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Napoleon dachte immerfort an Maria.

Die blutigen Tage dieses Krieges liessen seinen Wunsch nach ihrer stillen, reinen Liebe wachsen. Er sehnte sich nach ihr.

Aber noch war nicht die Zeit, sie kommen zu lassen. Jeder Tag konnte neue Kämpfe bringen. Bennigsen hatte sich, ohne aufgehalten zu werden, nach Königsberg gewandt.

Ney, der ihm diesen Rückzug hätte abschneiden sollen, war erfolglos geblieben.

So waren denn weitere Kämpfe unvermeidlich. Um 16. Februar bereits geriet General Essen mit fünfundzwanzigtausend Mann an den General Savary, der vertretungsweise für den erkrankten Lannes das Kommando führte. Es war das fünfte französische Korps, das sich an diesem Tage heldenmütig schlug — es war die Schlacht von Ostrolenka, und das Verdienst des Sieges gebührt neben Savary, der eigentlich Gesandter und nicht Militär war, den Generalen Oudinot, Suchet und Gazan.

Savary erhielt das grosse Band der Ehrenlegion, General Ordener, gleichfalls einer der Helden von Ostrolenka, wurde Graf.

Trotz dieser Siege beharrten die Feinde darauf, den Krieg bis zum letzten Mann fortzusetzen; Napoleon musste also darauf bedacht sein, den Preussen ihren letzten Stützpunkt, Danzig, zu nehmen und den Russen eine solche Niederlage beizubringen, dass ihnen die Lust zum Kriegführen endgültig verging.

Immer noch in Eylau, erliess er folgende Proklamation:

„Nachdem wir alle Pläne des Feindes vereitelt haben, nähern wir uns der Weichsel und kehren in unsere Kantonnements zurück. Wer es wagen sollte, deren Ruhe zu stören, wird es bereuen, denn jenseits der Weichsel wie jenseits der Donau, inmitten der Reife des Winters wie im Anfang des Herbstes sind wir stets die französischen Soldaten und zwar die französischen Soldaten der grossen Armee.“

Indessen knüpfte der König von Preussen Friedensverhandlungen an, die allerdings zunächst nur persönlichen Charakter hatten.

Der Kaiser schrieb ihm von seinem Hauptquartier aus:

„Mein Herr Bruder, ich sende Eurer Majestät den General Bertrand, meinen Adjutanten, der mein ganzes Vertrauen besitzt. Er wird Ihnen, wie ich hoffe, viel Angenehmes sagen. Glauben Sie, dieser Augenblick ist der schönste meines Lebens, denn ich schmeichle mir, dass er dauernde Freundschaft zwischen uns herbeiführen wird.“

Napoleon.

Und vierzehn Tage später an denselben König:

„Mein Herr Bruder, ich habe den Brief Eurer Majestät vom 17. Februar erhalten, den mir Ihr Adjutant, der Oberst von Kleist, überbrachte. Ich habe ihm gesagt, was ich von der gegenwärtigen Lage unserer Angelegenheiten denke. Vor allem wünsche ich dem Unglück Ihres Hauses und Ihres Volkes ein Ende zu machen und die preussische Monarchie so schnell als möglich wieder herzustellen. .... Ich würde mich selbst verabscheuen, wäre ich die Ursache von all dem Blutvergiessen. Was aber kann ich machen, wenn England glaubt, dieses Blutvergiessen sei seinen Plänen und seinem Handel von Nutzen?“

Napoleon.

Das war keine Anklage, aus dem Blauen gegriffen, um die eigenen Pläne oder Wünsche zu maskieren. England war und blieb der Drahtzieher all der Kriege zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts.

England hat immer von neuem Preussen, Oesterreich und Russland, bald abwechselnd, bald alle zusammen, in die Kriege mit Napoleon gehetzt, und die Staaten des Kontinents mussten die Zeche bezahlen. England war und blieb der Ruhe- und Friedensstörer Europas. Ohne die Brigantenpolitik der britischen Diplomatie wären nicht Hunderttausende auf den Napoleonischen Schlachtfeldern geblieben.

In Osterode, wo der Kaiser ungeduldig auf den Fall Danzigs wartete, kanzelte er den König von Holland, seinen Bruder, ab, und den General Rapp in Thorn, der nicht genug Sorgfalt auf die Maroden verwandte.

