Читать книгу Ressentiment - Robert Müller - Страница 8
2. RESSENTIMENTBILDUNG, SEKUNDÄR
ОглавлениеDie beschriebene Affekthemmung aus dem Gefühl der Ohnmacht heraus, das daraus resultierende wiederholte Durchleben und Durchleiden der eigenen Niederlagen, der eigenen Unterlegenheit sowie der Demütigung durch den Überlegenen, die allmählich toxisch wirkende Akkumulation der nicht ausagierten und damit nicht befriedigten, nicht befriedeten Affekte, mithin die unweigerliche Beschädigung des eigenen Selbstverhältnisses – all das lässt sich als erste Ebene einer Morphologie des Ressentiments beschreiben. Die zweite Ebene seiner Morphologie ist gekennzeichnet von der Ausbildung psychologischer Abwehrmechanismen gegen die eigenen Folgen. Es gehört allerdings zur inneren Logik des Ressentiments, dass diese gerade nicht auf die ihm eigentlich zugrunde liegenden Ursachen, die tatsächlichen Urkonflikte im Inneren des Ressentimentalen selbst zielen, sondern auf die Konstruktion alternativer, außerhalb seiner selbst verorteter Problemursachen und Konfliktszenarien. Diese Abwehrmechanismen erfüllen damit zwar eine Funktion für den Ressentimentalen: sie stabilisieren das beschädigte Selbstverhältnis, lindern (zumindest zeitweilig) das Leiden an sich selbst und machen das Dasein und das eigene Sosein überhaupt erst wieder erträglich.22 Vor allem aber dienen sie zur Camouflage der eigentlichen im eigenen Selbst grundgelegten – und eben deswegen so hochproblematischen – Urkonflikte. Sie führen gerade deswegen aber auch zur Verstärkung und Verfestigung derselben, befeuern damit das Leiden an sich selbst und verstärken somit letztlich die ressentimentale Umklammerung der Persönlichkeit. Der Ressentimentmechanismus wird dadurch nicht bloß chronifiziert – er reproduziert zugleich unaufhörlich die Bedingungen, unter denen er sich weiter etabliert und als grundlegender Persönlichkeitszug stabilisiert. Erst durch die psychologischen Abwehrmechanismen gegen das Ressentiment gelangt das Ressentiment zu seiner vollen Entfaltung. Sie sind ein wesentlicher und notwendiger Aspekt desselben und können nicht von ihm getrennt werden.