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VII. Reformen des Kontrollsystems

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Die große Zahl der beim EGMR eingehenden Beschwerden hat eine weitere strukturelle Reform des Kontrollsystems erforderlich gemacht.[54] Das am 13.5.2004 zur Zeichnung aufgelegte und am 1.6.2010 in Kraft getretene 14. Protokoll zur EMRK über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention (CETS 194) führte zu signifikanten Änderungen des Individualbeschwerdeverfahrens (Art. 34 EMRK).[55]

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Das Protokoll hat den Einzelrichter als neuen Spruchkörper eingeführt, der durch Mitarbeiter der Kanzlei unterstützt wird, die als nichtrichterliche Berichterstatter (Rapporteurs) fungieren. Der Einzelrichter kann eine Beschwerde (endgültig) für unzulässig erklären oder im Register streichen, „wenn eine solche Entscheidung ohne weitere Prüfung getroffen werden kann“ (Art. 27 Abs. 1 EMRK).

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Die durch das 11. P-EMRK geschaffenen, in Art. 26 Abs. 1 EMRK verankerten und seit 1998 für die Filterung eingehender Beschwerden zuständigen, aus drei Richtern bestehenden Ausschüsse (Committee) – sie erledigten schon vor Inkrafttreten des 14. Protokolls 90 % aller eingehenden Beschwerden – dürfen nun zeitgleich mit der Entscheidung über die Zulässigkeit auch (endgültig) über die Begründetheit einer Beschwerde befinden, dies allerdings nur auf der Grundlage einer „gefestigten Rechtsprechung“ des Gerichtshofs (well-established case-law; Art. 28 EMRK).

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Auf der Zulässigkeitsebene wurde neben der seit jeher möglichen Feststellung einer Beschwerde als offensichtlich unbegründet (Art. 35 Abs. 3 lit. a Var. 1 EMRK) eine weitere Möglichkeit der materiellen Filterung eingeführt. Eine Beschwerde kann jetzt auch dann als unzulässig eingestuft werden (Art. 35 Abs. 3 lit. b EMRK), wenn (kumulativ) der Bf. keinen erheblichen Nachteil erlitten hat (significant disadvantage), der Fall bereits von einem nationalen Gericht gebührend geprüft wurde (duly considered, vgl. zur neuerlichen Änderung hierzu Rn. 252) und keine menschenrechtlichen Besonderheiten aufweist (unless respect for human rights […] requires an examination).

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Zur sog. pilot judgment procedure, die nicht Aufnahme in das 14. Protokoll gefunden hat, aber vom Gerichtshof bereits praktiziert wird, grundlegend: EGMR (GK) Broniowski v. Polen, Urt. v. 22.6.2004, Nr. 31443/96, §§ 189 ff.; siehe auch Rn. 478.

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Auch durch das 15. Protokoll zur EMRK vom 24.6.2013 (CETS 213) werden zahlreiche Reformen des Kontrollsystems bewirkt. So wird nach dessen Inkrafttreten eine Beschwerde künftig auch dann vom Gerichtshof als unzulässig eingestuft werden können, wenn der Fall noch keiner gebührenden Prüfung (duly considered) durch ein nationales Gericht unterzogen worden ist (Art. 5 des 15. P-EMRK). Auch wird die Verweisung einer Rechtssache an die Große Kammer des Gerichtshofs nach Art. 30 EMRK künftig ungeachtet des Widerspruchs einer Partei möglich sein (Art. 3 des 15. P-EMRK). Besonders hervorzuheben ist außerdem die Verkürzung der Beschwerdefrist für das Individualbeschwerdeverfahren (Art. 35 Abs. 1 EMRK) von derzeit sechs auf nur mehr vier Monate (Art. 4 des 15. P-EMRK). Es ist zu erwarten, dass auch diese durch das 15. Protokoll zur EMRK bewirkten Veränderungen zu einer Reduzierung der Arbeitsbelastung des Gerichtshofs beitragen werden.

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Die durch das 16. Protokoll zur EMRK vom 2.10.2013 (CETS 214) neu geschaffene Möglichkeit, konkrete Auslegungsfragen von nationalen Gerichten dem EGMR zur Vorabentscheidung vorzulegen, dürfte ihr Übriges dazu beitragen, eine konventionsgemäße Rechtsdurchsetzung durch die Vertragsstaaten zu gewährleisten und so insbesondere die Zahl der beim Gerichtshof erhobenen Individualbeschwerden zu verringern.[56]

Teil 1 Europäischer Gerichtshof für MenschenrechteA. Einführung › VIII. Urteile und Entscheidungen gegen Deutschland

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