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cc) Beweislast und Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit
des Gerichts mit dem Kläger
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Das Verfahren vor dem Staatsrat ist größtenteils ein Untersuchungsverfahren. Dies folgt unmittelbar aus dem objektiven Wesen der Klagen vor dem Staatsrat.[322] Bereits im Bericht an den Regenten vom 23. August 1948 über das Verfahren vor der Abteilung für Verwaltungssachen des Staatsrates wurde hierzu ausgeführt, dass „[e]s […] gerade dem Richter, und nicht den Streitparteien oder deren Rechtsbeiständen, obliegt, das Verfahren zu leiten, weil der Gedanke einer Verwaltungsgerichtsbarkeit selbst untrennbar mit der Idee des Allgemeininteresses verbunden ist. Jede andere Herangehensweise würde es den Parteien, die natürlich versucht wären, ihre persönlichen Vorstellungen und Interessen dem Allgemeininteresse vorzuziehen, erlauben, die Entscheidung eines Rechtsstreits hinauszuzögern; damit würde es einer Behörde ermöglicht, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um – entgegen der Rechtslage – die Rechtswirkungen ihrer gesetzeswidrigen Maßnahme länger aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund leitet in Frankreich, wie auch in den Niederlanden, der Staatsrat selbst das Verfahren.“[323] Folge dieses Grundsatzes ist, dass der Kläger keinen Nachweis für die behauptete Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme erbringen muss. Vielmehr liegt die Beweislast bei der Behörde, welche die Maßnahme erlassen hat (diese wird als beklagte Partei bezeichnet); sie hat darzulegen, dass die angegriffene Maßnahme rechtmäßig ist.
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Allerdings wird der Klagegegenstand durch den Klageantrag bestimmt und umgrenzt. Dieser kann grundsätzlich nicht ausgedehnt werden, es sei denn der Kläger konnte keine Kenntnis von einem weiteren, eine Rüge begründenden Gesichtspunkt haben. Der Klageantrag muss darüber hinaus die Klagegründe, d.h. eine „hinreichend klare Benennung der verletzten Vorschrift und der Art und Weise dieser Verletzung“[324] anführen. Gleichwohl verzichtet der Staatsrat grundsätzlich auf unnötigen Formalismus und akzeptiert auch schlecht formulierte Antragsgründe oder ungenau bezeichnete Vorschriften, solange der Wille des Klägers ersichtlich ist.[325] Er lässt hierbei im Allgemeinen Nachsicht walten, insbesondere wenn die Klage ohne anwaltlichen Beistand erhoben wurde. So hat er einem Aussetzungsantrag wegen höchster Dringlichkeit stattgegeben, der sich darauf beschränkte, den Staatsrat zu „bitten, die Anordnung, meinen Club abends um 22 Uhr zu schließen, aufzuheben. Kann man mir meine Lebensgrundlage wirklich grundlos entziehen, nachdem ich mir 24 Jahre nichts zu Schulden habe kommen lassen?“[326] Allerdings vertritt der Staatsrat entgegen der Auffassung der ordentlichen Gerichte, dass der Grundsatz, nach dem ein ordentliches Gericht von Amts wegen den auf die vorgebrachten Tatsachen anzuwendenden Rechtsrahmen ermitteln muss, „nicht für ein Gericht gilt, das die objektive Rechtmäßigkeit einer ihm vorgelegten Verwaltungsentscheidung zu würdigen hat“[327].