Читать книгу Erávior - Das Erbe der Kaiser - - Robert Gevers - Страница 3

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Kapitel 1

Der warme Regen des Spätsommers prasselte auf Alriks Robe. Seine Kapuze hatte er tief in die Stirn herunter gezogen. Für seinen großen Marsch in die Hauptstadt Tries hatte er sich wahrlich besseres Wetter gewünscht, dennoch blieb er bei seiner guten Laune und vorfreudigen Stimmung. Das Haus seiner Eltern in seinem Heimatdorf Dról, südlich von Windheim, hatte er am frühen Morgen hinter sich gelassen. Bei sich trug er nur das nötigste an Gepäck, in seinem Rucksack befanden sich ein Laib Brot, Hartwurst, Wurzelgemüse und ein paar Äpfel, der Trinkschlauch war gefüllt mit Wasser und in einer weiteren Tasche befand sich sein Zelt und Kleidung zum wechseln. Der Breitdolch seines Vaters war an Alriks Stiefel befestigt und sollte ihn im Falle eines Falles vor Gefahren schützen. Alrik hatte sich auf den Weg nach Tries gemacht, um dort die Akademie des ewigen Wissens zu besuchen. Drei lange Jahre, des Lernens und erwachsen werden lagen vor ihm. Nicht jeder Bewohner des großen Landes Erávior erhält hierzu die Gelegenheit und so erfüllte es Alrik mit großem Stolz, diesen Weg gehen zu dürfen. Sein Lehrer, der alte Jamek hatte für Alrik eine Empfehlung an die Akademie geschrieben und vor einer Woche wurde es dann Wirklichkeit, als ein kaiserlicher Bote zu Pferd nach Dról geritten kam, um Alrik seine Aufnahmebestätigung auszuhändigen. Alrik glaubte seinen Augen nicht und konnte sein Glück kaum fassen. Mit der Nachricht des Boten rannte er an jenem Tag direkt zum Schulgebäude von Dról, einem windschiefen Häuschen mit grünen Fensterläden und einem großen, schweren roten Tor, das beim öffnen jedes Mal so laut ächzte, dass es das ganze Dorf hören konnte, wenn jemand zu spät zum Unterricht erschien. Jamek hockte in der kleinen Bibliothek der Schule als Alrik auf ihn zugerannt kam. Er hob seinen Blick von den Zeilen, in die er gerade noch vertieft aus seinen kleinen, grauen Augen geschaut hatte und fiel beinahe von seinem Stuhl, als Alrik ihn aus dem Lauf heraus fest in den Arm nahm. „Danke Magister Jamek, ich wurde angenommen, ich darf nach Tries!“ Jamek grinste Alrik an und klopfte achtungsvoll auf seine Schulter. „Nicht mir musst du danken mein Junge, das hast du selbst zu verantworten, du bist mein bester Schüler gewesen, was blieb mir da anderes übrig, als denen in Tries zu schreiben, dass sie sich von nun an mit deinem Wissensdurst plagen sollen.“, sprach der liebenswerte Magister und drückte dabei Alrik etwas in seine Hand. „Möge dich dieser Talisman auf deinen Wegen schützen und dich sicher an jedes deiner Ziele bringen.“ Alrik bekam auch jetzt wieder eine Gänsehaut, als er an diesen Moment dachte und hielt den Talisman, den er vom alten Jamek geschenkt bekommen hatte fest zwischen seinen Fingern. Auf einer kleinen runden Scheibe, die an einer Kette hing, waren die Symbole der drei Götter eingraviert, sicher kein wertvolles Schmuckstück, aber für Alrik war es das kostbarste, was er je besessen hatte und für ihn von besonderer, persönlicher Bedeutung. Jamek war mehr für ihn gewesen als nur sein Magister, vieles hatte er dem weisen und gutherzigen, alten Mann zu verdanken. Manches Mal fühlte Alrik sich von Jamek besser verstanden und mehr angenommen, als von seinen eigenen Eltern. Sich von ihnen zu verabschieden war dennoch das schwerste. Als einziges Kind der Familie mussten Alriks Eltern ihn schweren Herzens ziehen lassen. Die mütterliche Sorge über ihren einzigen Sohn, allein auf Wanderschaft und dann fort für drei Jahre in der großen, bunten und verrückten Hauptstadt Tries, das wollte Alriks Mutter zunächst nicht wahr haben. Alriks Vater hingegen plagten mehr die Gedanken, wie es ohne die Hilfe seines Sohnes auf dem kleinen Hof weitergehen sollte, schließlich blieb nun all die Arbeit der folgenden Jahre an ihm haften und dabei