Читать книгу Erávior - Das Erbe der Kaiser - - Robert Gevers - Страница 9

Kapitel 6

Оглавление

Es war noch stockfinstere Nacht, als Alrik aus einem tiefen Schlaf erwachte. Der Mond schien hell auf eine breite Fuhrstraße, welche zu beiden Seiten von dichten Wäldern umgeben war. Wladislaus lenkte den Karren in zügigem Tempo und drehte sich zu Alrik herum. „Oh, sieh mal einer an, der junge Alrik ist erwacht. Wir sind gut vorangekommen Junge. Ich fahre am liebsten in der Nacht weißt du, dann ist nicht so viel Betrieb auf den Kaiserstraßen. Sollen sich die anderen hier doch am Tage stauen und sich mit ihren fetten Kutschen die Räder brechen, weil sie vom Weg abkommen um sich gegenseitig auszuweichen oder zu überholen. Das hab ich oft genug erlebt und das brauche ich nicht mehr. Ist so ein Rad erst mal gebrochen und das geht schneller als einem lieb ist, vergehen kostbare Stunden bis man weiter kann. Manch einer der das Flickwerk nicht versteht, oder gar das Pech eines Achsbruchs hat, dem bleibt nichts anderes übrig, als an Ort und Stelle aus dem Karren Kleinholz zu schlagen und seine Fracht gegen viel Geld auf den Wagen eines anderen umzuladen. Nicht so einfach das Kutscherleben glaube mir. Aber schön, wenn du etwas schlafen konntest.“ „Ist es denn dafür nicht in der Nacht gefährlicher, ich meine wenn man so allein unterwegs ist?“, erkundigte sich Alrik. „Natürlich ist es das.“, gab Wladislaus knapp zurück und Alrik hätte sich gewünscht, lieber nicht nachgefragt zu haben. „Nun schau nicht so ängstlich Junge.“, setzte Wladislaus fort. „Du bist unterwegs mit Wladislaus, dem Bärenfänger. So lange wie ich fahre, hat sich noch kein Gesindel getraut meinen Karren zu überfallen. Davon würde ich auch jedem abraten, der an seinem Leben hängt. Es gibt zwar zwielichtige Gestalten und Räuberbanden, auch in diesen Wäldern gewiss, aber wenn sie zuschlagen, dann picken sich die Schurken meist wehrlose Bauern aus, oder Edelleute deren Schutzbegleiter vor lauter guter Bezahlung zu fett geworden sind, um sich ernsthaft im Kampfesfall verteidigen zu können. Diese Räuberbanden von denen ich spreche, spähen ihre Opfer genau aus und sind schlau genug, um nur dann zu überfallen, wenn sie sich ihrem Erfolg zu einhundert Prozent sicher sind. Die Strafen, welche auf solch götterlose Taten verhängt wurden sind drastisch und da geht kein Gauner ein Risiko ein, erwischt zu werden. Eine Bande aus ehemaligen Söldnern soll sich nach Gerüchten zufolge unweit von hier ein Quartier aufgebaut haben und für einige Überfälle aus der jüngsten Zeit verantwortlich sein. Das sind alles verbitterte, pensionierte, ehemalige Soldaten, wenn du mich fragst, die nach Ende der Kriege und mit Anbruch der Regierungszeit der drei Kaiser ihre Stellungen verloren hatten. Die drei Kaiser brachten den Frieden über Erávior und den meisten auch Wohlstand, nicht aber jenen, die nun mal mit Kämpfen ihren Soll erhielten. Zu tausenden wurden die ehemaligen Retter des Landes entlassen, sofern man für sie keine andere Verwendung fand, dem Kaiserreich zu dienen. Viele ehemalige Soldaten kommen auch heute noch sehr gut mit der saftigen Abfindung aus, welche sie dafür erhielten, aber manch einer verprasste all sein Gold, verspielte oder verzechte es und rutschte so auf die falsche Bahn. Eigentlich können sie einem auch irgendwie leidtun, aber dennoch kein Grund andere zu berauben, oder gar schlimmeres.“ „Und wenn sie erwischt werden, was geschieht mit ihnen?