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|20| Teamwork im Freihaus und Epilog

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Es wird schon stimmen, was Schikaneder über seine Zauberflöten-Zusammenarbeit mit Mozart im Rückblick (siehe S. 11) geäußert hat. Denn wie aus privaten, so aus beruflichen Gründen wurden die Kontakte zwischen beiden nun eng. Das kam so: Mozart war seit 1789 phasenweise Strohwitwer, weil sich seine Frau auf ärztlichen Rat hin wiederholt zur Kur nach Baden bei Wien begab. Da lag es auf der Hand, bei der inzwischen im Freihaus eingemieteten Schwiegermutter und bei seiner Schwägerin und Koloraturenspezialistin Josepha Hofer familiären Anschluss zu suchen. Josepha, die Primadonna der Wiedner Bühne, war nach Friedels Tod ins Schikaneder-Ensemble übernommen worden. Dieses muss man sich als eine Art Großfamilie denken – mit Schikaneder, dem »Don Juan von der Wieden«, wie ihn seine Frau nannte, als Pater familias an der Spitze. Neben dieser familienähnlichen Annäherung ließ seine angespannte finanzielle Lage Mozart an die Seite Schikaneders rücken: Obwohl inzwischen zum kaiserlich-königlichen Kammermusicus avanciert, reichte Mozarts Jahresgehalt von 800 Gulden bei Weitem nicht aus. Sein aufgrund des 1788 ausgebrochenen Türkenkriegs klamm gewordenes aristokratisches Publikum hatte ihn mehr und mehr im Stich gelassen, sodass sich Konzertveranstaltungen auf eigenes Risiko nicht mehr lohnten. Darüber hinaus fand sein jüngstes Großprojekt, die Oper Così fan tutte, nicht die gewünschte Beachtung, da einen knappen Monat nach der Uraufführung (26. Januar 1790) der Kaiser starb und die Theater wochenlang geschlossen blieben. Ebenso wenig brachten Reisen nach Berlin (1789) und im Jahr darauf nach Frankfurt zur Krönung des neuen Kaisers Leopold II. Erfolg oder Gewinn.

Es ist also klar, dass Mozart auf aristokratische Mäzene nicht mehr zählen konnte und sich ein neues Publikum erschließen musste. Und das waren die einfachen Leute, die abseits des Hofes in den Vorstädten Wiens im Theater unterhalten werden wollten, beispielsweise die Schikaneder-Fans. Dennoch wollte Mozart seine fürstlichen Auftraggeber nicht verprellen und lieferte für des neuen Kaisers Königskrönung in Prag die Musik zu der Festoper La clemenza di Tito. Diese wurde am 6. September 1791 unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt, 24 Tage vor der Zauberflöte. Gleichwohl unterstützte Mozart Schikaneders Projekte und Künstler tatkräftig. Er schrieb Arien für die Schwägerin (Schon lacht der holde Frühling KV 580) und für den späteren Sarastro Franz Xaver Gerl (Per questa bella mano KV 612) und steuerte für Schikaneders Singspiel Der Stein der Weisen oder Die Zauberinsel (1790) das Ulk-Duett »Nun liebes Weibchen, ziehst mit mir?« KV 625 bei, in dem die Sopranistin miauen durfte.

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Der »Grundriss des ebenerdigen Stocks von dem Hochfürstlich Stahrnbergischen Freyhaus auf der Wieden«: Die enormen Ausmaße dieser damals vor Wien gelegenen Mietwohnanlage lassen sich daraus abschätzen, dass die Längsausdehnung des mit Pfeil markierten Theatergebäudes knapp 38 Meter betrug.

