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1. Ausdrückliche Rechtsschutzgarantien

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Was Deutschland angeht, so haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes dieser Einsicht mit der ausdrücklichen Verankerung der Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Rechnung getragen, wo es heißt: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“ Mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes wollte man die Selbstherrlichkeit des Staates und seiner Verwaltung gegenüber dem Bürger beseitigen oder doch dämpfen[53] und ihm einen „substantiellen Anspruch auf eine auch tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle“ verleihen,[54] ohne den gerichtlichen Kontrollauftrag allerdings zu verabsolutieren.[55] Diese Garantie hat eine für das Staat-Bürger-Verhältnis prägende Bedeutung,[56] weil sie eine Wehrlosigkeit des Einzelnen gegenüber dem Staat und seiner Verwaltung verhindert und beide dazu anhält, auf Augenhöhe über die Reichweite von Rechten und Befugnissen zu streiten. Zu Recht ist Art. 19 Abs. 4 GG denn auch schon früh als Eck- bzw. „Schlussstein der rechtsstaatlichen Ordnung“[57], als „Motor des Ganzen“ und als „Energiesammelpunkt“ der grundgesetzlichen Ordnung beschrieben worden.[58]

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Neben ihrer primären Funktion, effektiven Individualrechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt grundrechtlich zu verbürgen, ist die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG aber auch ein wesentlicher Baustein des gewaltenteiligen Staates (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Diese staatsorganisationsrechtliche Dimension ist deutlich älter. So gesehen ist sie vorläufiger Höhepunkt einer Entwicklung, deren Wurzeln bis in das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und zu den Anfängen des Rechtsstaats im 19. Jahrhundert zurückreichen,[59] und steht hier – im Zusammenspiel mit anderen Bestimmungen der Verfassung (Art. 20 Abs. 3, Art. 92 f., Art. 97 und Art. 100 GG) – für ein im europäischen Vergleich herausragendes institutionelles Gewicht der Dritten Gewalt.[60]

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Ausdrückliche Rechtsschutzgarantien kennen aber auch die Verfassungen vieler anderer europäischer Staaten, so etwa Griechenland (Art. 20 Abs. 1 Verf. 1975),[61] Italien (Art. 24 Abs. 1 und 2 Cost.),[62] Polen (Art. 45 Abs. 1, Art. 77 Abs. 2 und Art. 78 Verf.),[63] die Schweiz (Art. 29a BV),[64] Spanien (Art. 24 Abs. 1, Art. 53 Abs. 2 und 3 CE)[65] oder Ungarn (Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Art. XXVIII. Abs. 7 GrundG),[66] und neuerdings auch die Europäische Union (Art. 47 GRCh).[67] Für manche von ihnen – Art. 24 CE oder Art. 29a BV etwa – hat Art. 19 Abs. 4 GG Pate gestanden, auch wenn die „Nachbilder“ alles andere als Kopien sind. So geht etwa Art. 24 Abs. 1 CE über Art. 19 Abs. 4 GG insoweit hinaus, als er sich nicht auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Staat-Bürger-Verhältnis beschränkt, sondern allgemeiner – d.h. auch mit Blick auf Privatrechtsverhältnisse – einen effektiven Rechtsweg verbürgt.[68]

§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Verwaltungsrechtsschutz › 2. Rechtsstaatlichkeit und Rule of Law als Grundlage des Verwaltungsrechtsschutzes

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