“, fragte Alrik interessiert nach. „Nun, die drei Kaiser haben über ganz Erávior strenge Gesetze verhängt, die rigoros vollstreckt werden. Bei Raub, Gewalt, oder gar Mord steht einem das Exil ins kalte Land bevor. Wirst du beim Klauen erwischt, dann hast du den doppelten Wert des Diebesgutes in die kaiserlichen Kassen zurück zu zahlen und wenn du nicht zahlen kannst, wird sich das Geld von deiner Familie geholt. Vorausgesetzt natürlich, man wird einer Tat überführt und für schuldig befunden. Gibt es Zeugen oder Anschuldigungen für solche Taten, wird der Beschuldigte einem Morguhl, den sehenden Richtern überführt. Diese haben die Gabe in die Seele einzudringen und erkennen so, ob schuldig oder nicht. Für alle Straftaten die jedoch ungesehen passieren gibt es noch die Einhundert-tausend Krähen.“ „Einhunderttausend Krähen?“, hakte Alrik nach.“ „So ist es. Sie sind die Spione und Wächter der Lüfte. Lust auf eine kleine Geschichte dazu?“ Alrik nickte eifrig. Er hing gebannt an Wladislaus Worten und ihm gefiel die Art wie er erzählte. Außerdem konnte er so etwas seine Angst ablegen und konzentrierte sich nicht mehr auf jedes rascheln und knacken vom Wegesrand. „Nun gut.“, setzte Wladislaus fort und legte dabei einen Blick auf, der erkennen ließ, wie sehr er auch jetzt noch in der Vergangenheit und den alten Geschichten schwelgte. Für einen Moment ging er andächtig in sich, schnaufte einmal tief ein „Hach ja, die guten alten Zeiten“ heraus, lehnte sich etwas zurück und begann zu erzählen: „Ich war noch ziemlich jung, etwa so alt wie du Alrik, da habe ich es mit eigenen Augen sehen dürfen. Auf dem Kaiserplatz in Tries, es war der vierte Amtstag der drei Kaiser, ließen sie die neuen Gesetze verlauten. Ich war einer von vielen, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Ach was rede ich, viele? Es waren Massen. Nie zuvor und nie mehr danach habe ich so viele Menschen auf einem Haufen gesehen. Dann trat Kaiser Simais persönlich vor das Volk. Ohne jeden Zweifel ist er der mächtigste Schattenläufer den es gibt. Als er die Stimme erhob war es so, als würden seine Worte wie Musik durch alle Winkel und Gassen der riesigen Hauptstadt schweben. Er verkündete zum Schutze aller Völker Einhunderttausend Krähen in die Lüfte steigen zu lassen und sie in alle Himmelsrichtungen Eráviors auszusenden. Alrik sieh nur, auch jetzt habe ich noch eine Gänsehaut beim Gedanken daran. Simais hob seine Hände weit über seinen Kopf und sprach dabei beschwörend:

„Die Augen der Krähen sind die meinen, wo sie sind bin ich, was sie sehen, sehe ich. Lebt in Einklang und Frieden!“

„Dann klatschte Simais die Hände zusammen und hinter ihm stiegen aus den hohen Türmen des Palastes Einhunderttausend Krähen auf. Sie bildeten eine dunkle Wolke, welche einem Auge glich. Eine Weile stand das Auge über dem Kaiserpalast, dann flogen die Krähen in alle Himmelsrichtungen los und die Menge jubelte begeistert und ehrfürchtig. Vierzig Jahre ist dies nun her und ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.“ Alrik erinnerte sich daran, dass sein alter Lehrer Magister Jamek auch von den kaiserlichen Zeremonien erzählt hatte. Über eine Woche soll es gegangen sein. Kundgebungen, Götterzeremonien, ausschweifende Feste über Tage und Nächte, öffentliche Verhandlungen und Richtersprüche gegen üble Schurken aus alten Zeiten und und und. Alrik beschäftigte eine Frage bei dem ganzen und er hakte direkt bei Wladislaus nach um seinen Wissensdurst zu stillen. „Wie viele der Krähen mag es nach all der Zeit denn noch geben, die leben ja auch nicht ewig oder?“ „Eine gute Frage.