Wie Schikaneder und Mozart die Zauberflöte gemeinsam »fleißig durchdachten«, wie sich diese Zusammenarbeit konkret darstellte, darüber ist wenig bekannt. Die Forschung geht davon aus, dass Mozart sich nicht vor dem Frühjahr 1791 an die Arbeit machte; in Briefen an seine in Baden kurende Frau von Juni/​Juli sind mehrere gemeinsame Essen mit Schikaneder erwähnt. Am 11. Juni schreibt er Constanze: »Aus lauter langer Weile habe ich heute von der Oper eine Arie componirt«, und er schließt den Brief, nachdem er auf ein Essen bei seinem Logenbruder und Kreditgeber Michael Puchberg zu sprechen gekommen ist, recht kurios mit einem Zauberflöten-Zitat: »Ich küsse Dich 1000mal und sage in Gedanken mit Dir: Tod und Verzweiflung war sein Lohn!« Offenbar war das Mahnwort der Zauberflöten-Priester von »Tod und Verzweiflung« unter den Mozarts inzwischen zu einem geflügelten Scherzwort geworden. Im Brief vom 2. Juli wiederum lässt Mozart über seine Frau dem bei ihr weilenden Kompositionsschüler, Notenkopisten und nachmaligen Requiem-Vervollständiger Franz Xaver Süßmayr ausrichten, »er soll mir vom ersten Ackt, von der Introdu[k]tion an bis zum Finale, meinen Spart schicken, damit ich |22| instrumentiren kann.« Das heißt, dass bis zu diesem Zeitpunkt zumindest der 1. Akt bereits vollständig im Particell – also in einem Partiturentwurf, aus dem man zur Einstudierung bereits die Singstimmen für die Gesangsproben herausziehen konnte – vorlag. Irgendwann »im Jullius« trägt Mozart dann »Die Zauberflöte […] eine Teutsche Oper in 2 Aufzügen« in sein 1784 begonnenes Verzeichnüß aller meiner Werke ein. Die Ouvertüre und der Priestermarsch (Nr. 9) wurden am 28. September, also erst zwei Tage vor der Uraufführung, ins Werkverzeichnis nachgetragen. Auch wurden der »dreimalige Akkord« und mehrere Passagen für Einzelstimmen erst kurz vor der Uraufführung fertig und der Partitur angehängt. Kleinere Abweichungen zwischen Libretto und Partitur, wenige Striche, vor allem von betrachtenden Versgruppen lassen schlussfolgern, dass Schikaneder Mozart für die Komposition und insbesondere bezüglich des musikalischen Timings freie Hand ließ. Ebenso bezeugen die Werkkonzeption und die frühe Aufführungsgeschichte eine hoch professionelle, vertrauensvolle Arbeitsteilung und ein herzliches persönliches Einvernehmen zwischen Komponist und Librettist, wie die geneigte Leserschaft beim Vorblättern in die zugehörigen Kapitel unseres Opernführers feststellen wird.


Kolorierter Kupferstich der Gebrüder Schaffer von 1795 mit Tamino als Bändiger wilder Affen, vermutlich nach einer Szenerie der Uraufführung von 1791.

|23| Der traurige Epilog dieser Künstlerfreundschaft muss allerdings auch noch vermeldet werden: Unmittelbar unter dem Eindruck von Mozarts Tod stand Schikaneder an jenem 5. Dezember in Trauer aufschreiend vor Mozarts Haus. Er war es, der für den 10. Dezember die Trauerfeier in der Michaelerkirche mit Teilen aus Mozarts unvollendet gebliebenem Requiem organisierte. Und was ist aus Schikaneders späterem Leben in Sachen Mozart noch zu vermelden? Am Wiedner Theater etablierte Schikaneder eine beachtliche Mozart-Pflege, die sich um die Zauberflöte als Hauptwerk gruppierte. Besonders nobel: eine konzertante Aufführung im September 1798 von Mozarts Titus, deren Erlös an seine Witwe ging.

Für das Wiedner Theater kam freilich wenige Jahre später das endgültige Aus. Es sollte zu Mietwohnungen umgebaut werden, und am 12. Juni 1801 zieht Schikaneder nach der Abschiedsvorstellung publikumswirksam in das nahe gelegene Theater an der Wien um, das auf seine Initiative hin in der Rekordzeit von nur 13 Monaten erbaut worden war. Bereits am folgenden Tag wird das neue Haus mit einer Alexander-Oper Franz Teybers auf einen Schikaneder-Text eröffnet. Doch auch die Zauberflöte kommt in einer prachtvollen Neuinszenierung Anfang 1802 am Theater an der Wien heraus, und im November 1805 wird dort die Urfassung von Beethovens Fidelio durchfallen. Schikaneder selbst wird am 28. Dezember 1806 ein letztes Mal auf der Bühne seines Theaters den Papageno geben. An seinen folgenden Wirkungsstätten – Brünn, abermals Wien, Budapest, Steyr und endgültig Wien – macht sich nun immer mehr sein alkoholbedingter körperlicher und geistiger Verfall bemerkbar. Als er am 21. September 1812 stirbt, ist Schikaneder bankrott.

Mozart. Die Zauberflöte

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