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a) Vorrang des Primärrechtsschutzes
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Die Ausweitung des Verwaltungsrechtsschutzes auch auf Sekundäransprüche gehört zu den moderneren Entwicklungen des Verwaltungsrechts.[178] Zwar zielen die Garantien effektiven Rechtsschutzes in der Regel darauf ab, die Integrität der von der öffentlichen Gewalt betroffenen (Grund-)Rechte zu gewährleisten, d.h. auf gerichtlich durchsetzbare Unterlassungs- und (Folgen-)Beseitigungsansprüche; moderne Interpretationsansätze erstrecken sie jedoch zunehmend auch auf Sekundäransprüche.
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Die Zuerkennung bestimmter Kompensationsansprüche kann allerdings auch Teil des Primärrechtsschutzes sein. So ist etwa in Deutschland die Figur der sog. ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmungen des Eigentums, bei der die Intensität eines Eingriffs (vor allem) in das Schutzgut der Eigentumsgarantie – etwa im Polizei-, Bauplanungs-, Denkmal- und Naturschutzrecht – durch eine finanzielle Entschädigung gesenkt und dadurch seine Verhältnismäßigkeit sichergestellt wird,[179] unmittelbarer Ausfluss des grundrechtlichen Abwehr- und Beseitigungsanspruchs. Vom Vorhandensein einer entsprechenden Entschädigungsregelung hängt es daher in derartigen Fällen ab, ob der in Rede stehende Akt der öffentlichen Gewalt eine Rechtsverletzung bewirkt oder nicht.[180]
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Kompensationsansprüche stehen den Betroffenen grundsätzlich nur nachrangig zu. In aller Regel haben sie nicht die Wahl zwischen primär- und sekundärrechtlichen Ansprüchen. Insoweit gilt in den meisten europäischen Rechtsordnungen ein Vorrang des Primärrechtsschutzes.[181] Der noch aus dem Spätabsolutismus überkommene Grundsatz des „dulde und liquidiere“, wie ihn etwa §§ 74, 75 Einl. PrALR vorsahen, ist heute überholt.[182] Auch in dieser Hinsicht deckt sich die verfassungsrechtliche Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes mit den Vorgaben der EMRK, die ausweislich der Art. 13 und 41 EMRK in erster Linie auch eine restitutio in integrum verlangt.[183]