“, musste Wladislaus zugeben. „Das weiß natürlich niemand so genau, aber es war mächtige Magie am Werk und ich denke es ist nicht ausgeschlossen, dass die nächste Krähe der wir begegnen, vielleicht sogar eine von damals ist, die von Kaiser Simais beschworen wurde. Was man jedoch mit Gewissheit sagen kann, ist das die Anzahl von Verbrechen und Leid von jener Zeit an drastisch zurück gingen. Alles hat sich zum Guten entwickelt, sie herrschen hart aber gerecht, seit sie Einzug in den Palast erhalten haben. Lang leben die drei Kaiser!“ „Lang leben die drei Kaiser!“, erwiderte Alrik. „Sind die Kaiser nicht schon inzwischen sehr alt Wladislaus? Was wird werden, wenn sie einmal nicht mehr sind?“ „Du stellst vielleicht Fragen Junge.“ Wladislaus zog eine leichte Denkerfalte auf seiner Stirn. „Lass mich mal überlegen. Also Kaiser Simais der Schattenläufer, wird inzwischen auf zweihundert Jahre geschätzt, nicht ungewöhnlich für mächtige Schattenläufer. Manche sollen sogar zweihundertfünfzig oder noch älter geworden sein. Da kommt ihnen sicherlich ihre Lebensweise zu gute. Sie schmähen Alkohol, essen kein Tier und sicher spielt auch die Magie eine Rolle, welche sie inne haben. Man sagt auch, dass Simais immer noch so aussieht wie damals, als er einen der drei Kaisertrohne bestiegen hatte. Er ist dünn und groß gewachsen, seine Augen Eisblau und so tief wie die Meere, er trägt langes silberblondes Haar, ist stets gut gekleidet, in den feinsten Stoffen und Gewändern. Seine Mäntel sind verziert mit Stickereien und Ornamenten aus Samt und Seide und seine Ohren spitzer als bei allen anderen Schattenläufern, die ich je zu Gesicht bekam. Man sagt, je spitzer die Ohren, umso mächtiger die Magie. Simais hat als einziger der drei Kaiser keine persönlichen Leibwächter. Dafür wird er stets begleitet von seinem Schatten-wolf Zartax, der ihm nicht von der Seite weicht. Das Tier hat eine Schulterhöhe von einhundert-fünfzig Zentimetern und ist damit beinahe doppelt so groß, wie ein gewöhnlicher Wolf. Das ist schon allein eine Erscheinung sag ich dir Alrik, die man gesehen haben muss. Simais gilt unter den drei Kaisern als der Weise, der ruhende Pol und als ausgezeichneter, überlegter Stratege. Von einem ganz anderen Schlag und Charakter ist da Kaiser Ugraschim, er bevorzugt den rauen Ton, wenn ihm etwas nicht passt, sollen auch schon mal Skulpturen und kostbare Vasen durch die Hallen des Kaiserpalastes geflogen sein. Ein jähzorniger und grimmiger Zwerg, wie er im Buche steht. Es wird über ihn erzählt, dass er sein schweres, goldenes Kettenhemd nur für ein heißes Bad ablegen würde und sogar darin nächtigt. Seinen inzwischen kahlen Schädel bedeckt er mit einem prunkvollen Helm, der mit zwei Drachenhörnern verziert ist. Seinen gewaltigen Kriegshammer, der ihn selbst an Länge überragt, trägt er immer bei sich und so wirkt er selbst bei einer normalen Unterredung stets kampfbereit. Ugraschims militärisches Wissen rund um Kriegsstrategien ist von unglaublichem Wert. Mit seinen Einhundertzweiundneunzig Jahren hat er vieles gesehen, unzählige Schlachten selbst geschlagen und nie eine Niederlage verzeichnen müssen. Doch anders als bei Kaiser Simais, ist Ugraschim sein hohes Alter anzusehen. Er ist auf dem Scheideweg seiner Lebensjahre angekommen. Berichten zufolge, zeigt er sich kaum noch in der Öffentlichkeit, soll knochenmüde und ruhiger geworden sein. Als er noch alleinherrschender König der Zwergen-metropole Zorndal war, hätte Ugraschim es im Kampfe allein mit zehn Männern aufgenommen. Nach seiner Berufung zum Kaiser übergab er seine Königskrone an seinen engsten Vertrauten Grim Eisenbart.“ Alrik dachte einen kurzen Moment, dass er gerade nicht richtig gehört hat. „Wladislaus, sagtest du gerade Grim Eisenbart?