Читать книгу Kleine Helden, große Abenteuer - Robert Habeck - Страница 6
ОглавлениеBen sitzt in seinem Zimmer und packt die Schienen seiner Eisenbahn in eine Reisetasche. Dabei summt er ein Lied vor sich hin. Eigentlich sind es viele Lieder, die alle ineinander übergehen. Ben ist so glücklich, dass er am liebsten alles auf einmal singen will. Heute zieht er zu Jakob.
Seine Mutter kommt herein. „Hast du auch daran gedacht, eine Zahnbürste und Unterwäsche mitzunehmen?“
Ben schüttelt den Kopf. „Dafür ist kein Platz mehr. Völlig unmöglich. Selbst der Eisenbahntunnel passt nicht mehr rein.“
„Dann lässt du ihn hier und nimmst dafür die Zahnbürste, Unterwäsche und den Schlafanzug mit zu Jakob. Diese Sachen kann man noch an die Seite quetschen“, sagt seine Mutter.
„Aber ohne Tunnel ist die Strecke langweilig“, mault Ben.
„Dann holst du ihn eben nachher oder morgen. Immerhin wohnt Jakob nur ein paar Häuser weiter.“
Aber Ben weiß nicht so recht. „Wenn ich wiederkomme, bleibe ich aber nicht zum Abendessen. Dann komme ich nur ganz kurz und gehe gleich wieder zurück zu Jakob.“
„Okay.“ Seine Mutter nickt.
„Und du bist wirklich nicht traurig, dass du jetzt zwei Mädchen hast und keinen Jungen mehr?“, fragt Ben.
Seine Mutter lächelt. „Ein bisschen traurig bin ich schon. Aber es ist ja zunächst nur für eine Woche.“
Ben ist sich nicht ganz sicher, ob seine Mutter den Ernst der Lage erkennt. Er hat keinen Zweifel, dass er auch danach bei Jakob bleiben will. So sehr wie auf den Geschwistertausch hat er sich bisher noch nicht einmal auf Weihnachten gefreut. Es klingelt an der Haustür. Jakobs Vater bringt Rebekka, die einen vollgestopften Rucksack trägt, aus dem oben zwei Plastikpferde herausgucken.
Ben gibt seiner Mutter einen Kuss. „Tschüss, Mama. Und vergiss nicht, sonntags bringe ich euch immer die Brötchen!“, sagt er zum Abschied.
Seine Mutter nickt und lächelt. „Viel Spaß bei Jakob.“ Sie bleibt in der offenen Tür stehen und legt Rebekka eine Hand auf die Schulter. Jakobs Vater winkt Rebekka zu, dann nimmt er zwei von Bens drei Taschen.
„Warum bringst du Rebekka? Musst du denn nicht arbeiten?“, will Ben auf dem Weg zu seinem neuen Zuhause von ihm wissen.
„Doch, natürlich. Aber erst später. Dafür komme ich dann erst nachts nach Hause“, erklärt der Vater von Jakob. Er ist Techniker bei einem Fernsehsender. Das hat Ben gar nicht gewusst. Er ist sonst erst nach der Schule und den Hausaufgaben zu Jakob gegangen. Und dann war der Vater schon weg.
Gerade biegen sie um die Straßenecke, da kommt Jakob ihnen schon entgegengelaufen und ruft: „Hallo, Bruder, super, dass du da bist!“
Ben schlägt in die erhobene Hand ein und lacht. Jakob schnappt sich die Tasche mit den Schienen.
„Vorsicht, da ist die Lok drin“, sagt Ben, als er sieht, wie Jakob die Tasche über den Bürgersteig schleift. Sein Vater hilft mit, die Taschen in Bens neues Zimmer zu tragen. Dann lässt er die Jungen allein.
„Wo ist deine Mutter?“, will Ben von Jakob wissen, und der antwortet: „Sie arbeitet in einer Werbeagentur.“
„Und wer bringt Rebekka sonst in den Kindergarten?“, fragt Ben. Seine Mutter ist immer zu Hause.
„Na, mein Vater natürlich“, sagt Jakob.
„Aber jetzt braucht er das nicht mehr zu machen. Jetzt bin ich ja statt Rebekka da, und wir beide gehen morgens gemeinsam in die Schule“, stellt Ben fest und kippt die Tasche mit den Schienen mitten im Zimmer aus.
