es.«
»Und abgesehen davon? Womit verbrachten die O’Hanlons ihre übrige Zeit?«
»Sie spielten gern«, sagte Mr Dawson. »Bridge und Würfel und so etwas.«
»Mit wem?«
»Mit den Nachbarn. Jedes Wochenende treffen wir uns bei jemand anders. Wir haben sogar einen kleinen Spieleclub gegründet.«
»Spielten Sie mit den O’Hanlons um Geld?«, wollte Swanson wissen?
»Manchmal. Doch es waren nie große Beträge.«
»Wie hoch waren die Einsätze?«
»Tuppence«, sagte Mr Dawson. »Allerhöchstens ging es mal um einen halben Shilling. Aber da musste es auch schon mächtig hoch hergehen, glauben Sie mir.«
»Wie ich hörte, waren die O’Hanlons sehr eigen, was Besuche anging. Stimmt es, dass sie niemanden ins Haus ließen?«
»Das ist richtig, Chief Inspector«, sagte Mr Dawson. »Früher nicht, da waren sie die Gastfreundschaft in Person. Erst in den letzten Jahren war das anders.«
»Sie ließen tatsächlich niemanden mehr ins Haus?«
»Ja.«
»Haben Sie eine Vermutung, was der Grund dafür gewesen sein könnte?«
»Ich hab’s auf ihr Alter geschoben. Manche Leute werden seltsam, wenn sie in die Jahre kommen.«
Swanson nickte. Dann hakte er die Daumen in seine Westentaschen und sah wieder Conan Doyle an. »Würden Sie mir einen brüderlichen Gefallen erweisen?«
»Sicher. Wenn es in meiner Macht steht.«
»Stellen Sie mir eine Liste der Nachbarn zusammen. Wir werden die Leute darüber befragen müssen, wer die O’Hanlons zuletzt gesehen hat.«
»Das kann ich gerne tun, Chief Inspector«, meinte Conan Doyle. »Die Person, die die O’Hanlons zuletzt lebend gesehen hat, dürfte ihr Mörder gewesen sein.«
»Danke. Ich weiß das sehr zu schätzen«, sagte Swanson, ohne auf Conan Doyles Bemerkung einzugehen. »Eine Frage noch an Sie, Mr Dawson. Wann haben Sie die Geschwister O’Hanlon das letzte Mal lebend gesehen?
»Das war letzten Donnerstag«, antwortete er mit einer Spur Nervosität in der Stimme. »Da sprach ich mit Michael darüber, welche Arbeiten diese Woche anstünden. Und er bat mich, einige der Sträucher auf dieser Lichtung hier zu schneiden. Sie denken doch nicht etwa …«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mr Dawson.« Swanson schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. »Diese Gräber hat ganz gewiss ein Mann ausgehoben, der wesentlich jünger und weitaus kräftiger war als Sie.«