“ Wladislaus bestätigte durch ein nicken und Alrik dachte unweigerlich an seine Begegnung mit Brodin dem Zwerg, der sich als Sohn des Grim betitelt hatte. War sein Kampfgegner tatsächlich ein Königssohn gewesen? Wladislaus riss Alrik aus seinen aufkeimenden Gedanken über das Geschehene und der Vision des Schattenläufers und redete unermüdlich weiter: „Der eigentliche Thronfolger von Ugraschim, sein einziger Sohn Bandosch, starb in der Völkerschlacht, als die Barbaren aus den Blutzinnen einfielen, plünderten und mordeten. Dieses ungläubige Pack! Alrik ich wünsche dir, dass du ihnen nie über den Weg laufen wirst. Barbaren sind keine Menschen in meinen Augen, eher eine Kreuzung aus Mensch, Riese und wildem Tier. Doch lange vorbei die Zeit, wo sie eine ernsthafte Bedrohung waren. Nur noch wenige Hunderte sollen übrig sein aus den vielen Schlachten von damals. Inzwischen leben sie tief zurückgezogen in den Gebirgspässen der Blutzinnen und lassen sich maximal für einen Handel mal blicken. Man sagt Ugraschim sei nie über den Tod seines Sohnes hinweg gekommen und dürfe er allein entscheiden im Kaiserpalast, dann gäbe es heute vermutlich gar keine Barbarenstämme mehr in den Gebirgen des Ostens. Die Entscheidung der drei Kaiser war hierzu jedoch mehrheitlich, so dass man den Barbaren nach ihrer finalen Niederlage das Leben ließ, sich mit ihnen auf Handel einigte und somit die neue Generation dieses Volkes verschonte. Jene Barbaren allerdings, die damals kriegstreibend waren und wegen ihrem Größenwahn Unheil über das Land brachten, verbannte man ins Exil nach Exilus, oder richtete sie öffentlich hin. Die Hinrichtung des Barbaren-königs Hordal führte Kaiser Ugraschim persönlich durch. Dies ließ er sich nicht nehmen, doch seinen Frieden fand er so auch nicht.“ Wladislaus verstummte und man sah ihm tiefes Mitgefühl an. „Hast du selbst Kinder?“, fragte Alrik nach einer Weile des Schweigens. „Ja mein Junge, einige sogar, du wirst sie kennenlernen, wenn wir in Ackerfurth sind. Bis dahin haben wir aber noch ein kleines Stück zu fahren. Magst du noch etwas über den letzten der drei Kaiser hören?“ „Unbedingt!“ Alrik setzte sich nun neben Wladislaus und lauschte gespannt seinen weiteren Erzählungen. „Nun, sein Name ist Kaiser Corján, auch der junge Kaiser genannt. Er war erst zweiundzwanzig Jahre alt, als er den kaiserlichen Thron bestieg. Sein Vater war der ehrenwerte König Egir. Egir starb ebenfalls in der großen Schlacht der Völker. Als im Osten die Barbaren schon bezwungen waren, stellte er sich allein auf einem Feld vor den Stadtmauern von Tries dem achtgehörnten Drachen Levton. Das Feld glich einem Scheiterhaufen und einem Grab, welches von Egirs Truppen und Gefolgsleuten übersät war. Der Drache Levton, von einem dunklen Magier beschworen, hatte ganze Dörfer mit seinem Feuerschwall niedergebrannt und nichts schien ihn aufhalten zu können. Levton stürzte sich auf König Egir, wie die Katze auf eine Maus. Egir umklammerte sein Schwert mit letzten Kräften, rammte es in dessen Brust, durchbohrte den schuppigen Panzer des unheilbringenden Monsters und durchstieß Levtons Herz. Bevor der Drache jedoch für immer seine Augen schloss und ein letztes Mal schwarzer, stinkender Rauch aus seinen Nüstern stieg, ergriff er König Egir und zerquetschte ihn zwischen seiner Klaue. Noch heute bewundern abertausende Besucher der Kaiserstadt die Stelle, an der es einst geschah. Der damalige Kriegsschauplatz wurde zu einem gläsernen Museum, unter dessen Kuppel das Skelett des Drachen Levton und die Gebeine von König Egir liegen, sowie dessen Schwert, welches