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5. Strophe – Brian

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Niemand, nicht einmal ein Heiliger und insbesondere nicht John, kann nur positive Seiten haben. Es gab einen Tag im Leben von John, der dazu führte, dass viele Menschen, besonders in den USA, die Beatles nicht mehr mochten. Um eine einzelne Person herauszuheben, gehörte dazu auch der unaussprechliche Mark David Chapman aus Texas, der später das Attentat auf John verüben sollte, aber darauf soll später noch im Detail eingegangen werden. Dieser Tag, der in England und im restlichen Europa mehr oder weniger kaum wahrgenommen wurde, war der Tag, an dem John behauptete, dass die Beatles populärer wären als Jesus Christus. In den prüdesten und gottesfürchtigsten Teilen der USA, dem Land, in dem John später, nach der Auflösung der Beatles, unbedingt leben wollte, rief diese Aussage Stürme der Empörung hervor. Die Folge war, dass etwas passierte, was für die Rolling Stones die Krönung ihrer antichristlichen Außenwirkungskampagne gewesen wäre, ihnen aber bis heute vergönnt geblieben ist. Es wurden Schallplatten der Beatles von wütenden Bürgern auf großen Scheiterhaufen verbrannt. Die Band, die bei der Queen Tee trinken durfte, war plötzlich ein Haufen von Gotteslästerern. Wer aber genau hingesehen und hingehört hätte, dem wäre aufgefallen, dass da mehr war. Nur leider hat das niemand wirklich und ernsthaft getan. Denn in dem Moment, in dem John diesen Satz gesagt hatte, für den er sich später entschuldigen musste – was er zum betreffenden Zeitpunkt sehr professionell und mit intellektueller Wortwahl tat –, hätte einem aufmerksamen Zuhörer offenbar werden können, dass er eine wahre Reinkarnation von Jesus war. Aber ebenso war er in diesem Moment auch ein Richter über sein Schicksal. Es hat nur keiner bemerkt. Stattdessen wurde er gehetzt und getrieben, so lange, bis er sich von dem Gesagten distanzierte, weil er das Gesamtwohl der Beatles über das eigene stellte. Allerdings kann die Tatsache, dass John war, was er war, als Beweis dafür herangezogen werden, dass auch der Heiland nicht nur positive Seiten gehabt haben konnte. Jesus kann nicht unfehlbar gewesen sein, denn John war es auch nicht.

Jemand, der die negative Seite von John zu spüren bekam, war Brian Epstein, der Manager der Beatles. Der ehemalige Kommilitone und Freund von John, Bill Harry, der John während des Studiums mit Stuart Sutcliff, dem ersten Bassisten der Beatles, bekannt gemacht hatte und in Liverpool die Musikzeitschrift Mersey Beat herausbrachte, führte Brian 1961 in den Cavern Club. Dieser wollte sich die Gruppe anhören, wegen der so viele Leute nach der Single my bonnie, bei der die Beatles lediglich als Begleitband für Tony Sheridon zu hören sind, in seinem Plattenladen nachfragten. Als er sie hörte, wollte er sie unbedingt unter Vertrag nehmen und mit ihnen erfolgreich sein, sogar gegen jeglichen Widerstand, weil er ihre Musik so aufregend fand. Bevor er das Management für die Beatles übernahm, fragte er den Besitzer des Jacaranda Clubs in Liverpool, Allen Williams, der 1960 und 1961 der erste Manager der Beatles gewesen war, ob es noch offene vertragliche Themen zwischen ihm und den Beatles gäbe. Allen hatte die Beatles damals in seinem Lieferwagen nach Hamburg gefahren und ging mit ihnen im Streit über seine Gage auseinander, der sich glücklicherweise später in Rauch auflöste, so dass Allen und die Beatles sich nach der Beilegung des Zerwürfnisses im positiven Sinne in Erinnerung behielten. Zu dem Zeitpunkt, als Brian ihn kontaktierte, riet er ihm jedoch, die Beatles nicht einmal mit einer verfluchten Kneifzange anzufassen, denn sie würden ihn bei der erstbesten Gelegenheit fallen lassen, was vielleicht als Prophezeiung dessen gedeutet werden kann, wie sich die Dinge weiterentwickeln sollten. Offensichtlich ist es so, dass Brian John mindestens genau so aufregend fand wie die Musik der Beatles. Er war homosexuell. John erkannte das, aber er erkannte ebenfalls das Potential in der Chance, die Brian ihnen bot. Die Beatles willigten ein, und Brian stellte ihre Welt auf den Kopf, kleidete die Beatles in hübsche Anzüge, optimierte ihr Bühnenprogramm und besorgte ihnen den ersten Plattenvertrag. Die gelegentlich anzutreffende Aussage, dass es Brian war, der in diesem Zuge auch die Elvistollen der Beatles zu Pilzkopffrisuren kämmte ist nicht mehr als eine schöne Metapher, die nur seine enorme Eifrigkeit und Willenskraft in dieser Angelegenheit widerspiegelt, denn sie entspricht nicht der Wahrheit. In Wirklichkeit wählten die Beatles ihren Haarschnitt selber aus. Inspiriert von der modischen Erscheinung ihrer Hamburger Freunde Klaus Voormann und Jürgen Vollmer, die der sogenannten Exi-Bewegung angehörten, machten sich John und Paul gegen Ende des Jahres 1961 gemeinsam auf den Weg und trampten nach Paris, wo sie Jürgen besuchten, der kurz vorher dorthin gezogen war. Jürgen – nicht Brian – war es, der den Beatles in seinem kleinen Pariser Appartment mit seiner eigenen Schere ihren neuen, bald weltberühmten Haarschnitt verpasste.

