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Picknick im Mondschein

Bevor Ben an diesem Morgen ganz aufgewacht ist, hört er schon Geräusche. Die Glocke der Kirche schlägt, ein paar Vögel singen um die Wette, ein Auto fährt vor dem Haus an, und irgendwo rumpelt ein Müllwagen. All diese Geräusche hört Ben jeden Morgen, und er erkennt sie sofort. Aber da ist auch noch ein anderes Geräusch, eine Art Zischen, das er nicht sofort erkennt. Es klingt, als würde man aus einem Fahrradreifen die Luft herauslassen, ihn dann wieder aufpumpen und wieder die Luft herauslassen. Ben öffnet die Augen. Es ist schon hell. Und auch das ist anders. In letzter Zeit war es morgens immer noch dunkel, wenn er aufgewacht ist. Er blickt sich um. An einem Haken hängt das große Fernglas von Jakob an der Wand. Und vor dem Fenster hängt eine bunte Laterne, auf der alle Farben ineinander verlaufen. Als Ben an Jakob denkt, dämmert ihm, was das Zischen für ein Geräusch ist. Es ist Jakob, der neben ihm atmet. Er dreht seinen Kopf zur Seite. Jakob öffnet in dem Moment die Augen.

„Guten Morgen“, sagt Ben und weiß nicht, warum er flüstert.

„Ich habe einen Bärenhunger“, flüstert Jakob zurück.

„Ich auch.“ Ben setzt sich auf.

„Irgendetwas ist anders als sonst“, sagt Jakob.

Ben nickt. „Ja, dass ich bei dir geschlafen habe.“

„Das auch. Aber es ist auch so leise“, stellt Jakob fest. Ben sieht ihn fragend an.

„Rebekka ist nicht da! Das ist es!“, lacht Jakob, „normalerweise hätte die mich schon längst geweckt und gerufen und geschrien.“ Auch Ben muss lachen. Tatsächlich haben sie nur so lange schlafen können, weil die beiden kleinen Schwestern nicht da sind.

Als Ben und Jakob im Schlafanzug zum Frühstück herunterkommen, sitzt der Vater bereits am Tisch und liest Zeitung. Es duftet nach frischen Brötchen. Die Mutter ist schon zur Arbeit gegangen.

„Und wann musst du heute arbeiten?“, fragt Ben den Vater.

„Gar nicht“, sagt der und faltet die Zeitung zusammen.

„Gar nicht?“, wundert sich Jakob.

„Ich habe die ganze Nacht gearbeitet und bin eben erst wiedergekommen. Darum habe ich heute frei“, erklärt der Vater und gießt den Jungen Kakao ein. Dann sagt er: „Wisst ihr was, Jungs, ich lege mich jetzt schlafen. Aber für euch habe ich eine Aufgabe. Im Schuppen steht doch unser alter Bollerwagen. Den könntet ihr rausholen und sauber machen und mit Decken und Kissen auspolstern.“

„Warum denn das?“, will Jakob wissen. Eigentlich wollten die beiden neuen Brüder heute zum Schulteich und nachschauen, wie groß die Kaulquappen geworden sind.

„Weil wir heute Abend eine Nachtwanderung machen. Heute ist Vollmond. Und wir können zur Waldwiese gehen und dort Picknick machen. Was haltet ihr davon?“ Der Vater blickt die Jungen fragend an. Ben und Jakob tauschen schnell Blicke. Ben nickt begeistert.

„Super Idee“, findet Jakob, und Ben ruft: „Ein Mondpicknick!“

Den ganzen Tag arbeiten Jakob und Ben an dem alten Bollerwagen. Er ist dick mit Spinnweben überzogen, und alles ist voller Staub. Sie schrubben ihn und polieren ihn danach mit einem Lappen blank. Am Nachmittag kommt die Mutter von der Arbeit. Sie parkt vor dem Haus auf der Straße, weil der Bollerwagen die Einfahrt zur Garage blockiert. „Hallo, was macht ihr denn hier?“, fragt sie.