den klangvollen Namen Dragatei erhielt, was so viel wie Drachentöter bedeutet. Nachdem die Zwerge im Osten die Barbaren besiegt und König Egir im Herzen des Landes, die finale Niederlage und das Ende der Menschheit durch den Drachen Levton vereitelt hatte, besiegelten die Schattenläufer das endgültige Ende des großen Krieges. Sie ritten aus den Wäldern der Allachtei herbei und holten jedem Volk, ganz gleich ob Mensch oder Zwerg, dessen Dörfer und Städte zurück, die noch von den Invasoren besetzt wurden. Die Invasoren, so nannte man sie, waren jene, die sich dem grausigen Angriff und Krieg des dunklen Magiers Narkemus angeschlossen hatten. Zum einen die Barbaren, Narkemus versprach ihnen das Mittelreich, Gold und Reichtum wenn sie ihm folgen und für ihn kämpfen. Zu seiner Armee zählten aber auch Menschen, die sich teils für einen vollen Geldbeutel rekrutieren ließen und zum anderen Teil aus schierer Angst vor Narkemus selbst ihm die Treue und Gefolgschaft geschworen hatten. So sammelte der Schwarzmagier über Jahre hinweg zehntausende Invasoren um sich und seinen finsteren Turm in den Mooren des Nordens bis er schließlich genügend Macht erlangt hatte und mit einem Zauber seine Energie in die des Drachen Levtons legte. Als Levton starb, starb auch Narkemus. Sein gruseliger finsterer Turm steht jedoch noch heute in der Nähe von Moorhus. Ein paar abenteuerlustige Jünglinge machen sich immer wieder auf, um den Turm zu erkunden, jedoch ist von ihnen nie jemand zurückgekehrt. Also Alrik falls es dich mal in die Sümpfe verschlägt, mach nen Bogen um den Turm. Entschuldige, ich bin ganz vom Thema abgekommen, zurück zu Kaiser Corján. Nach dem Tod seines Vaters stand Corján die Thronfolge zu. Corján jedoch überraschte alle und verzichtete auf seinen Erbanspruch. Stattdessen rief Corján die Anführer der beiden anderen großen Völker zu sich. Nämlich Ugraschim und Simais. Zwerge, Schattenläufer und Menschen haben Seite an Seite gekämpft und einen schrecklichen Krieg gewonnen. Corján befand, dass es an der Zeit wäre, einen Vertreter eines jeden Volkes zu krönen und ihm zu gleichem Recht, regierend im Sinne aller, im Königspalast einen Platz neben sich zu bieten und einen Thron zu stellen. Corján rief zu einem Völkerentscheid auf und sandte dafür bis in die abgelegensten Winkel Eráviors Reiter aus, welche die Stimmen einholten, ob eine neue Regentschaft aus drei Vertretern aus drei Völkern, oder weiterhin eine alleinige Herrschaft gewünscht sei. Es vergingen Monate, bis die Reiter aus allen Provinzen zurückkehrten und die Volksstimme eingeholt hatten. Die Wahl war gefallen Alrik und sie war eindeutig. Corjáns Idee wurde mit großer Mehrheit begrüßt und der junge Mann, der so überraschte und begeisterte versprach all denen, die gegen seine Idee gestimmt hatten, dass sie eine persönliche Vorsprache bei ihm erhalten, wenn sie nach einem Jahr der neuen Regentschaft immer noch mit dieser Wahl unzufrieden sind. Kaiser Corján hielt sein Versprechen, bis heute empfängt er persönlich Bürger aus allen Gegenden und Winkeln des Landes und hört sich ihre Anliegen an. Er hat immer eine gütige Lösung gefunden. Er ist der Inbegriff des Friedens wenn du mich fragst Alrik. Der Rat der Ältesten, Gelehrte und Vorsteher von allerlei Dörfern, Städten und Provinzen zogen nach der Wahlverkündung zum Königspalast und brachten uralte Mitschriften und Folianten. Ganz gleich, von woher sie kamen, jeder übermittelte Corján, Simais und Ugraschim dieselbe Botschaft. Es ist nämlich eine Prophezeiung von mehr als tausendjähriger Vergangenheit, die besagte, das genau diese neue