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4. Strophe – Paul 2

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Wer könnte sich vorstellen, dass von den Beatles bei der ersten weltweit übertragenen Live-Fernsehveranstaltung Our World, die von der BBC produziert wurde und bei der eine halbe Milliarde Menschen zusahen, penny lane anstelle von all you need is love gespielt worden wäre. Die Antwort darauf liegt eigentlich auf der Hand, denn allein die Annahme, dass dieses Lied eine Alternative zu einem der größten Beatles-Klassiker überhaupt gewesen sein könnte, ist genauso grotesk wie falsch. Tatsächlich hatte Paul your mother should know vorgeschlagen, weil es bis kurz vor diesem, wirklich wichtigen Termin noch keinen geeigneten Song für die Show gab. Johns Antwort darauf war – wie es schon zuvor bei dem Titelsong für den Film a hard days night der Fall gewesen ist –, dass er in einer Nacht- und Nebelaktion all you need is love schrieb und damit, weil dieser Song selbstverständlicherweise für die Veranstaltung ausgewählt wurde, gleichzeitig die Ära der Blumenkinder, der freien Liebe und der ersten weltweit wahrgenommenen Friedensbewegung einläutete. Das war ein bisschen Pauls Problem, dass er zwar wunderschöne Balladen komponieren konnte – ohne behaupten zu wollen, dass penny lane oder your mother should know zu seinen besseren Stücken gehören – aber er hatte nicht so wie John das Gespür dafür, was die erwartungsvolle, nach immer mehr hungernde Menge da draußen gerade am meisten wollte oder von den Beatles erwartete. Es zeugte fast schon von Raffinesse, mit welcher Treffsicherheit John voraus zu ahnen schien, was der nächste Schritt sein musste, um bei ihren Fans den richtigen Nerv zu treffen. Paul hatte stattdessen yesterday geschrieben. Einen Song, bei dem es gut sein kann, dass in vielen hundert Jahren gesagt werden wird, dass die Beatles yesterday gesungen haben und darüber hinaus gar nicht mehr viel Weiteres über sie bekannt sein wird. Unter Umständen wäre yesterday selbst dann noch bekannt, wenn niemand mehr auch nur das Geringste von den Beatles weiß. Das war auch John bewusst. Er wurde oft für den Song von Paul gelobt, aber er hat immer zugegeben, dass ihm die Ehre für dieses Lied nicht gebührt. Lieder wie yesterday waren Pauls große Stärke. Er ist ein hervorragender Musiker, der viele Metiers bedienen kann, und die von ihm beigesteuerten Balladen wie hey jude oder let it be sind grandios. Das muss auch jeder zugeben, der Johns Musik bevorzugt. Ebenso ist es bei seiner Performance von Rock-&-Roll-Nummern wie long tall sally, I‘m down oder back in the ussr. Paul beweist ein ausdrückliches Gesangstalent, und er kann eine Rockröhre zum Besten geben, die der von John in nichts nachsteht. Es soll damit nicht gesagt werden, dass sie austauschbar gewesen wären. Jeder hat genau seine Lieder gesungen, und Pauls Stücke hatten – mit einigen Ausnahmen – den starken Trend, etwas schnulzig zu sein. Man kann sagen, dass dadurch das Maß, mit dem Paul den Rock & Roll verkörperte, nicht im Gleichgewicht mit seinem wirklich großen Talent und dem gewaltigen Stimmenumfang stand, was bei John hingegen der Fall war. Er wusste ebenfalls um Pauls Talente und bat ihn, bei a hard days night den hohen Teil zu singen, weil er ihm zu anstrengend war, oder er ließ Paul bei revolution während der Liveaufnahme am Anfang schreien, weil er es nicht gleichzeitig zum Gitarrenspiel so hinbekam wie auf der Studioaufnahme. Trotz dieser guten Eigenschaften von Paul, alles bedienen zu können, war es John, der wirklich verkörperte und dadurch auch repräsentierte, was er war und was er tat. John war Rock & Roll. Paul war ein Balladensinger. Und das ist gut so, denn jeder von ihnen wird von seinen Fans genau für die Musik geliebt, in der er am besten ist und war.

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