würde er nicht jünger werden. In Gedanken an den Abschied versunken erreichte Alrik am frühen Abend seiner ersten Tagesreise die Tore Windheims. Bis hierher kannte er den Weg. Einige Male war er ihn bereits an der Seite seines Vaters gegangen, um zum großen Viehmarkt zu ziehen. Windheim zählt zu den größeren Städten Eráviors und wirkt dennoch sehr provinziell. Die Bewohner sind einfache Bauern oder Handelsleute, einige Handwerksbetriebe und Gasthäuser findet man hier ebenso, wenn man sich durch die engen Gassen, über das Kopfsteinpflaster hinweg bewegt. Die Häuser stehen dicht an dicht und sind äußerlich von Fachwerk verziert, ihre Dächer ragen spitz in den Himmel und alle Wege der Stadt verlaufen sternförmig zum großen Marktplatz. Dort findet man auch den Windheimer Dreigöttertempel. Ein ziemlich großes, etwas klobig wirkendes Bauwerk, aus Holz und Stein mit drei Pforten, die jeweils in den Farben der Götter Xania, Horis und Fairo gehalten sind. Alrik steuerte direkt auf den Tempel zu. Bislang hatte er ihn immer nur von außen gesehen. Als erster Stopp auf seiner Reise war ihm ein Besuch in den heiligen Hallen eine Herzenssache und außerdem eine Gelegenheit, sich bei den Göttern für ihr Wohlwollen mit ihm zu bedanken und den Schutz für seine Reise zu erbitten. Alrik durchschritt das rote Tor der Göttin Xania, nicht weil er sich zu ihr mehr hingezogen fühlte, als zu Horis oder Fairo, viel mehr, weil sich Alrik davon versprochen hatte, die Göttin des Lichts um besseres Wetter zu bitten. Seine Robe war äußerlich vom Regen durchtränkt und hatte sich bereits mit Wasser vollgesogen, jedoch hielt sie ihn darunter immer noch trocken und nach kurzem prüfen, stellte Alrik fest, dass auch sein restliches Reisegut unter dem Schutz des dicken, mit Leder verstärkten Stoffes nicht in Mitleidenschaft gezogen worden war. Alrik löste seinen Rucksack vom Rücken, stellte diesen beiseite und betrat ehrfürchtig die Tempelhalle. Sein erster rundumblick verriet ihm, dass zu dieser Stunde bis auf eine Hand voll Geweihter niemand außer ihm da war. Die Halle war innen sehr kühl und wirkte riesig, in den Bankreihen brannten vereinzelt Kerzen und am hinteren Ende des Tempels befanden sich drei Altare, die im Halbkreis zueinander aufgestellt waren. Jeder Altar trug das Gesicht eines Gottes, es wirkte so, als würden sie sich gegenseitig anschauen und dabei gleichzeitig den Blick auf alles und jeden richten, der sich ihnen näherte. So wie es von klein auf einem jeden beigebracht wurde kniete Alrik vor den Altären nieder und hielt für einen Moment inne. Als er sich erhob bemerkte er, dass ein Geweihter in grüner Kutte direkt neben ihm stand. „Fairo und seine Geschwister grüßen dich.“, sprach der Geweihte und fasste dabei Alrik an die Hände. Die Hände des Geweihten strömten eine angenehme Wärme und Wohlbehagen aus. „Du bist willkommen, bleib solange du magst.“ „Vielen Dank.“, entgegnete Alrik und verneigte sich vor seinem Gegenüber. „Mein Name ist Alrik Rodensen, ich komme aus Dról. Für meine Reise nach Tries möchte ich die Götter um ihren Schutz bitten.“ „Soso, ein junger Wandersmann auf der Reise nach Tries.“, sprach der Geweihte und legte dabei seine Kapuze ab. Alrik schaute in das Gesicht eines Mannes, dessen Augen Weisheit und Reife verrieten, seine feinen, glatten Gesichtszüge hingegen schienen fast jugendlich. „Mein Name ist Phileas, wenn du magst sprechen wir gemeinsam zu den Göttern.“ Alrik nahm das Angebot dankend an und folgte Phileas zum Altar von Fairo, dem Gott der Pflanzen- und Tierwelt, sowie der Ernte und Schöpfung. In den Altar war eine kleine Mulde eingelassen, in der sich neben ein paar Kupfer- und Silberstücken auch verschiedene Kräuter und Sträucher befanden. „Wenn du magst kannst du dir aus der Schale etwas für deinen Weg mitnehmen. Fairo und seine Geschwister meinen es gut mit dir, das kann ich spüren. Bevor du dann gehst, gibst du wiederum eine Kleinigkeit von dem ab, was du entbehren kannst und legst es in die Schale.