Читать книгу Ius Publicum Europaeum - Robert Thomas - Страница 98
bb) Entscheidung innerhalb angemessener Frist
Оглавление131
Als rechtsstaatlicher Bestandteil eines fairen Verfahrens gilt auch vor belgischen Verwaltungsgerichten das Recht auf eine Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist. Dem liegt auch der Gedanke zugrunde, dass sich lange hinziehende Verfahren die Beweisermittlung erschweren oder diese sogar gänzlich unmöglich machen,[313] was nicht nur der Rechtssicherheit schadet, sondern auch die Gefahr birgt, das Vertrauen der Bürger zu erschüttern.[314] Das Recht auf eine Gerichtsentscheidung innerhalb angemessener Frist findet sich auch in internationalen Rechtsnormen, insbesondere Art. 6 Abs. 1 EMRK. Demnach hat „[j]ede Person […] ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen […] von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb angemessener Frist[315] verhandelt wird“. Der Begriff der „zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen“ wird dabei – auch vom Staatsrat – weit ausgelegt und die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK auch auf Verfahren vor den Verwaltungsgerichten angenommen.[316] Da jedoch keinerlei gesetzliche Definition dessen existiert, was konkret unter einer angemessenen Frist zu verstehen ist, muss diese durch die Rechtsprechung näher präzisiert werden.
132
Dem Kassationshof zufolge ist die „angemessene Frist“ i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EMRK der Zeitraum, innerhalb dessen bei einer öffentlichen Klage gegen eine Person die Untersuchungen abgeschlossen und die Klage entschieden werden muss.[317] Die Angemessenheit der Frist im konkreten Einzelfall bestimmt sich dabei unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte und richtet sich nach der Komplexität des jeweiligen Sachverhalts, dem Beitrag der Parteien zur Aufklärung der Streitigkeit, deren Verhalten sowie der Bedeutung des Verfahrens.
133
Auch im Rahmen des geregelten Widerspruchsverfahrens zwingt der allgemeine Grundsatz guter und angemessener Verwaltung die Behörden dazu, im Verhältnis zum Bürger bestimmte Grundsätze einzuhalten und eine angemessene Frist für die Entscheidungsfindung zu wahren.[318] Die von der Behörde einzuhaltende angemessene Frist für die Vornahme einer Maßnahme beginnt dabei, sobald sie in der Lage ist, diese zu erlassen. Im Rahmen des geregelten Widerspruchsverfahrens bezieht sich die Angemessenheit der Entscheidungsfrist somit sowohl auf „die Dauer zwischen Einlegung des Widerspruchs und der Entscheidung hierüber als auch auf die Dauer zwischen dem Empfang der Stellungnahmen durch die entscheidende Behörde und dem Erlass der angegriffenen Entscheidung“.[319]
134
Ein Kläger, der sich mit einer unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer konfrontiert sieht, kann einen Staatshaftungsanspruch geltend machen.[320] Ist eine Entschädigung möglich, kann er die überlange Verfahrensdauer hingegen nicht als Klagegrund für eine Aufhebung des zum Abschluss dieses überlangen Verfahrens ergehenden Gerichtsurteils geltend machen.[321]