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1. Statthafte Klagearten
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Gewährleistet die Verfassung umfassenden Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt, kann die einfach-gesetzliche Typisierung von Klagearten nur den Zweck haben, den Zugang zum verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz spezifischen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu unterwerfen[190] – dem Erfordernis eines obligatorischen Vorverfahrens etwa[191] oder bestimmten Klagefristen.[192] Sie kann somit lediglich dazu dienen, den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz zu kanalisieren und einzugrenzen; ausschließen kann sie ihn nicht.[193] In Deutschland findet dies – den Vorgaben von Art. 19 Abs. 4 GG entsprechend – seit dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung 1960 eigentlich in der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel des § 40 Abs. 1 VwGO Ausdruck, auch wenn die Praxis damit immer wieder Schwierigkeiten hat.[194] Die Schweizer Kantone mussten eine solche Anpassung nach der Einführung des Art. 29a BV 2007 vornehmen,[195] während die Überwindung des Enumerativsystems in Ungarn in der Zeit nach dem Systemwechsel 1989/90 auf der Grundlage der neu eingeführten Rechtsschutzgarantie vor allem vom Verfassungsgericht vorangetrieben wurde.[196]
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Zwar steht der Verwaltungsakt – die klassische Handlungsform der Verwaltung – in den meisten Verwaltungsrechtsordnungen Europas nach wie vor im Zentrum des Verwaltungsrechtsschutzes;[197] seine praktische Bedeutung ist gleichwohl zurückgegangen. So hat die deutsche Verwaltungsrechtsprechung die einzelnen Klagearten der VwGO (Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage) einander so weit angenähert, dass sie sich nur noch in Details unterscheiden.[198] Ähnliches lässt sich auch für andere Rechtsordnungen feststellen.[199] So wurde etwa in Frankreich – und anderen am Vorbild des Conseil d’État orientierten Jurisdiktionen[200] – die traditionelle Unterscheidung zwischen dem auf Aufhebung einer Maßnahme gerichteten recours pour excès de pouvoir und dem auf alle anderen gerichtlichen Maßnahmen zielenden recours de plein contentieux im Laufe der Zeit stark relativiert, sodass der Kläger zwischen beiden Klagearten heute teilweise frei wählen kann.[201]
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Der unverkennbare Trend zur Überwindung der noch vorhandenen „aktionenrechtlichen“ Spuren im Verwaltungsrechtsschutz hat auch mit der Pluralisierung der Handlungsformen der Verwaltung zu tun und der damit zusammenhängenden Einsicht, dass auch (exekutive) Rechtsetzung, der Abschluss von Verträgen, die Vornahme von Realakten und informales Verwaltungshandeln Rechte und Interessen der Bürger beeinträchtigen können.[202] Unter dem Blickwinkel effektiven Rechtsschutzes drängt dies auf eine Entkoppelung von Verwaltungsakt und verwaltungsgerichtlicher Kontrolle und zu einer stärkeren Konzentration auf das zwischen Verwaltung und Bürger bestehende Rechtsverhältnis.[203]
§ 127 Zur verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes im europäischen Rechtsraum › V. Praktische Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes › 2. Klagebefugnis