Ben und Jakob verlegen die Gleise. Als Erstes wird der Bahnhof gebaut. Er befindet sich auf halber Strecke zwischen dem Zimmer von Jakob und dem Zimmer seiner Schwester. Das sie ab jetzt ungestört vollbauen dürfen.
Der neue Bahnhof ist von allen Seiten zugänglich. Damit hat sich seine Sicherheit erheblich erhöht, denn er hat nun auf der Rückseite einen Notausgang. Die Jungen erweitern das Schienennetz und bauen in Rebekkas Zimmer ein kompliziertes Gleisdreieck. Dabei entdeckt Ben, dass seine Lokomotive, die ganz oben auf der Tasche lag, kaputtgegangen ist, als er die Schienen ausgekippt hat. Sie rufen den Vater. Der setzt sich mit einem Werkzeugkasten auf den Fußboden und repariert die Lok.
„Das ist echt super, dass du den ganzen Tag zu Hause bist“, findet Ben.
„Nein, nein, nicht den ganzen Tag. Ich muss gleich los. Ich habe euch in der Küche zwei Stücke Kuchen hingestellt. Die könnt ihr essen, wenn ihr Hunger habt“, sagt der Vater und gibt Ben die heile Lok wieder zurück. Dann geht er zur Arbeit. Ben und Jakob sind jetzt für eine Weile allein im Haus. Sie holen den Kuchen aus der Küche.
„Super Mittagessen“, sagt Ben mit vollem Mund. „Bei uns gibt’s immer Blumenkohl mit Kartoffeln oder Mohrrüben mit Mangold und so was.“
Jakob grinst. „Jetzt muss Rebekka Mohrrüben mit Mangold essen.“
„Kocht ihr denn nie?“, fragt Ben und denkt an seine Mutter, die schon morgens, gleich nach dem Frühstück, mit dem Einkaufen und Kochen für das Mittagessen anfängt.
„Doch, aber wir essen meistens abends warm“, antwortet Jakob. Nachdem sie den Kuchen aufgegessen haben, bauen Jakob und Ben einen riesigen Rangierbahnhof. Als er gerade den Lokschuppen errichtet, hört Ben, wie eine Tür klappt. Er weiß nicht, welche Tür das gewesen ist. Zu Hause kann er jedes Geräusch zuordnen. Er weiß genau, welche Stellen im Fußboden knarren und wie das Auto seines Vaters klingt.
„Hast du das auch gehört?“, fragt er Jakob beunruhigt.
„Das ist meine Mutter“, sagt der. Und gleich darauf kommt die Mutter die Treppe hoch. Sie will ihren neuen Sohn begrüßen. Aber sie muss sich mit Ben durch die geschlossene Zimmertür unterhalten. Denn aus Versehen haben Jakob und Ben das Rangiergleis direkt vor die Tür gebaut.
„Müssen wir jetzt etwa alles wieder abreißen?“, ruft Jakob.
„Ihr müsst nicht, aber wenn ihr nachher etwas essen wollt, würde ich euch das doch sehr raten“, antwortet die Mutter.
„Was gibt es denn?“, fragt Ben.
„Magst du Spaghetti?“
„Klar!“, ruft Ben. Und da haben beide Jungen sofort wieder Hunger und bauen das Rangiergleis ab. Als sie in die Küche kommen, steht eine große Schale mit dampfenden Spaghetti auf dem Tisch. Dazu gibt es Ketchup und Parmesankäse.
„Wenn es bei uns mal Nudeln gibt, dann immer mit einer Gemüsesoße.“ Ben gießt sich eine Extraportion Ketchup auf seine Spaghetti. Dann schiebt er sich eine randvolle Gabel in den Mund.
„Schmeckt’s dir denn?“, fragt die Mutter.
Ben nickt begeistert. Antworten kann er nicht, denn sein Mund ist so voll, dass an der Seite schon der Ketchup rausläuft. Und während er kaut, geht ihm auf einmal wieder das Lied vom Morgen durch den Kopf. Das heißt, eigentlich sind es ja viele Lieder, die alle ineinander übergehen, weil er so glücklich ist.