Читать книгу Kleine Helden, große Abenteuer - Robert Habeck - Страница 9
ОглавлениеWenn das Schwimmbad nicht zu voll ist, öffnet der Bademeister die Sprungtürme. Am Freitagnachmittag ist das Schwimmbad allerdings meistens so voll, dass die Sprunganlage geschlossen bleibt. Deshalb schlägt Jakobs Mutter den beiden Jungen vor, in der Mittagspause ins Schwimmbad zu fahren. Denn wenn alle Leute essen, kann niemand schwimmen gehen, und das Bad ist leer.
„Und wann essen wir?“, fragt Ben.
„Wir kaufen uns im Restaurant im Schwimmbad einen Hotdog“, antwortet die Mutter.
Ben findet die Idee prima. In seiner Familie wird immer pünktlich zu Mittag gegessen. Wie gut, dass er jetzt woanders wohnt.
In der Schwimmhalle ist alles blau. Das Wasser flimmert blau, durch die Fenster sieht man den blauen Himmel, von der Decke hängen blaue Ballons, die Kacheln des Beckens sind blau. Und sogar die Luft schimmert hellblau.
Nur sehr wenige Menschen sind im Wasser. Trotzdem ist die Sprunganlage geschlossen. Es gibt ein Einmeterbrett und ein Dreimeterbrett. Vom Einmeterbrett zu springen macht viel Spaß. Das Dreimeterbrett ist allerdings sehr, sehr hoch. Ben war schon einmal oben und hat sich von dort das Wasser angeschaut, gesprungen ist er jedoch nicht.
Denn von so hoch oben konnte man durch das Wasser hindurch auf den Grund des Schwimmbeckens schauen. Und der war an dieser Stelle unter den Türmen besonders tief. Während die Mutter im Becken für Dauerschwimmer hin und her krault, toben Jakob und Ben im Wasser. Endlich macht der Bademeister die Sprungtürme auf. Die Jungen probieren eine Zeit lang, wer beim Springen die höchsten Wellen machen kann. Sie laufen das Einmeterbrett entlang und springen, so weit wie sie können, ins Wasser. Es spritzt mächtig, und hohe Wellen schwappen über den Beckenrand. Mit einem Poklatscher knallt Jakob jetzt neben Ben ins Wasser. Ben prustet und spritzt Jakob Wasser ins Gesicht, als der auftaucht.
„Wenn du so vom Dreimeterturm springst, spritzt das Wasser bis an die Decke“, sagt Ben.
Jakob lacht. „Ich bin doch nicht verrückt und springe mit einem Poklatscher vom Dreier. Das tut so weh, danach kann man erst mal zwei Tage lang nicht mehr sitzen!“
Ben spuckt eine kleine Fontäne Wasser aus, dann fragt er: „Bist du denn schon mal vom Dreier gesprungen?“
Jakob antwortet nicht gleich. Erst als sie den Beckenrand erreicht haben, sagt er: „Gesprungen bin ich noch nie von ganz oben. Aber ich bin schon einmal hochgeklettert.“
„Wie ich“, sagt Ben. Die beiden Jungen haben die Arme über den Beckenrand gelegt und schauen zu, wie ein Mann vom Dreier eine Luftrolle macht.
„Ich finde, der Dreier ist eigentlich zu hoch.“ Ben sieht Jakob an. „Das finde ich auch“, stimmt Jakob zu.
Der Mann, der mit der Luftrolle vom Dreier gesprungen ist, macht jetzt einen Kopfsprung.
Nach ihm kommt ein kleines Mädchen vorne an das Sprungbrett. Ben erschrickt. „Jakob, schau mal, ist das Rebekka?“
„Wo?“, fragt der genauso erschrocken zurück.
Ben zeigt ihm das Mädchen, das jetzt an der äußersten Spitze des Dreimeterbrettes steht. Es trägt einen roten Badeanzug und hat wie Rebekka kurz geschnittene dunkle Haare.
„Nee, das ist sie nicht“, sagt Jakob dann.