John spielte bei dem von Brian angestrebten Restrukturierungsprogramm weitestgehend mit, obwohl er bei einigen der angeordneten Einbußen zuerst rebellierte. Als zum Beispiel die Lederjacken daran glauben sollten, da sperrte er sich mit George im Hotelzimmer ein und warf die neuen Anzüge aus dem Fenster. Er akzeptierte es aber schlussendlich. Brian baute die Beatles auf und formte sie zu der Superband, die sie werden sollten. Johns wirklichen Respekt erarbeitete er sich nie. John spielte mit Brian und zog ihn auf. Er setzte ihm bei der Feier zum USA-Erfolg von i want to hold your hand einen Nachttopf auf den Kopf und provozierte damit, dass diese demütigende Situation von der Presse festgehalten wurde. Als Brian seine Autobiographie mit dem Titel a cellular full of noise (ein Keller voller Lärm) vorstellte, war das eine Steilvorlage für John, der daraus sofort a cellular full of boys (ein Keller voller Jungs) dichtete. Vielleicht wurde John auch anzüglich und stellte Brian tatsächlich etwas in Aussicht, um ihn damit bei der Stange zu halten, was für den verliebten Brian eine echte Qual gewesen sein könnte. Andererseits könnten sie tatsächlich vorübergehenden Spaß miteinander gehabt haben. Brian wurde von John immerhin als Patenonkel für seinen Sohn Julian ausgewählt. Darüber hinaus verbrachten sie mehrfach ihren Urlaub allein miteinander, zum Beispiel in Barcelona, während die restlichen Beatles zusammen mit Klaus Voormann auf Teneriffa waren. Was bei diesen Urlauben zwischen John und Brian passierte, ist unbekannt. Entspannt und gestärkt ging Brian allerdings meistens nicht daraus hervor und das gleiche gilt für seinen Erfolg als Manager. Er hatte die Beatles zu Weltruhm gebracht, aber zum Teil sehr schlechte Vertragskonditionen ausgehandelt, so dass die Beatles mit zunehmendem Erfolg die Regie mehr und mehr selbst übernehmen oder lieber an andere Personen als ihn übergeben wollten. Brian nahm Drogen und zunehmend mehr davon, aber auch das half nicht. Er starb 1967 an einer Überdosis Schlafmittel, während die Beatles in Indien waren und nachdem der am Anfang des Jahres ausgelaufene Managementvertrag mit ihm über Monate hinweg nicht verlängert worden war. Er wurde ohne ihr Beisein beigesetzt. Zwar schickte George eine in ein Tuch eingewickelte Blume im Namen der Beatles, nur waren bei einer jüdischen Bestattung keine Blumen erlaubt. Sie waren sicherlich alle traurig, aber niemand vermisste ihn wirklich, weil er ersetzbar und unwichtig geworden war. Genau das war der Grund dafür, dass er sich umgebracht hatte, und der heilige John trägt, obwohl Brians Tod ihm sehr nahe gegangen sein wird, seitdem sicherlich einen kleinen Teil der Verantwortung dafür in seinem Herzen.

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