Regentschaft kommen wird. Die Zeit der drei Kaiser, so stand es geschrieben und so wurde kurzerhand entschieden, dass aus dem Königshaus ein Kaiserpalast wird und jeder der drei eine eigene Krone, so wie einen eigenen Thron erhält. Corján ließ die Krone seines Vaters einschmelzen, Ugraschim gab seinen Königssiegelring aus Zwergengold hinzu und Simais seine Kette aus Allachteistaub, dem wohl kostbarsten und seltensten Diamanten überhaupt. Die Schmiede des Kaiserpalastes schufen so drei Kronen, welche an Schönheit und Ausdruck der Macht nicht zu übertreffen sind. Wahrlicher Glanz Alrik, wahrlicher Glanz. Kaiser Corján ist mit seinen zweiundsechzig Jahren inzwischen ein älterer Herr geworden. Von allen drei Kaisern ist er derjenige, der dem Volke am nahesten ist. Er zeigt sich von allen am häufigsten, scheint im Laufe der Regentschaftsjahre so etwas wie die Stimme der drei geworden zu sein. Wen wundert es bei seiner Aura, er betritt einen Platz und alles verstummt, er steht nicht dabei im Mittelpunkt, er ist der Mittelpunkt. Aber glaube nicht, dass er arrogant sei oder ähnliches. Er besticht durch seinen Charme, die Kunst des Redens und der Diplomatie, ein großartiger Mensch, ein kluger Kopf und geschickter Vermittler. Wir können alle froh sein, dass wir ihn, Simais und Ugraschim haben Alrik. Damit sie immer gut beschützt sind, stehen Ugraschim und Corján Leibwachen zur Seite. Das sind Kerle poah, Alrik ich sage dir, weit über zwei Schritte hochgewachsene Recken, die vom Zeh bis zur Haarspitze aus Muskeln bestehen. Hin und wieder geben sie mit der Stadtmiliz von Tries Schaukämpfe zum Besten um das Volk und Stadtbesucher zu unterhalten. Das Spektakel solltest du dir nicht entgehen lassen. Wer das gesehen hat, wie die kämpfen, kommt nicht mal im Traume auf die Idee einen Angriff gegen einen der Kaiser zu wagen. Warum sollte jemand überhaupt so etwas schlimmes wollen, hm? Aber sicher ist sicher und mögen uns die drei Kaiser noch lange erhalten bleiben.“ „Beschreibe mir Kaiser Corján.“, bat Alrik Wladislaus und der begann in seinem Umhang zu kramen. Wladislaus holte ein altes Fünfer-Silberstück hervor, auf dessen Rückseite der Kopf eines Mannes abgebildet war. „Das ist eine sehr alte Münze, du siehst König Egir. Stell dir dazu vor, dass Corján einen kurzen, gepflegten Bart trägt, gräulich, dunkles Haar und eine normale Statur hat. Augen und Gesichtszüge wie seinem Vater aus dem Gesicht geschnitten. Die Frauen lieben ihn jedenfalls auch.“ Wladislaus musste kurz lachen. „Kannst ja mal meine fragen, wenn wir in Ackerfurth angekommen sind.“ „Was ist überhaupt mit den Frauen der Kaiser? Haben sie welche?“, hakte Alrik nach und wollte es genau wissen. „Hah, recht hast du mein Junge, lass uns doch mal von schönen Dingen sprechen, den Frauen.“ Wladislaus klopfte Alrik kräftig auf den Oberschenkel und zwinkerte ihm schmunzelnd zu. „Allerdings kann ich dir leider gar nicht so viel über sie berichten, wie über ihre Männer. Vermählt sind sie jedenfalls alle, das weiß ich. Kaiser Corjáns Frau Miljana ist ein paar Jahre jünger als er, sie waren schon zusammen, als sie fast noch Kinder waren. Unfassbar schön und gutherzig. Sie ist sehr engagiert um die Kinder, die Kranken und Ärmeren in der Kaiserstadt und sie übernimmt häufig die Rolle als Repräsentantin. Sie konnte Corján allerdings in all den Jahren kein Kind schenken und so kommt es immer wieder mal zu missmutigen Stimmen und Geschwätz in den Tavernen des Landes, ob sie die richtige für ihn sei. Ein Erbe ist eben doch eine wichtige Frage, wenn es um solch wichtige Persönlichkeiten geht. Nun ja, so macht man sich eben seine Gedanken, was mal werden soll, wenn Kaiser Corján eines Tages nicht mehr ist und Kaiser Ugraschim in den Hallen von Horis wandelt, oder Fairon entscheidet Kaiser Simais zu sich zu rufen. Möge es noch lange bis dahin dauern. Ugraschim ist mit seiner, oder soll ich besser sagen mit seinen Frauen ins Kaiserhaus eingezogen. Bei den Zwergen ist es eben doch etwas anders als bei uns Alrik. Vier Stück hat er, also mir reicht ja eine.