„Mama, hast du ein paar Kissen und eine Decke für uns?“, fragt Jakob seine Mutter, anstatt zu antworten, und Ben erzählt von der Nachtwanderung. Da holt die Mutter für die Jungen einen Armvoll alte Kissen aus dem Keller und eine dicke Decke aus dem Auto. Jakob und Ben polstern den Bollerwagen damit aus. Er sieht jetzt bequem, warm und gemütlich aus.

„Darf ich denn auch mitkommen?“, fragt die Mutter dann.

„Für dich ist der Bollerwagen aber zu klein“, antwortet Jakob skeptisch.

„Und wenn ich ihn ziehe?“, lacht die Mutter.

Da nicken Ben und Jakob, und Jakob holt noch die Laterne aus seinem Fenster und befestigt sie vorne am Wagen.

„Hast du auch dein Fernglas?“, fragt Ben.

„Wozu denn das? Es ist doch dunkel!“, gibt Jakob zurück.

„Na, um dem Mond ins Gesicht zu schauen. Der ist doch hell!“, lacht Ben. Jakob holt sein Fernglas.

„Und ich hole meine Taschenlampe.“ Ben wühlt seine Sachen durch, bis er sie gefunden hat. Sie verstauen Taschenlampe und Fernglas vorne im Bollerwagen.

In der Dämmerung gehen Ben, Jakob und die Eltern los. Bald liegen die letzten Lichter der Häuser hinter ihnen. Aber es ist nicht völlig dunkel, am Himmel leuchtet der Vollmond. Die Mutter zündet die Laterne an.

„Schau mal, es gibt sogar einen Schatten“, flüstert Ben und zeigt Jakob den langen Schatten einer Eiche am Straßenrand.

„Warum flüsterst du? Hier hört uns doch keiner“, wundert sich Jakob.

Ben weiß auch nicht genau, warum er flüstert. Die ganze Welt scheint zu schlafen. Es ist so still und dunkel. Und es ist kalt geworden. Ben ist froh, dass Jakob ihm eine warme Jacke geliehen hat.

Sie haben den Wald erreicht. Hier gibt es keinen Mondschatten mehr, es ist ganz dunkel. Ben lässt das Licht seiner Taschenlampe im Gehen über die Baumstämme gleiten. Als sie an eine Lichtung kommen, ist der Mond wieder am Himmel zu sehen und taucht die Wiese vor ihnen in silbernes Licht. Jakob holt sein Fernglas aus dem Wagen. Er schaut dem Mond lange ins Gesicht. Dann reicht er Ben das Fernglas. Ben ist überrascht, wie hell und strahlend der Mond im Fernglas auftaucht. Der Mond hat Flecken und Muster.


„Wie sieht er aus?“, fragt die Mutter.

„Er hat ein Mondgesicht“, antwortet Jakob, und alle lachen.

Der Vater nimmt die Decke aus dem Bollerwagen und breitet sie auf dem Gras aus. Dann holt er Brot, Käse und Salat aus seinem Rucksack. In dem Moment, als Ben sich hinsetzen will, hört er wieder ein Zischen. Diesmal ist es viel lauter als das Atmen von Jakob. Und es kommt aus der Luft. Er blickt nach oben, wo sich ein riesiger, schwarzer Schatten aus dem Baum über ihnen hinabschwingt. Fast streift er sie.

„Was ist das?“, ruft Ben.

„Eine Eule“, hört er den Vater antworten. Und schon ist der Schatten in der Nacht verschwunden. Eine Eule hat Ben noch nie gesehen. „Ich glaube, ich habe sie atmen gehört. So dicht war sie“, sagt er. Dann essen sie, und noch nie hat Ben ein Käsebrot so gut geschmeckt wie hier bei ihrem Picknick im Mondschein.

Zurück gehen sie am Waldrand entlang. Bei den ersten Häusern steigen Jakob und Ben in den Bollerwagen und decken sich zu. Die Eltern ziehen jetzt gemeinsam. Ben schließt die Augen. Der Wagen schaukelt sanft auf dem Asphalt.

So im Bollerwagen gezogen zu werden, ist wie Einschlafen, geht es Ben durch den Kopf. Er lehnt sich gegen Jakobs Schulter. Ben ist müde und sehr glücklich.

Kleine Helden, große Abenteuer

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