“ Alrik griff sich einen Zweig Wirselkraut, diese Pflanze hat er gleich erkannt, sie wächst vor allem in höheren Regionen und ist im Mittelland recht selten. Getrocknet lässt sich aus ihr ein schmerzlindernder Tee zubereiten, kaut man die frische Pflanze verhilft sie einem zu einem langen, erholsamen Schlaf. Alrik bedankte sich bei Phileas, verstaute den Zweig Wirselkraut in seinem Gepäck und nahm einen seiner Äpfel, welchen er dann in die Altarschale legte. „Fairo dankt dir für deine Gabe und falls du noch kein Nachtlager haben solltest junger Wanderer, so sei dir sicher, dass Fairo seine schützende Hand über dein Zelt halten wird, Xania wird noch heute Nacht, den Himmel aufklaren lassen und Horis sendet dir Mut für jeden deiner Schritte. Du bist besser beraten Alrik Rodensen, wenn du die zwielichtigen Herbergen und Wirtshäuser dieser Stadt meidest und nördlich der Stadttore am Wegrand dein Zelt aufschlägst.“ „Habt vielen Dank Phileas für euren Rat, ich bin mir sicher, ich werde da draußen irgendwo ein gemütliches Plätzchen finden und morgen früh dann weiter Richtung Tries ziehen.“ Alrik und Phileas verabschiedeten sich voneinander und als der junge Wanderer den Tempel verließ hatte es aufgehört zu regnen, so wie Phileas es gerade gesagt hatte. Alrik setzte seinen Weg fort und tat dies nun mit etwas schnellerem Schritt. Bald würde es dunkel werden, höchste Zeit also, das Nachtlager aufzuschlagen dachte er bei sich und zog durch die Gassen Windheims Richtung Nordtor weiter. Einige Leute huschten eilig durch die Straßen um letzte Besorgungen zu verrichten, hier und da verriegelten Geschäftstreibende ihre Läden, ein Hund wechselte bellend die Straßenseite und jagte einer aufgescheuchten Katze hinterher. Im Grunde genommen dachte Alrik, ist alles hier ähnlich wie in Dról, bloß größer und voller. Wie es wohl erst in Tries werden würde. Bislang kannte er die Hauptstadt nur aus den Geschichten und dem Unterricht bei Magister Jamek. Alrik wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich direkt vor seiner Nase mit viel Schwung eine Tür öffnete und diese ihn um ein Haar getroffen hätte. Kurz darauf folgte mit ebenso viel Schwung ein Mann der torkelnd direkt in Alriks Arme lief. „Hey Bürschheeen passs uff wode hinläufst, sonst gibt’s eine!“ Alrik hatte nicht vor sich zu prügeln und eine Diskussion mit dem betrunkenen Mann erschien ihm ebenso zwecklos, also sagte er nur kurz „Verzeihung“, und setzte seinen Weg fort. Alrik drehte sich noch einmal prüfend zu dem Mann und dem Haus um und blickte dabei auf ein Schild mit der Aufschrift „Wirtshaus zum torkelnden Mann“. Durch diese Begebenheit und der freundlichen Vorwarnung von dem Geweihten Phileas ging Alrik nun frohen Mutes auf seine Nacht unter freiem Himmel zu. Als er das Nordtor passierte, schnarchte der Torwächter im kleinen Türmchen über ihm so laut und mit voller Inbrunst, das Alrik sich ein schmunzeln und Kopfschütteln nicht verkneifen konnte. Eine ganz eigene und besondere Art der Stadtmauerverteidigung dachte er mit leichtem Sarkasmus, oh oder gar Abschreckung vor Streunern aus dem Umland? Oder vielleicht doch die hohe Kunst des Bärenbrummens, um Wildtiere von der Stadt fernzuhalten? Wie auch immer, Alrik konzentrierte sich wieder voll und ganz auf sein erstes Etappenziel und sah sich um. Vor ihm lag ein Weg mit Steingeröll, der sich in zwei Richtungen gabelte. Zu beiden Seiten des Weges verlief Mischwald. Ein Wegweiser zeigte nach Osten, dort stand geschrieben:

„Zorndal - fünf Tagesmärsche“

das andere Schild zeigte nach Norden

„Ackerfurth - zwei Tagesmärsche“

Alriks weitere Reise gen Tries führte eindeutig Richtung Norden. Unweit der Weggabelung, etwas abseits vom Wege, fand der junge Wanderer ein nettes Plätzchen und dort baute er sein Zelt auf.

Erávior - Das Erbe der Kaiser -

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