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3. Verwaltungsrechtsschutz als Teil materieller (Grund-)Rechtsgarantien
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Da Rechte nur wirksam sind, wenn sie im Konfliktfall auch durchgesetzt werden können, ist die effektive Durchsetzbarkeit der von den einzelnen (Grund-)Rechten geschützten Interessen ein integraler Bestandteil dieser (Grund-)Rechte selbst.[80] Einem (Grund-)Recht wohnt daher typischerweise ein umfassendes „Effektivitätsgebot“ inne, das nicht nur Grundlage der aus dem einzelnen (Grund-)Recht abgeleiteten Abwehr-, Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche ist, sondern auch eine Vorwirkung in das Verwaltungsverfahren hinein entfaltet (due process). Zugleich ist es Basis für die Zuerkennung von Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüchen.[81] Da all dies zur Effektivität eines (grund-)rechtlich geschützten Interesses bzw. subjektiven öffentlichen Rechts gehört, beinhaltet die Zuerkennung eines Abwehr-, Leistungs- oder Teilhaberechts gegenüber dem Staat und seiner Verwaltung daher stets auch ein – in der Regel vor Gericht einzulösendes – Durchsetzungsversprechen. Ein Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Verwaltung ergibt sich damit auch unmittelbar aus dem jeweils betroffenen (Grund-)Recht. Das mag vor allem in den Rechtsordnungen Bedeutung erlangen, die keine ausdrückliche Rechtsschutzgarantie kennen.
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In Rechtsprechung und Schrifttum in Deutschland hat sich daraus eine Debatte ergeben, die – soweit ersichtlich – in anderen Rechtsordnungen so nicht geführt wird, die aber dennoch von allgemeinerer Bedeutung werden kann: Kennt die Verfassung – wie Art. 19 Abs. 4 GG – eine formelle Rechtsschutzgarantie, schließt das eine flankierende Herleitung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus den materiellen Grundrechten zwar nicht aus. Das Nebeneinander beider Gewährleistungen wirft – wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt[82] – jedoch die Frage auf, ob die Garantie effektiven Rechtsschutzes damit nicht funktionslos wird.[83] Hinzu kommt, dass die Beschränkungsmöglichkeiten von materiellen Grundrechten und Rechtsschutzgarantie häufig variieren.
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Eine konsistente Lösung ergibt sich, wenn man erkennt, dass Art. 19 Abs. 4 GG als formelles Hauptgrundrecht[84] – anders als die materiellen Grundrechte – selbst keine originären Ansprüche gegenüber dem Staat und seiner Verwaltung begründet, sondern auf die Durchsetzung und Effektivierung der anderweitig begründeten Rechte und Ansprüche zielt. Indem er das den materiellen Grundrechten innewohnende Effektivitätsgebot aufgreift und für der Verwaltung zurechenbare Rechtsverletzungen einen effektiven gerichtlichen Individualrechtsschutz anordnet, erscheint er insoweit zum einen als lex specialis gegenüber den materiellen Gewährleistungen.[85] Zum anderen erfasst er auch allein aufgrund einfach-gesetzlicher Dezision begründete Rechte, soziale Leistungsrechte etwa, oder die wachsende Zahl von (Teilhabe-)Rechten auf unionsrechtlicher Grundlage (z.B. Anspruch auf Umweltinformationen gem. RiL 2003/4/EG, § 3 Abs. 1 UIG),[86] soweit der Gesetzgeber ihre Geltendmachung – vorbehaltlich unionsrechtlicher Vorgaben (Art. 47 GRCh)[87] – nicht ausgeschlossen hat.
§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › III. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die organisatorische Ausgestaltung des Verwaltungsrechtsschutzes