“ Erneut musste Wladislaus lachen. „Die Mutter seines verstorbenen Sohnes Bandosch ist Harga, eine stattliche Zwergenfrau mit einem gewaltigen Busen und roten geflochtenen Zöpfen. Mit der sollte man es sich nicht verscherzen, ohnehin sollte man das nie mit einer Frau, schon gar nicht, wenn es eine Zwergenfrau ist. Nach außen sind die Männer zwar die Starken und Lauten, aber im trauten Heim weht ein anderer Wind. Ich war mal bei einem Handelsfreund, einem Zwerg aus Bruckwin nahe Zorndal eingeladen. Da hat seine Gemahlin ihn vor meinen Augen verhauen, weil er seine stinkenden Stiefel am Esstisch ausgezogen hatte. Danach konnte der Gute nicht mehr sitzen sag ich dir.“ Wieder verfiel Wladislaus in Gelächter, diesmal so sehr, dass der Karren unter ihm schaukelte. Auch Alrik musste lachen. Zu komisch stellte er sich die Situation vor und erinnerte sich unweigerlich an seine Begegnung mit Brodin Eisenbart, den er durch das ziehen im Bart irgendwie zu Boden gerungen hatte. „Lass mich überlegen.“, setzte Wladislaus fort. „Von Ugraschims anderen drei Frauen kenne ich die Namen leider gar nicht. Meist ist es so bei den Zwergen, dass eine kocht und den Haushalt macht, eine zum unterhalten da ist, eine sich um die Gesundheit der Familie kümmert und eine für die Liebe zuständig ist. Auf die Idee sollte ich mal kommen, da würde meine Frau mir aber zeigen wo die Tür ist sag ich dir. Kaiser Simais hat auch eine Frau wenn man es so bezeichnen will, die Schattenläufer gehen nämlich anstatt einer Partnerschaft oder Ehe, wie wir sie kennen, einen Seelenbund ein. Das ist alles etwas Magisches bei denen. Oder gar mystisch. Wie auch immer, Simais hat jedenfalls ein Seelenbündnis mit Andariell. Sie lebt als einzige Kaiserfrau, wenn man sie denn so nennen mag, nicht im Kaiserpalast, sondern ist in ihrer Heimat der Allachtei geblieben. Dort hat sie die Position von Simais eingenommen und ist wie eine Anführerin der Schattenläufer zu sehen.“ „Hat sie denn Kinder mit Simais?“, unterbrach Alrik. „Siehst du Alrik, du hast es verstanden. Das Erbe ist halt ein wichtiges Thema.“, gab Wladislaus eifrig nickend zurück. „So richtig weiß das keiner. In einem Seelenbund fühlen und spüren die Verbundenen gleich. Ihre Gedanken und nächsten Schritte können sie vorahnen und lenken. Ein Schattenläufer egal ob männlich oder weiblich fühlt sich eher mit der Natur in einer Partnerschaft. Dennoch müssen sie sich ja irgendwie fortpflanzen. Ich hab aber dazu noch keine Beobachtungen machen dürfen. Du wirst sicherlich noch vieles herausfinden und Antworten finden mein Junge, die ich dir in dieser Nacht, auf unserem Weg nicht geben konnte, aber jetzt möchte ich dich erst mal herzlich in Ackerfurth begrüßen.“ Wladislaus machte eine große einladende Geste als er den Karren um eine scharfe Kurve lenkte und auf einen schmalen Weg abbog, der direkt auf einen Hügel zulief. „Hinter dem Hügel liegt mein Hof und sieh nur, die Sonne geht auf, wir kommen pünktlich zum Frühstück.“ Alrik blickte aus müden Augen der Morgenröte entgegen. So nah war er der Hauptstadt Tries nie zuvor gewesen.

Erávior - Das Erbe der Kaiser -

Подняться наверх