Dem Louis Napoleon, der unfähig war, sein Verbündeter zu bleiben, schrieb er:

... Ich habe Grund, mich persönlich über Sie zu beklagen, denn seit langem machen Sie alles wider meine Ratschläge Uebrigens hat mein Gesandter Befehl, Ihnen ganz kategorisch zu erklären, dass, wenn Sie von diesem Benehmen nicht ablassen, er beauftragt ist, sofort Holland zu verlassen, und ich breche mit Ihnen ... Ich achte den niedrigsten Krämer von Amsterdam höher als den vornehmsten Adeligen von Holland.

Und an Rapp:

... Ueberall begegne ich einzelnen Soldaten ohne Gewehre, die Thorn passiert und von dem dortigen Kriegskommissar Marschrouten erhalten haben, obwohl sie kränklich sind. Man sollte sie lieber in die betreffenden Depots zurückschicken. Dadurch bekomme ich nur Kranke in die Armee, weiter nichts....

Wieviel Kanonen besitzt Thorn? Wieviel Arbeiter arbeiten täglich? Ist Wasser in den Gräben?

Und an den Sultan Selim:

Durch meinen Gesandten erfahre ich die gute Haltung und den Mut der Muselmänner gegen unseren gemeinsamen Feind. Du zeigst Dich wahrhaft als würdiger Nachkomme Selims und Solimans. ... Generale, Offiziere, Waffen aller Art, selbst Geld, alles, alles steht Dir zur Verfügung, Du brauchst nur zu verlangen .. Setze Dich mit dem Schah von Perfien ins Einvernehmen, der auch ein Feind der Russen ist. .... Napoleon.

Indessen, zwischen politischen Korrespondenzen und Privatbriefen, zwischen Konferenzen und Truppenbesichtigungen, zwischen Kriegsvorbereitungen und Verhandlungen, fand der Kaiser Zeit, an die Geliebte zu denken.

Er beabsichtigte, sein Hauptquartier nach dem Schlosse Finckenstein zu verlegen. Dorthin durfte er endlich Maria nachkommen lassen, denn in Osterode hätte sie nicht die geringste Bequemlichkeit gehabt und ihr Verkehr mit Napoleon wäre auch allen sichtbar gewesen.

Noch hatte der Kaiser eine lange Konferenz mit Baron Percy, dem ersten Chirurgen seiner Armee.

Er erkundigte sich, auf einer Feldmatratze liegend, nach den Verwundeten von Eylau. Percy erwiderte, dass er ungefähr viertausend verbunden hätte — (es mag angebracht sein, darauf hinzuweisen, dass man damals weder Chloroform noch irgend ein Betäubungsmittel besass, und Amputationen bei vollem Bewusstsein des Verletzten vollzogen wurden). —

Der Kaiser: Sind die Wunden gefährlich?

Percy: Tausend davon sind sehr ernst.

Der Kaiser: Wie viele werden an ihren Wunden sterben?

Percy: Ein Drittel, denn die Kartätschen und Granaten haben ungeheure Verheerungen angerichtet.

Der Kaiser: Haben Sie auch solche, die durch blanke Waffen verwundet wurden?

Percy: Viele, Sire. Die Lanze, der Säbel und das Bajonett haben viel Unheil angerichtet. Einer Ihrer Gardisten hatte oberhalb des Schenkels und im Gesäss die ganze Klinge eines russischen Bajonetts sitzen, dessen Röhre durch die Wucht des Stosses abgebrochen war. Wir haben sie ihm ohne Anstrengung herausgezogen, und dieser Verwundete wird geheilt werden.

Der Kaiser: Haben Sie unsere verwundeten Generale gesehen?

Percy: Ich habe den General Levasseur getroffen, der einen Knochenbruch des linken Oberarms hat. Der General Léval ist durch eine Kugel an der Achillesferse verwundet, und der General Heudelet hat eine in den Unterleib erhalten. General Augereau hat eine Wunde am Bein nnd der General d’ Allemagne hat zehn Lanzenstiche erhalten, davon einen in den Unterleib, wovon das Darmnetz zerrissen worden ist.

Der Kaiser: Glauben Sie, dass Sie den General d’ Allemagne retten können?

Percy: Nein, Sire. Es zeigen sich bereits die Vorboten des nahenden Todes. —

Der Chirurg Lombard begleitete Percy. Der Kaiser wandte sich an ihn und fragte, ob er alles habe, wessen er bedürfe.

Lombard beklagte den Mangel an Wartepersonal.

Der Kaiser sprang zornig auf und rief:

„Was ist das für eine Wirtschaft! Welche Barbarei!“

Daraufhin folgten längere Anseinandersetzungen über Verbesserungen im Ambulanzdienst, worauf die Chirurgen entlassen wurden.

Ein Liebestraum. Napoleon I. Gräfin von Walewska

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