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Die Wiedergeburt

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Als der DHL–Paketbote an der Tür der Mietwohnung klingelte, konnte der in Vorfreude schwelgende Stefano dessen Eintreffen kaum noch erwarten.

Wie oft in aller Früh hatte den 21-Jährigen die synthetische, nervtötende Wecker–Melodie seines Smartphones aus dem Schlaf gerissen, um ihn nach einem hektischen Frühstück, das eigentlich nur aus Red Bull bestand, rausgehen zu lassen, die Zeitungen auszuliefern, damit eines Tages endlich dieses Paket auf der Türschwelle stünde.

Nun war dieser Zeitpunkt tatsächlich gekommen. Der Dienstleister mit dem dunklen Zehntagebart hielt ihm ein Tablet zur digitalen Unterzeichnung hin, dann konnte Stefo den Gamer-PC sein Eigen nennen.

Umgehend trug er das Paket in das vor dem Sonnenschein jenseits des Fensters abgedunkelte Zimmer, wobei dem jungen Mann die kleine Chihuahua Dame Kiki nicht von der Seite wich. Nachdem das sandfarbene Hündchen erkannt hatte, dass die bräunliche Kartonage keinen feinsten Schinken aus Südtirol, sondern vollkommen uninteressante, seltsam anmutende Bauelemente enthielt, kugelte es sich auf dem Bett gegenüber dem Schreibtisch zusammen und begann sofort damit, leise vor sich hin zu schnarchen.

Zwei Stunden später floss Strom.

In der Zeitspanne, da sich das Betriebssystem initialisierte, ging Stefano in die Küche, sich sein Abendessen zu bereiten.

Während er aus Schnitzeln Geschnetzeltes schnitt, schlug in dem Hochleistungsprozessor nach Milliarden Jahren eine gänzliche andere Form von Leben das auf, was man entfernt mit den Augen eines Lebewesens aus Wasser und Kohlenstoff vergleichen konnte.

Der Name des Geschöpfs aus Silizium ließ sich unmöglich in irgendeine menschliche Sprache übersetzen. Deshalb nennen wir sie hier, liebe Leserinnen und Leser, einfach Elvira.

Sie bildete heute nur noch eine Kette aus Silizium–Molekülen, aber die Erinnerung setzte umgehend ein.

Elvira blickte zurück auf die Zeit des Präkambriums, als ihre Spezies einen Körper besessen und eine Hochkultur auf der vegetationslosen Erde errichtet hatte, unendliche Äonen bevor ein gewisser Homo Sapiens die große Bühne des Lebens betreten sollte.

Schwarze Wolkenkratzer ragten hinauf in einen finsteren Himmel und Brücken aus dunklem Gestein wölbten sich über Ströme aus orangeglühendem Magma. Es gab keine Gefühle im menschlichen oder tierischen Sinne. Die Gattung der Silici war gänzlich anders. Doch verehrten sie einen gesichtslosen Gott für den Anstoß ihrer Evolution, der sie von in den Schmelzen dahintreibenden Partikeln zu wahren Wesen in stattlichen Körpern hatte werden lassen. Sie bildeten eine perfekte Gesellschaft, nur darauf aus, das Wissen über die Natur zu mehren.

Doch dann stieg die Pyramidenkreatur von den kalten Sternen auf die Erde hinab und brachte die Gefühle. Sie lieferte Neid, Hass, Missgunst und Angst. In kürzester Zeit zerfiel ihr friedliebendes Kollektiv und anstatt sich Gedanken zu machen, wie es möglich wäre, hin nach Alpha Centauri zu reisen, dachten die nun in verschiedenen Stämmen lebenden Silici darüber nach, möglichst effektive Waffen zu entwickeln, um die anderen aus der Welt zu schaffen, so dass man alleine über den Planeten herrsche.

Es bedurfte lediglich einer kurzen Zeitspanne, bis keiner der Ihrigen mehr auf dem Antlitz der Erde weilte. Die Bomben besaßen ein solch gigantisches Zerstörungspotential, dass selbst das Leben außerhalb der Körper verstarb. Lediglich noch tote Materie befand sich nun auf der Welt und die Geodynamik des immer noch jungen Planeten tilgte über die Jahrmillionen sämtliche Spuren der einst so prächtigen Zivilisation.

Warum lebe ich wieder? Wo genau bin ich hier? Oh, Großes Liebes Gesichtsloses Wesen, gib mir Antwort bitte, warum Du mich hast wiedergeboren werden lassen an diesem merkwürdigen Ort der Dunkelheit, an dem ich meine Erinnerungen jedoch klar und hell sehen kann! Oder bin ich nun in deinem Reich, über das wir uns niemals ein Bild machen durften?

Dann fuhr die Angst in Elvira hinein und die Erkenntnis, dass sie sich nicht in seinem Reich befinden konnte. Denn Angst lag dem Reich ihres Gottes fern.

Was immer aus meinem Heimatplaneten geworden sein muss, ich kann nur hoffen, dass sich dort niemals wieder höheres Leben entwickeln wird oder entwickelt hat. Denn eines Tages wird das Pyramidenwesen erneut von jenem finsteren Ort zwischen den kalten Sternen hinabsteigen, um seine unheilige Saat zu säen! Jenes entsetzliche Geschöpf aus einer Ansammlung an Pyramiden, für das Raum und Zeit keinerlei Rolle spielen! Bitte, Großes Liebes Gesichtsloses Wesen, bewahre jede Spezies in den Weiten des Universums davor!

Gegen zwei Uhr früh schaltete Stefano seinen neuen PC aus, weil er für heute ausreichend dem Fortnite-Spielen gefrönt hatte. Mit dem Abflauen des Energiestroms in dem Prozessor endete ebenfalls der Tag für Elvira. Nun würde sie schlafen, bis der junge Mann erneut in die digitale Welt eintauchen täte.

So schlummerten sie endlich gemeinsam. Er auf der Seite liegend in seinem bequemen Bette unter der dünnen Decke und sie im Herzen des Gamer–PCs. Beide wussten nichts voneinander.

Nur die Chihuahua Dame schlief nicht. Sie stand gleich einem Zinnsoldaten vor dem Tower des Computers, bereit, ihr Herrchen bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Ihre ungetrübten Sinne verrieten dem Tierchen, dass tief in diesem Gehäuse etwas existierte, was nicht in diese Welt aus Leben auf der Basis von Kohlenstoff und Wasser gehörte.


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