Ben hätte sich auch gewundert, wenn Rebekka jetzt im Schwimmbad wäre. Denn um diese Zeit essen seine Eltern doch immer zu Mittag. „Wetten, sie springt nicht“, sagt er zu Jakob. Und tatsächlich macht das Mädchen kehrt und geht das Dreimeterbrett zurück. Aber schon einen Augenblick später ist es wieder da. Und diesmal bleibt es nicht an der Spitze des Brettes stehen, sondern macht einen Schritt darüber hinaus. Mit angelegten Armen saust es wie ein Pfeil durch die Luft. Schon berühren seine Fußspitzen das Wasser. Fast ohne Spritzen taucht das Mädchen ein. Ben und Jakob schweigen.
In diese Stille hinein fragt die Mutter, die unbemerkt herangeschwommen ist: „Na, genug getobt? Habt ihr Hunger?“
„Ja“, sagen die beiden Jungen wie aus einem Mund, und sie steigen alle aus dem Wasser und trocknen sich ab. Aber wäh-rend sie im Restaurant Hotdogs essen, reden die Jungen kein Wort.
„Was ist denn los mit euch?“, fragt die Mutter, „gefällt es euch nicht mehr? Sollen wir nach Hause gehen?“
„Nein“, sagt Jakob und blickt Ben dabei auf eine ganz besondere Art an. „Noch nicht“, sagt auch Ben.
„Wollt ihr denn noch einmal schwimmen? Ihr habt gerade erst gegessen“, gibt die Mutter zu bedenken.
„Wir wollen nicht schwimmen“, antwortet Jakob.
„Wir wollen springen“, ergänzt Ben. Und Jakob nickt.
„Ihr seid doch schon die ganze Zeit gesprungen“, sagt die Mutter, die denkt, dass die beiden Jungen wieder vom Einmeterbrett hüpfen wollen.
„Nur noch einen Sprung“, bittet Ben. Die Mutter willigt ein.
Zusammen steigen Ben und Jakob die schmale Leiter zum Dreimeterturm hoch. Jakob zuerst, Ben folgt ihm. Die Luft wird immer kälter, je höher sie steigen. Ben hat eine Gänsehaut.
„Jetzt gehst du vor“, sagt Jakob auf halber Höhe und lässt Ben vorbei. Ben hat Angst vor der Höhe, und er hat Angst vor dem tiefen Wasser. Aber er will Jakob nicht im Stich lassen. Also klettert er mutig weiter. Von oben sieht er die Mutter auf einem Liegestuhl liegen. Sie schaut zu ihnen herauf. Dann ist er oben und spürt den rauen Belag des Brettes unter seinen Füßen. Er blickt sich nach seinem Freund um und hofft, dass Jakob nicht mehr da ist. Dann könnte er einfach wieder nach unten gehen.
„Und jetzt?“, fragt Jakob hinter ihm.
„Jetzt drehen wir nicht mehr um.“ Ben wundert sich über seine eigenen Worte. Jakob sieht ihn bewundernd an. „Wer springt zuerst?“
„Keiner. Wir springen gleichzeitig“, sagt Ben. Dadurch wird es noch schwieriger, denn nun müssen die beiden nebeneinander das schmale, schwankende Brett entlang bis nach vorne gehen. Die Leiter hatte wenigstens noch ein Geländer. Das Brett ist nur eine dünne Planke über dem Wasser. Aber gemeinsam schaffen sie es.
„Ist das Wasser frei?“, fragt Jakob, der nicht hinunterguckt.
„Ja“, gibt Ben zurück.
„Dann los!“, sagt Jakob. Und während sie sich abdrücken, spürt Ben plötzlich Jakobs Hand in seiner Hand. Dann fliegen sie durch die Luft. Ben stellt die Füße senkrecht. Und im letzten Moment lässt er Jakobs Hand los und presst seine Arme an den Körper. Das Wasser teilt sich und schließt sich um ihn. Es tut nicht weh, im Gegenteil, nach der Kälte auf dem Brett und während des Sprungs ist es angenehm, wieder im Warmen zu sein. Es ist fast wie in einem Bett. Und ganz von allein wird sein Körper langsamer. Ben merkt, dass er die Augen zukneift. Er öffnet sie. Um ihn herum ist das Blau des Wassers. Die Geräusche sind weit weg, und neben ihm schwebt Jakob im Wasser. Ganz von selbst treiben sie wieder hoch an die Oberfläche. Jakob und Ben tauchen gleichzeitig auf. Sie blicken sich an. Und beide fangen an zu lachen.